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Die Kernenergie gehört in die progressiven Diskurse
Die Kernenergie gehört in die progressiven Diskurse
Veröffentlicht am 2019-04-09
Von Anna Veronika Wendland
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Spiegel-Journalist Gideon Böss führte vor kurzem ein ausführliches Interview mit Nuklearia-Vorstandsmitglied Dr. Anna Veronika Wendland, das am 28.03. 2019 auf Spiegel online erschien. Da es dort nur hinter einer Bezahlschranke zu lesen ist, dokumentieren wir es hier mit freundlicher Genehmigung des Interviewers, der Interviewten und der Spiegel-Redaktion in voller Länge.

🇬🇧 This interview is also available in English.

Dr. Anna Veronika Wendland ist Osteuropa- und Technikhistorikerin am Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung, einem Institut der Leibniz-Gemeinschaft in Marburg. Seit einigen Jahren forscht sie zur Geschichte der Kerntechnik und ist darüber zur Nuklear-Dissidentin geworden. Sie bloggt über Energie- und Klimapolitik und engagiert sich ehrenamtlich beim Verein Nuklearia »für die kerntechnische Re-Alphabetisierung der Deutschen«, wie sie ihre Arbeit selbst beschreibt.

SPIEGEL: In Deutschland wird die Atomkraft offiziell abgeschafft. Mit welcher Motivation setzt man sich dann weiter für diese Energieform ein?

WENDLAND: Meine Motivation kommt aus einer Frage, die sehr viele Leute umtreibt: Wie können wir eine umweltfreundliche Industriegesellschaft gestalten? Ich habe sehr viel zum Thema Kernenergie gearbeitet, habe auch lange in Kernkraftwerken geforscht. Dabei kam ich zu dem Schluss, dass der Atomausstieg ein Fehler war. Denn das schlagkräftigste Instrument, um eine Elektrizitätswirtschaft umweltfreundlich, CO2-arm und gleichzeitig versorgungssicher zu gestalten, ist ein Kernkraftwerk.

SPIEGEL: Sie stehen mit ihrer Atomkraftbegeisterung ziemlich alleine da in Deutschland. Was macht sie so sicher, dass sie trotzdem richtig liegen und nicht der berühmte Geisterfahrer sind, der sich über die Hunderte von Falschfahrern auf der Autobahn ärgert?

WENDLAND: Naive Begeisterung von der Kerntechnik wäre vollkommen fehl am Platz in der Diskussion, die heute geführt werden muss: Welche Technologie ist nach realistischer Einschätzung in der Lage, die Stromversorgung von Industrieländern klimaneutral, sicher und wirtschaftlich zu gewährleisten? Erneuerbare alleine können das aufgrund ihrer geringen Zuverlässigkeit und Energiedichte nicht leisten. Ob ich alleine dastehe? Es gab Zeiten, da standen auch die Grünen alleine da. Solche Dinge können sich in relativ kurzer Zeit ändern, auch infolge schlechter Erfahrungen. Inzwischen treten die Mängel der deutschen Energiewende immer offener zutage, und sie verfehlt die selbstgesetzten Klimaziele. In vielen Ländern wird eher Deutschland als Geisterfahrer wahrgenommen.

SPIEGEL: Atomkraftbefürworter zu sein ist nichts, wofür man unbedingt mit viel Anerkennung rechnen kann. Warum tun Sie es sich überhaupt an, öffentlich diese Position einzunehmen und quasi als Aktivistin aufzutreten?

WENDLAND: Ich halte meine Position für zu Unrecht tabuisiert und diskreditiert, und ich halte die Sache für dringlich. Daher mache ich den Mund auf. Kernenergie war mal ein linkes Fortschrittsprojekt, und da gehört sie wieder hin, in die progressiven Diskurse. Mit der Anerkennung ist es so eine Sache. Welche Anerkennung ist was wert? Der leicht verdiente Applaus der Angstkampagne? Oder die Zustimmung von Leuten, die ihr Fach verstehen? Mit Hohn und Anfeindungen muss man rechnen und fertigwerden, wenn man in Deutschland für Kernenergie spricht. Die Anerkennung, die mir Mut macht, die kommt von Wissenschaftlern, aber auch von Fachpolitikern. Ich habe sogar schon heimlichen Zuspruch von Grünen bekommen, denen die schweren Defizite der Energiewende bewusst werden.

SPIEGEL: Bei Atomkraftgegnern gibt es oft ein Aha-Erlebnis wie Tschernobyl, das sie geprägt hat. Gab es das für Sie mit umgekehrten Vorzeichen auch?

WENDLAND: Auch ich wurde durch den Tschernobyl-Schock 1986 zur Atomkraftgegnerin, wie die meisten in meiner Generation. Aber ich war stark naturwissenschaftlich interessiert und habe mich deswegen sehr gründlich mit der technischen Seite der Atomwirtschaft beschäftigt, die mich irgendwie auch faszinierte. Mein Aha-Erlebnis kam dann, als ich drei Jahre später in Kiew studierte, vor den Toren von Tschernobyl sozusagen. Ich habe damals Menschen kennengelernt, die im AKW gearbeitet hatten und den Unfall miterlebt hatten. Trotzdem verdammten sie die Kernenergie als solche nicht, sie sprachen mit großer Wärme von ihrer Arbeit dort. Sie sagten nur, man muss dafür sorgen, dass die Kernenergie nie wieder so runtergewirtschaftet wird wie damals in der Sowjetunion. Das hat mein Antiatom-Weltbild erschüttert und legte auch den Grundstein für meine spätere wissenschaftliche Beschäftigung mit der Kernenergie.

SPIEGEL: Ganz so romantisch verlief der Super-GAU aber nicht. So warnt die Weltgesundheitsorganisation vor einer erhöhten Zahl von Krebserkrankungen in bestimmten weißrussischen Regionen, die von der ausgetretenen Strahlung besonders betroffen wurden sowie von bis zu 4000 möglichen Todesopfern durch Spätfolgen der Katastrophe. Auch haben Tausende Helfer, die in Tschernobyl eingesetzt wurden, mit schweren gesundheitlichen Problemen zu kämpfen.

WENDLAND: Ich habe zunächst nicht von dem Unfall gesprochen, sondern von dem Leben dieser Leute vor dem Unfall. In diesen sowjetischen Lebensläufen war die Kernenergie eine enorme sozial mobilisierende Kraft. Von Romantik kann überhaupt keine Rede sein, auch wenn die alten Ingenieure das heute vielleicht so sehen. Es ist nicht meine Absicht, diesen Unfall und seine Wirkungen zu verharmlosen. Allerdings auch nicht, sie zu übertreiben, wie es in vielen unseriösen Publikationen geschieht. Es gibt eben nicht viele Millionen von noch zu erwartenden Tschernobyl-Opfern, sondern laut Weltgesundheitsorganisation die von Ihnen genannten mehreren Tausend. In Deutschland, das nach Tschernobyl Kopf stand, sind die gesundheitlichen Auswirkungen des Unfalls statistisch überhaupt nicht nachweisbar.

SPIEGEL: Sie sagen, dass viele Atomkraftgegner Angst vor der Kernenergie haben, ohne sie zu verstehen. Sind Atomkraftgegner irrational?

WENDLAND: Menschen neigen grundsätzlich dazu, kleine, aber als dramatisch wahrgenommene Risiken zu überschätzen und große, alltäglich daherkommende Risiken zu unterschätzen. Die Kernenergie ist in Deutschland auch kulturell und diskursiv produziert worden, nicht nur technisch-ökonomisch. Die Vorstellung von ihrer Außer-Alltäglichkeit, die sich vor allem aus ihrer Gleichsetzung mit der Atombombe und aus der sicherheitstechnischen Abschottung der Anlagen speiste, hat zur Atomangst beigetragen. Hinzu trat eine in Deutschland historisch stark verwurzelte Technik- und Modernekritik, die ursprünglich vor allem im konservativen Lager beheimatet war. Es wäre zu kurz gegriffen, der Anti-AKW-Bewegung nur Irrationalität vorzuwerfen. Sie hat eine kritische Gegen-Expertise aufgebaut, z.B. in den Öko-Instituten. Doch im medialen Diskurs, im Alltag dominiert eine extrem unsachliche Auseinandersetzung mit Kerntechnik oder ionisierender Strahlung.

SPIEGEL: Wie erklären Sie sich diese angebliche journalistische Einseitigkeit?

WENDLAND: Sehr viele Journalisten verwechseln Kritik mit Haltung. Kritisch und investigativ berichten hieß, lange Zeit auch mit gutem Grund, staats- und industriekritisch zu sein. Und der öffentliche Druck auf die Kernkraftwerks-Betreiber hat letztlich unserer nuklearen Sicherheitskultur sehr genützt. Doch dann verkam die Kritik zum Schwarz-Weiß-Denken. Hier die Umweltkämpfer, dort die Großkonzerne, die Atom- und Kohlelobby. Inzwischen sind aber auch die Erneuerbaren Energien zur Industrie herangewachsen, mit allem was dazugehört: Lobbyismus, staatliche Unterstützung, Umweltschäden. Die Umweltbewegung ist in der Hand von Profi-Campaignern, die auch vor unseriöser Argumentation nicht zurückschrecken. Ich vermisse eine kritische Begleitung dieser Entwicklungen durch unsere Medien.

SPIEGEL: Vielleicht liegt es aber auch daran, dass bei Unfällen mit erneuerbaren Energieträgern nicht mit Millionen zusätzlicher Krebsfälle gerechnet werden muss, wie zum Beispiel eine Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums 1992 abgeschätzt hat. Auch muss man seine Heimat nicht dauerhaft verlassen, wenn ein Windpark in Flammen aufgeht.

WENDLAND: Richtig, wenn ein Windpark abbrennt, interessiert das niemanden. Doch wenn Sie schon den Windpark direkt mit der Kernenergie vergleichen, sollten Sie auch die Zahlen sprechen lassen. Hinsichtlich der Todesopfer pro produzierter Megawattstunde steht nämlich die Kernenergie ungefähr gleich mit Wind- und Sonnenenergie, und zwar inklusive der großen Atomunfälle. Was von den »Millionen zusätzlicher Krebsfälle« zu halten ist, zeigen die Ergebnisse von drei Jahrzehnten seriöser Tschernobyl-Forschung. In großen Teilen der angeblichen »Todeszonen« von Tschernobyl und Fukushima liegen die Ortsdosisleistungen unter dem natürlichen Strahlungslevel an vielen Orten der Erde, wo Menschen unbehelligt leben. Das hat eine Diskussion darüber ausgelöst, ob die sehr niedrig angesetzten Grenzwerte, die bei kerntechnischen Unfällen zur Evakuierung ganzer Landstriche führen, berechtigt sind. Auf der anderen Seite wäre es naiv anzunehmen, die Erneuerbaren seien ohne Folgen für die Menschen und Tiere, in deren Lebensräumen sie errichtet werden. Was momentan bei uns passiert, das ist eine brachiale Umformung von Kultur- und Naturlandschaften in Installationsräume der Erneuerbaren. Aus solchen Landschaften werden sich womöglich irgendwann die Menschen selber evakuieren, weil sie es in ihnen nicht mehr aushalten.

SPIEGEL: Warum schließen Sie eigentlich aus, dass die Energiewende funktionieren könnte?

WENDLAND: Sie kann funktionieren. Aber nicht so, wie gemeinhin angenommen wird. Man kann eine Gesellschaft zu hundert Prozent mit erneuerbarer Energie versorgen, wenn man sie radikal umbaut. Dazu gehört es, Wertschöpfungsketten und Mobilität zu relokalisieren und Wirtschaftswachstum als Ziel abzuschreiben. Doch eine solche Gesellschaft wird sich aller Voraussicht nach nur durch Zwang etablieren lassen. Ich weiß als gelernte Osteuropa-Historikerin recht gut Bescheid über politische Ordnungen, die alles umgestalten und einen neuen Menschen erschaffen wollten. Ich möchte diesen Weg nicht gehen.

SPIEGEL: Wobei die Frage ist, welche Rolle die Atomindustrie für die wirtschaftliche Stabilität der Welt tatsächlich spielt. Sie trägt nur etwa zehn Prozent zur globalen Stromproduktion bei. Das klingt nun nicht so, als ob man ins Mittelalter zurückfallen muss, um das anderweitig zu erzeugen.

WENDLAND: Da gebe ich Ihnen Recht. Doch der fragliche Punkt ist, ob man weiterleben kann wie bisher, wenn man alle fossilen Kraftwerke und die Kernkraftwerke durch Erneuerbare ersetzt, wie es viele Klimaschützer fordern. Dort, wo nach Fukushima der Strom aus Kernkraftwerken ersetzt wurde, bei uns und in Japan, wurde er übrigens durch Strom aus fossilen Erzeugern ersetzt. Wenn man aber gleichzeitig der Auffassung ist, das Klima retten zu wollen, ohne eine autoritäre Postwachstums-Gesellschaft einzuführen, dann ist das definitiv der falsche Weg. Vielmehr wäre dann die extrem energiedichte Kernenergie der legitime Nachfolger der Stromerzeugung aus fossilen Quellen.

SPIEGEL: Atomkraftbefürworter bewerben die Kernkraft gerne als klimaneutral, weil die CO2-Produktion gering ist. Wenn man aber hinzurechnet, wie sehr der Abbau des Urans und die spätere Lagerung des Atommülls das Klima belastet, relativiert sich das deutlich. Ist es wirklich angemessen, die Atomkraft als umweltschonend zu bezeichnen?

WENDLAND: Die Kernenergie liegt unter Berücksichtigung ihrer gesamten Produktionskette inklusive Uranbergbau und Lagerung hinsichtlich ihrer CO2-Bilanz ungefähr auf gleicher Höhe mit der Windkraft. Der wirkliche Umweltvorteil der Kernenergie liegt aber in ihrer Energiedichte. Sie ist mit Blick auf ihren Flächenverbrauch minimal-invasiv. Und sie eröffnet immense Möglichkeiten, eine Industriegesellschaft weiterzuentwickeln, etwa durch Strombereitstellung für die Synthese umweltfreundlicher Kraftstoffe, für die Wasserstoff-Elektrolyse, was sowohl für Mobilitätslösungen als auch für eine CO2-arme Stahlproduktion durch Wasserstoff-Reduktion von Interesse ist.

SPIEGEL: Sie sprechen davon, dass die Atomkraftwerke im Gegensatz zu den Erneuerbaren Energien zuverlässige Energie liefern. Aber zum Teil fallen Kernreaktoren monatelang oder sogar jahrelang aus. Es gab Phasen, in denen fast die Hälfte aller AKWs nicht genutzt werden konnten. Das klingt wiederum nicht sonderlich zuverlässig.

WENDLAND: Das ist der Preis der nuklearen Sicherheit: dass eine Anlage auch nur im geringsten Zweifel solange vom Netz bleibt, bis der Zweifel geklärt ist. Längere Ausfallphasen haben im globalen Norden im wesentlichen zwei Ursachen: erstens das steigende Alter der Anlagen, was ihre Reparaturanfälligkeit erhöht. Ein weiterer Faktor ist aber auch die rigorose Genehmigungspraxis der Aufsichtsbehörden, die häufig Anfahrtermine durch zusätzliche Auflagen hinauszögern. Die Datenbanken der Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) nennen eine Arbeitsverfügbarkeit von Kernkraftwerken zwischen 73 und 82 Prozent über die letzten zwanzig Jahre, womit sie jenen der konventionellen Kraftwerke ähneln. Die deutschen Anlagen lagen dabei nochmal über diesem Durchschnitt. Zum Vergleich: Die Arbeitsverfügbarkeit von deutscher Offshore-Windkraft, der zuverlässigsten Form von Windenergie, lag 2018 bei durchschnittlich 40 Prozent.

SPIEGEL: Sie sind auch im Verein Nuklearia aktiv, einer Art ehrenamtlichen NGO für Atomkraft. Dieser Verein kritisiert auch Svenja Schulze, die Ministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU). Warum eigentlich?

WENDLAND: In der Bundesrepublik ist die Atomaufsicht Ländersache, das BMU ist aber gegenüber den Länderbehörden weisungsberechtigt. Wir erwarten von einer Bundesbehörde, die sich mit Nuklearsicherheit befasst, politische Neutralität. Stattdessen macht das BMU sachlich-fachlich hochproblematische Äußerungen zu den deutschen Atomanlagen. Seine Öffentlichkeitsarbeit ist streckenweise von Greenpeace nicht mehr zu unterscheiden. Es ist aber nicht die Aufgabe der Exekutive, sich die Positionen von Anti-Atom-NGOs zu eigen zu machen.

SPIEGEL: Veranstaltungen wie das Nuclear Pride Fest sollen in der Öffentlichkeit das Interesse an der Atomkraft stärken. Das letzte fand im Oktober in München statt. Wie werden solche Veranstaltungen von der Bevölkerung angenommen?

WENDLAND: Das fand bei herrlichem Wetter auf dem Marienplatz statt, und erinnerte mich vom Gestus her eigentlich an typische Grünen-Demos. Mit improvisiertem Infostand und selbstgemachten Liedern. Das machte den Reiz aus, weil es so komplett anders wirkte als das, was die Atomindustrie machen würde, deren Präsentationen immer sehr steril und bereinigt sind, ohne lebendige Menschen. Die Frage, ob so eine Aktion nun wirklich viele Leute erreicht, ist schwer zu beantworten. Die vielen Touristen wunderten sich. Bürger kamen an den Infostand und haben mit uns diskutiert. Und was uns auch gefreut hat: es gab keinen Ärger mit Atomkraftgegnern, was wir im Vorfeld angesichts der Hasskommentare auf Facebook wirklich befürchtet hatten.

SPIEGEL: Täuscht der Eindruck, dass die Atomkraftbefürworter zunehmend offensiver um ihre Position werben?

WENDLAND: Das ist tatsächlich so und das liegt auch daran, dass etwas in Bewegung geraten ist. In der Dieseldebatte merken die Leute, dass es bei der ökologischen Regulierung ihrer Leben langsam ans Eingemachte geht. Das mit dem Strom war noch abstrakt: es gibt ja keine Stromausfälle, weil bei Dunkelheit und Flaute bislang noch Kern- und Kohlekraftwerke einspringen. Doch mit dem eigenen Auto verbinden die Menschen ihr Privatleben, ihre Bewegungsfreiheit. Gleichzeitig kommt aber auch von der anderen Seite her die Klimadebatte in Fahrt, die Leute merken, dass die von der Regierung gewählten Maßnahmen kaum greifen. Deswegen ist es heute vermutlich wieder eher möglich, über Kernenergie zu reden.

SPIEGEL: Dennoch überwiegt bei den Menschen die Angst vor der Atomkraft. Laut einer Emnid-Umfrage würden nur 5 bis 10 Prozent der Deutschen ein Atomkraftwerk in der Nachbarschaft »gut« oder »sehr gut« finden. Glauben Sie dennoch, die Deutschen noch zu Atomkraftfans zu machen?

WENDLAND: Deutschland braucht keine Atomkraftfans. Was wir brauchen, sind Menschen, die die Risiken verschiedener Arten der Energieumwandlung realistisch einschätzen können. Alle Seiten sollten sich dabei ehrlich machen. Mehr Akzeptanz für Kernenergie wird es dann geben, wenn endlich inhärent sichere neue Reaktoren gebaut werden. Doch auch die atomkritischen Bürger leisten sich einige Illusionen. Sie denken, sie müssten bei der Energiewende nur wählen zwischen niedrigerem und höherem Strompreis, den sie ja auch jetzt schon zahlen, und bekämen so automatisch mehr Sicherheit. In Wirklichkeit sieht es jedoch anders aus: Wollen sie Versorgungssicherheit, dann müssen sie akzeptieren, dass die Erneuerbaren einen fossilen oder nuklearen Schatten-Kraftwerkspark benötigen, ob im In- oder Ausland. Die Bundesregierung setzt offensichtlich jetzt voll auf russisches Gas zur Rettung der Energiewende. Das wiederum kollidiert mit anderen Zielen: Klimazielen, sicherheitspolitischen Zielen. Will man sich hingegen vollständig erneuerbar versorgen, dann muss man mit Strom-Engpässen leben lernen.

SPIEGEL: Deutschland ist ein einflussreiches Land. Was hier passiert, wird weltweit registriert. Wie sieht es in Sachen Energiewende aus? Sind wir da Vorreiter oder stehen wir allein da?

WENDLAND: Wir sind gegenwärtig ziemlich einsam. Kein anderes führendes Industrieland steigt gleichzeitig aus allen Formen gesicherter Leistung in der Stromversorgung aus, also aus Kernenergie und Kohlekraft. Das westliche Ausland hat uns lange interessiert beobachtet, um zu sehen, ob diese Umgestaltung vielleicht doch funktionieren kann. Aber dieses Interesse ist längst Ernüchterung und Skepsis gewichen. Die meisten Osteuropäer wiederum halten uns für meschugge. Mir hat mal ein ukrainischer Atomingenieur gesagt: »Ein Land, das seine Hauptstadt verlegt, kann vielleicht auch die besten Kernkraftwerke der Welt ohne Not verschrotten.«

SPIEGEL: Ob die deutschen Atomkraftwerke so sicher sind, ist allerdings umstritten. In einem internationalen Vergleich der OECD aus dem Jahr 1997 schneidet Biblis B nicht besonders gut ab, zum Beispiel was die Freisetzung von Radioaktivität bei einer Kernschmelze angeht.

WENDLAND: Ich habe mir diese Studie mal näher angesehen. Das war damals keinesfalls eine »Pisa-Studie für Atomkraftwerke«, wie es die Anti-Atom-Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) seinerzeit in die Welt setzte. Sie ermittelte auch keine Rangliste über die Wahrscheinlichkeit einer Freisetzung infolge von Kernschmelze. Vielmehr diente diese Studie dem Ziel, die damals vorhandenen Sicherheitsanalyse-Methoden für Kernkraftwerke vergleichend zu bewerten. Die OECD-Autoren haben daher auch die nationalen Sicherheitsstudien ausgewertet, unter anderem die »Deutsche Risikostudie Kernkraftwerke« von 1990, deren Referenzanlage Biblis B war. Aus diesen Zitaten hat der IPPNW wiederum sehr selektiv ausgewählt. Biblis B ist seit 2011 stillgelegt. Die ihm vorgeworfenen Defizite sind in den heute laufenden deutschen Anlagen, die späteren Baulinien angehören, überhaupt kein Thema oder waren es nicht mal in Biblis. Hinsichtlich eines gängigen Indikators, der Kernschadenshäufigkeit, bewegen sich die deutschen Anlagen im Bereich aller westlichen Anlagen ähnlicher Bauart und Generation, teilweise sind sie sogar besser. Trotzdem ist natürlich die Entwicklung weitergegangen. Die heute neu gebauten Kernkraftwerke haben bessere Sicherheitseigenschaften. Die russischen Druckwasserreaktoren der neuesten Generation können die Nachzerfallswärme aus dem Reaktorkern vollständig passiv abführen, das heißt ohne elektrisch betriebene Pumpen. Das funktioniert auch bei tagelangem totalem Stromausfall, also einer Situation, wie sie in Fukushima vorlag.

SPIEGEL: Auf der Homepage von Nuklearia heißt es: »Die meisten Menschen überschätzen, was sie in einem Jahr leisten können – und unterschätzen, was sie in zehn Jahren erreichen können.« Wo werden wir denn in zehn Jahren sein?

WENDLAND: Ich hoffe, beim Wiedereinstieg in eine neue Form von Kernenergie. Wir sind keine Atom-Nostalgiker. Wir sind Vorbereiter.


Titelbild: Dr. Anna-Veronika Wendland bei einem Forschungseinsatz auf der Warte des KKW Grohnde. Links die Kerntafel mit der Stellungsanzeige der Steuerstäbe.

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Energiewende
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Aschi sagt:

Die neu patentierten Dualflüssigsalzreaktoren können AKW-Abfälle verbrennen und Strom sowie Wasserstoff produzieren. Angeblich soll 1 kWh ca. 1 Cts kosten und Risiko sei kaum dabei. Vielleicht die Zukunft der Stromversorgung in 20-30 Jahren? Dafür muss kein AKW-Ausstieg beschlossen werden bis es so weit ist. Hoffentlich müssen dann nicht rostige AKW-Veteranen weiter betrieben werden um genügend Abfälle zu generieren. Wer heute noch für AKW der 3. Stufe wirbt, hat keine grosse Ahnung über die zu hohen Produktionskosten der AKW oder will politisch bewirken, dass die Steuerzahler noch kräftiger zur Kasse gebeten werden. Von den Risiken der AKW gar nicht zu sprechen. Statt dass der Strombezüger die Versicherungsprämien bezahlen muss, ist es wieder der Staat, die Steuerzahler welche das Kostenrisiko übernehmen müssen, wie es schon die risikofreudigen Grossbanken eingeübt haben. Die Politiker sind in solchen Angelegenheiten ihren Geldgebern ausgeliefert, nehme ich an.

Archophob sagt:

Nein, man muß bei “waste burner” Reaktoren nicht extra “Atommüll” nachproduzieren, um sie am laufen zu halten. Wenn genug überschüssige Neutronen da sind, um beliebige Transurane zu spalten, kann man statt “Atommüll” auch einfach Natururan oder Thorium nachfüttern (Thorium ist der strahlende Abfall, der bei der Neodym-Gewinnung für Windräder auf Halde landet. Da ist genug für 1000 Jahre da.)

Falls aus dem Natururan überschüssiges Plutonium oder aus dem Thorium überschüssiges U-233 erbrütet wird, kann das benutzt werden, um noch mehr Reaktoren in Betrieb zu nehmen. Irgendwann wird man auch spaltbares Material für die Raumfahrt benötigen.

Schnelle Reaktoren mit integrierter Aufbereitungsanlage, egal ob IFR oder DFR, können sowohl im Tandem mit altmodischen Druckwasserreaktoren, als auch stand-alone betrieben werden. die Verwertung von abgebrannten Brennstäben ist ein nice-to-have, keine notwendige Voraussetzung.

Archophob sagt:

Hallo Dr. Wendland,

ich habe gerade nebenan bei den “Salonkolumnisten” Ihren “Ökostrom”-Artikel gelesen. Leider gibt es dort keine Kommentarfunktion. Bitte nehmen Sie mir nicht übel, wenn ich mein Klugscheißen daher hierher verlege – Sie schreiben dort, von einem KKW aus, “Lange bevor in diesem Land irgendeine Windmühle in Betrieb war, haben wir schon Ökostrom in rauen Massen gemacht.” – ich muß darauf hinweisen, daß Windmühlen, in denen tatsächlich Getreide gemahlen wurde, in Deutschland schon lange vor der Entdeckung der Kernspaltung in Betrieb waren! Da Getreide monatelang lagerfähig ist, ließ sich das Problem der schwankenden Windstärken damals auch ganz gut abpuffern.

Was erst auf den (subventionierten) “Markt” kam, als dank der Kernkraft schon längst etwas besseres zur Verfügung stand, waren die “Großwindanlagen”, auch Growian, Reichskrafttürme, oder irreführenderweise Windkraftwerke / Windkraftanlagen genannt. Irreführend deshalb, weil der Begriff “Kraftwerk” im allgemeinen Sprachgebrauch mit der bedarfsgerechten Bereitstellung elektrischer Arbeit konnotiert ist, was eine Growian bekanntlich nicht leisten kann…

… ansonsten: super Artikel mal wieder! 🙂

Anna Veronika Wendland sagt:

Das ist den Gesetzmäßigkeiten der Kolumne geschuldet: ironische sprachliche Verkürzung ist hier im Gegensatz zu einem Hintergrund-Beitrag erlaubt.

Als Technikhistorikerin weiß ich natürlich, dass eine Windmühle zum Mahlen von Korn da war und technisch sowohl der GroWiAn als auch dem KKW vorgängig war. Obwohl die Wind (und Wasser-)Müller dann im 20. Jh. zunehmend noch kleine Generatoren für die Beleuchtung auf die Welle schalteten, so gesehen bei der Amrumer Windmühle. Vorfahren von mir hatten eine Wassermühle, weswegen ich natürlich Fan von Kleinwasserkraft bin.

Heute werden WKA politisch unkorrekt, aber umgangssprachlich verbreitet als „Windräder“ (Analogie zum Kinderspielzeug) oder „Windmühlen“ bezeichnet, wobei mit letzterem immerhin erfasst wird, dass es sich um eine Strömungsmaschine handelt, die zwecks Verrichtung einer Arbeit installiert wird)))

Achim Behrenwaldt sagt:

In Berlin wird zurzeit einer der sichersten und wirtschaftlichsten Reaktoren entwickelt:
http://www.dual-fluid-reaktor.de Er arbeitet mit Flüssigsalz – eine Kernschmelze kann es also gar nicht geben ! Er kann mit abgebrannten Brennstäber von LWR gefüttert werden und damit zugleich hochradiaktiven Müll “entschärfen” und uns unabhängiger von Gas-, Uran- und Ölimporten machen ! Er soll Strom für nur 1 Ct./KWh liefern und synth.Kraftstoffe, die emissionsfrei hergestellt werden, emissionsfrei verbrennen und so billig sind, dass man damit Benzin und Diesel ohne Subvention verdrängen kann ! Er hat nur leider einen gravierenden Nachteil: Er ist frühenstens in 10 Jahren lieferbar !

Archophob sagt:

Der DFR ist seit seiner Teilnahme am Greentec-Award vor 5 Jahren auf der Suche nach Investoren – in Deutschland findet sich so schnell niemand, der mal eben ein paar Millionen in einen Forschungs- und Demonstrationsreaktor stecken will. Insbesondere, wenn als Hauptverwendungszweck letztlich die doch die Stromerzeugung angedacht ist, was in Deutschland politisch nicht gewollt ist.

Der DFR könnte (zusammen mit einer stabilen Währung und einem verläßlichen Rechtssystem) den Wohlstand in Deutschland verhundertfachen, aber das ist politisch nicht gewollt. Politisch gewollt ist offensichtlich das Gegenteil: Zerstörung der Währung durch “Rettungspakete”, Zerstörung der Energieversorgung durch die “Energiewende” und Zerstörung der öffentlichen Sicherheit durch den Import von Gewalttätern. Das Ziel ist anscheinend, daß bei einem absehbaren Blackout dann Horden von frustrierten Messerstechern plündernd durch die Straßen ziehen…

Hartmut Bode sagt:

Hallo Frau Dr. Wendland,
als ich in den 70-iger Jahren ins Berufsleben einstieg, bauten deutsche Ingenieure zusammen mit internationalen Finanziers eine Brücke, die Asien mit Europa verzahnen sollte.
Heute sind deutsche Politiker mit deutschen Unternehmen nicht in der Lage einen Flugplatz in einer vorgegebenen Zeit zu erstellen.
Was ist nur aus den Forschungsstätten für Atomkraft und -nutzung, z. B. KFA Jülich, geworden.
Es ist nur ein kleiner Trost, dass der Beton, mit dem das “Grab Tschernobyl” versiegelt wurde, noch im Kernforschungszentrum Jülich entwickelt wurde.
Es ist schade, dass wir uns so langsam in einen Staat mit den meisten Technikmuseen verwandeln.

Ernst Lerche sagt:

in meiner Jugend in der DDR haben wir noch für die friedliche Anwendung der Atomkraft demonstriert.Man stelle sich das mal heute in diesem unserem Lande vor,da wären wir doch alle Nazis.Im kalten Winter 1978-79,als in der DDR die Braunkohlekraftwerke Probleme mit der Stromerzeugung bekamen,weil die stark wasserhaltige Braunkohle eingefroren war,hat das Kernkraftwerk bei Greifswald als einziges Kraftwerk die ganze Zeit seine volle Leistung geliefert.!Das ist mein Argument für die Kernkraft.!Es sei denn,die GRÜNEN und Herr Latif kriegen die Erderwärmung hin,was ihnen bisher nicht gelungen ist.

Archophob sagt:

Über den Winter 78/79 im KKW Greifwald hat Manfred Haferburg einen lesenswerten Erfahrungsbericht geschrieben:

https://www.achgut.com/artikel/blackout_in_deutschland_teil_2_der_tag_als_ich_die_mauer_beleuchtete

nun möchte ich noch ein Argument betonen, das die Interviewte Frau Dr . Wendland andeutete: Atomgegner führen gern geschädigte oder / und gestorbene Menschen auf. Mit deren Zahl argumentiert man gegen die NUtzung von Kernkraft. Das ist mindestens unwissend, oft aber auch perfide zynisch. Denn mit der heutigen Energie”gewinnung” (eigentlich Umformung) werden sehr viel mehr Menschen umgebracht und geschädigt. Die WHO veröffentlicht seit einiger Zeit, dass weltweit ca. 7.000.000 Menschen PRO JAHR durch die belastete Luft sterben. (In zwölf Jahren die Bevölkewrung Deutschlands einfach unter Leiden ausgelöscht).
Rechnet man sogar noch Hiroshima und Nagasaki dazu, so sind es bis heute – in 70 Jahren – noch nicht mal 2 Millionen. Selbst wenn man die düstersten Zahlen von Greenpeace & co. ansetzt.
Das kann man doch nicht vertreten ! Das schreit zum Himmel ! Ein schnöder Zynismus ohnegleichen, der mit HIlfe von Kernkraft radikal umgesteuert werden kann.
Mehr als alles andere spricht dies für Kernenergie. Man darf es nicht verschweigen.

Aschi sagt:

Das grössere Übel soll ein kleineres Übel rechtfertigen? Alle Übel müssen hinterfragt und reduziert werden. Die vielen Toten wegen dem Verkehr, Fehlernährung, Bewegungsmangel, Krieg usw. taugen auch nicht als Argument für die AKW der heutig verfügbaren Reaktoren

Archophob sagt:

Einen Tod stirbt jeder. Wenn nicht am Feinstaub, dann vielleicht am Unfallort weil kein Krankenwagen nah genug dran war. Mann kann versuchen, die verkehrsbedingten Todesfälle zu reduzieren, indem man in die Autos serienmäßig eine Abstandsautomatik einbaut. Oder man reduziert die Todesfälle durch Energiegewinnung, indem man alte Kohlekraftwerke und osteuropäische RBMK-Reaktoren durch moderne, Kernschmelze-tolerante KKW (ohne Wasser im Reaktorkern, dafür mit schnellen Neutronen) ersetzt.

Noch nie ist jemand durch einen bleigekühlten oder natriumgekühlten Reaktor um’s Leben gekommen.

Chris / Dipl.Ing. sagt:

Sensationell klar und stringent, Chapeau!!

Aschi sagt:

Risiko = Wahrscheinlichkeit x Auswirkungen.
Die Wahrscheinlichkeit einer Kernschmelze betrug bisher 1: 20 in 40 Jahren. Die Auswirkungen waren teilweise so gross, dass manches Land sie nicht selber beherrschen könnte. Alle Unfälle hätten durch das Bedienungspersonal verhindert werden können. Neue Reaktoren sind möglich neue Menschen für deren Bedienung nicht. Die D Atomaufsicht ist weltweit annerkannt. Wenn Greenpeace ähnliche Ansichten vertritt ist das ein Qualitätsmerkmal. Für AKWTurbos sind kritische Zivilgesellschaften Feinde, leider.

Rainer Klute sagt:

Dass Menschen Fehler machen, ist bekannt. Dass das Bedienpersonal von Kernreaktoren Fehler macht, ist ebenfalls bekannt, auch den Reaktorkonstrukteuren. Die berücksichtigen diese Tatsache bei der Auslegung der Anlage.

Nach einem BedienfehlerDaher geht der Reaktor daher nicht durch, sondern schlimmstenfalls aus. Das ist zwar ärgerlich, aber nicht gefährlich.

Erich Grantzau sagt:

Angesichts der naturwissenschaftichen Verblödung der BRD-Bevölkerung:
“Atome sind böse strahlende Monster”
“Atom aus – Natur an” (Wahlplakat der “Grünen” – Europawahl!)
Was wird aus der Natur, wenn die Atome aus sind?
Deshalb: “Atom aus – Natur aus – alles aus – Grün an!”
” Gene sind Dreck, der weg muß” …
Es gibt noch sehr viel zu tun!
Zunächst: Dank an Frau Wendland, Dank an den Spiegel, Dank an Nuklearia.

Gerhard Bleckmann sagt:

Dr. Veronika Wendland, für mich sind Sie eine Heilige. Nehmen Sie das nicht wörtlich, aber wer in Deutschland hat schon den Mut sich so wie Sie, für die Kernkraft einzusetzen. Sie machen das hier auch sehr geschickt, die provokativen Fragen des Herrn Gideon Böss sachlich zu beantworten. Ich bin stolz, mit Ihnen Mitglied in der NUCLEARIA zu sein.

Rainer Klute sagt:

Nuklearia (mit k)

Lutz Niemann sagt:

Ich bin froh, daß wir Frau Wendland haben: sie kennt sich aus, kann bestens formulieren und endlich nehmen auch Medien von Ihr und Nuklearia Notiz.

Ein Wort zu den vom SPIEGEL genannten “4000 möglichen Todesopfern…”. Das sind virtuelle Opfer, das heißt “die gibt’s nicht”. Die Opfer sind berechnet aufgrund der Zusatzdosis, die infolge der freigesetzten Radioaktivität nach der üblichen LNT-Formel berechnet wurden.
Wenn man diese Berechnung für die Zusatzdosis in Tschernobyl macht, dann sollte man das auch für die Zusatzdosis durch das fliegen machen, denn es ist auf unserer Breite in der normalen Flughöhe der Strahlenpegel 100-fach höher als am Boden. Das Ergebnis wären dann jedes Jahr 5000 Todesopfer durch Krebs infolge der Zusatzdosis beim fliegen. — Reisen im Flugzeug ist damit sehr viel gefährlicher als Kernkraft. Warum ist dann fliegen erlaubt???

Rainer Klute sagt:

Hier darf man noch ergänzen, dass die UNSCEAR die ursprüngliche Schätzung des Tschernobyl-Forums von 4.000 möglichen zusätzlichen Krebstoten nicht mehr vertritt. Für die allgemeine Bevölkerung in den betroffenen Gebieten kommt sie zu folgendem Schluss:

“Apart from the dramatic increase in thyroid cancer incidence among those exposed at a young age, and some indication of an increased leukaemia and cataract incidence among the workers, there is no clearly demonstrated increase in the incidence of solid cancers or leukaemia due to radiation in the exposed populations. Neither is there any proof of other non-malignant disorders that are related to ionizing radiation. However, there were widespread psychological reactions to the accident, which were due to fear of the radiation, not to the actual radiation doses.”

Was bleibt, sind schwerwiegende psychologischen Folgen. Die Angstmacher, die dafür verantwortlich sind, sollten endlich zur Rechenschaft gezogen werden!

Lutz Niemann sagt:

Genau so ist es, die Angstmacherei ist das Übel. Die Leute von UNSCEAR kennen sich aus, die 4000 berechneten zusätzlichen Krebstoten nach der LNT-Formel stammen aus der Tagung 20 Jahre nach Tschernobyl in Wien, und da war die WHO maßgeblich beteiligt (Eike Roth hatte dazu einen exzellenten Bericht geschrieben).
Wenn irgendwo die WHO als Quelle genannt wird, werde ich sehr skeptisch.
Von der Kollektivdosis wird doch in der Fachwelt eh inzwischen Abstand genommen, und das bedeutet doch den Abschied von der LNT-Formel — bei den Medien kommt das wohl nicht an.

einfach TOLL, glückwunsch, Frau Dr. Wendland !!

Thomas Karl sagt:

Aber beim Jahrestag gedachte man in einem Beitrag der Landeszentrale für politische Bildung den vielen tausend Toten in Fukushima wegen der Reaktorkatastrophe. Es gab nur einen. Alle anderen sind wegen des Erdbebens und des Tsunami gestorben. Auch ist nicht mit einem signifikanten Anstieg von Krebserkrankungen zu rechnen.
Ist das politische Bildung? Eher Zynismus.

Rainer Klute sagt:

Das ist schlicht und ergreifend die Realität, ob sie gefällt oder nicht.