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Ein Jahrestag der Überheblichkeit

Am 15. April feierten in Hamburg ein paar Schriftsteller den ersten Jahrestag des deutschen Atomausstiegs mit der Aktion »Lesen ohne Atomstrom«. Wirklich ein Grund zum Feiern? Die Nuklearia findet: nein. Denn Kernkraft hält die Lichter an, auch in Deutschland.

Einige Leute sind der Meinung, dass Deutschland, ein Jahr nach dem Abschalten der letzten Kernkraftwerke, ganz gut zurechtkommt. Betrachtet man die Fakten ganz nüchtern und in einem internationalen Rahmen, stellt man fest: Dank des Ausstiegs aus der Kernenergie ist der deutsche Verbrauch fossiler Brennstoffe zur Stromerzeugung nahezu ungebrochen. Mit dem Resultat, dass der deutsche Strommix nach wie vor zu den schmutzigsten Europas gehört. Denn trotz des Zuwachses an Anlagen für Windenergie und Photovoltaik braucht es einfach eine Energiequelle, die uns zuverlässig rund um die Uhr mit Strom versorgt. Ein Land, in dem immer die Sonne scheint und der Wind weht, gibt es leider nur in der Welt von Dichtern.

Lesen? Danke, Nachbarn, für den zuverlässigen Atomstrom!

Leseset für Kernkraftgegner

Ein Jahr Lesen ohne Atomstrom ging nicht ohne Stromimporte aus dem Ausland. Ab April 2023 wurde Deutschland nämlich zum Nettoimporteur: Die heimische Energieerzeugung war so teuer, dass es billiger war, den benötigten Strom von den Nachbarn zu kaufen. Die hohen Energiepreise trugen zu den ersten  Schließungen deutscher Unternehmenstandorte bei. Neben den Verlusten an Arbeitsplätzen wird die gesamte Bevölkerung durch die hohen Energiepreise belastet. Damit ergibt sich neben der Umweltverschmutzung auch eine soziale Belastung.

Fazit: Ein Jahr Lesen ohne Atomstrom fand eigentlich gar nicht statt. Denn während Europa unter Dunkelflauten leidet, haben wir aus Schweden via Dänemark neben Strom aus Wasserkraft auch Strom aus Kernenergie importiert. Auch Nutzer sogenannter Ökostromtarife leisten durch die Zahlung von Zertifikaten zwar eine finanzielle Abbitte, verbrauchen faktisch aber den gleichen Strommix wie alle anderen.

Unsere europäischen Nachbarn haben die Zeichen der Zeit längst erkannt: Nachdem zwölf der 27 EU-Staaten sowie sieben weitere Länder auf dem Kontinent mit über 100 Reaktoren die Kernenergie längst als festen Bestandteil einer CO₂-freien Stromerzeugung nutzen (immerhin 22 % des gesamten Stroms in der EU), planen Länder wie Polen mittlerweile ihre ersten eigenen Kernkraftwerke, wie auch auf dem Nuclear Energy Summit am 21. März 2024 in Brüssel deutlich gemacht wurde. Insgesamt gab es zu diesem Zeitpunkt bis zu 16 feste Planungen neuer Großreaktoren in Europa, von den vielen SMR-Absichten ganz zu schweigen.

Wir wollten die Hamburger Literaturfans aber keinesfalls im Dunklen lassen: Am Eingang zur Veranstaltung »Lesen ohne Atomstrom« verteilten wir Kerzen und Streichhölzer.

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