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Endlagerung? Transmutation! Ein Argumentationsleitfaden

Nächste Woche veranstaltet das Nationale Begleitgremium eine Podiumsdiskussion mit Publikumsbeteiligung: Alle Kernenergie-Freunde aus dem Großraum Berlin sollten sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen! Achtung: Wer teilnehmen möchte, muss sich auf der Homepage des Begleitgremiums anmelden.

Diskussionen mit Kernkraftgegnern, aber auch neutralen Personen, die bislang über das Thema nur gehört haben, was die Massenmedien dazu veröffentlichen, können knifflig sein: Man ist mit vielen Vorurteilen konfrontiert, zuweilen auch mit Aggressivität. Daher soll hier ein kleiner Leitfaden geboten werden, der bei der Veranstaltung hilfreich sein könnte.

Plutonium-Ring
Ein Plutoniumring. (Public Domain)

Der Anknüpfungspunkt kann zunächst darin bestehen, dass man mittels PuT (Partitionierung und Transmutation) bestrahlter Kernbrennstoffe ein zentrales Anliegen, dass immer wieder ins Zentrum der Endlagerdebatte gerückt wird, lösen möchte: Kommende Generation vom »nuklearen Erbe« entlasten! Die Frage ist hier nicht, ob man mit dieser Herangehensweise den kommenden Generationen, deren technologische Fähigkeiten unsere sicherlich weit übertreffen werden, unnötigerweise kindliche Schutzbedürftigkeit attestiert; vielmehr kommt es darauf an, eine gemeinsame Diskussionsgrundlage zu schaffen. Immer wieder wird die »Unverantwortlichkeit«, Plutonium zu erzeugen bzw. zukünftige Menschen damit »zu belasten«, ins Schlaglicht gerückt – also steigen wir hier ein, und erläutern, dass man Plutonium und andere Transurane keinesfalls endlagern muss, sondern sie durch PuT gänzlich zerstören und in kurzlebigere Spaltprodukte umwandeln kann. Wenn denn kommende Generationen tatsächlich unter der Anwesenheit künstlicher, radioaktiver Schwermetalle auf der Erde leiden sollten, dann ist die Eliminierung dieser Metalle moralisch geboten.

Daraufhin wird man sich eventuell mit folgenden Gegenargumenten beschäftigen müssen:

  1. PuT ist unmöglich/verbraucht Energie/eine ungetestete Technologie.
  2. Aufarbeitung und Inbetriebnahme neuer Kernreaktoren zur Stromerzeugung ist nach Atomgesetz (AtG) nicht gestattet.
  3. Die Bevölkerung ist dagegen.
  4. Die direkte Endlagerung ist bereits entschiedene Sache.

Zu 1: »PuT unmöglich/verbraucht Energie/ungetestet«

Dies ist der einfachste Fall, da es hier um wissenschaftlich beurteilbare Punkte geht. »Unmöglich« stimmt schlicht und ergreifend nicht: Jeder Kernreaktor beruht auf Transmutation (Wandlung von Elementen in andere). Dass dazu Energie aufgewandt werden müsse, ist ebenfalls falsch, da ja Transurane in mittelschwere Elemente gewandelt werden sollen – man bewegt sich also auf der Bindungsenergiekurve aufwärts, von weniger stark gebundenen zu stärker gebundenen Kernen hin, was Energiefreisetzung zur Folge hat.

»Leg den Bogen weg, der ist ungetestet!« (Gemälde von Viktor Vasnetsov, Public Domain)

Etwas problematischer ist die Aussage, dass die »Technik ungetestet« sei. Eine simple, aber ebenso zutreffende wie wirkungsvolle Antwort lautet, dass dies auf jede Technologie irgendwann einmal zutraf: Dampfmaschine, Verbrennungsmotor, Flugzeug, Computer, Internet – alle waren anfangs »ungetestet« und wurden durch praktische Erprobung bis zur Marktreife perfektioniert. Wenn wir uns nur auf bereits Erprobtes verlassen würden, hätten wir noch nicht einmal mit Feuer und Steinwerkzeugen anfangen dürfen…

Andererseits ist genauer zu betrachten, ob PuT denn wirklich so hypothetisch ist. Fakt ist, dass beim EBR-II-Experiment des Idaho National Laboratory bereits Kilogrammmengen an Kernbrennstoff mittels Elektrolyse in Aktinide und Spaltprodukte aufgetrennt wurden, der schnelle sowjetische Reaktor BN-350 nutzte ein ähnliches Verfahren. Das Molten Salt Reactor Experiment des Oak Ridge National Laboratory setzte zur Aufarbeitung der Brennstoffflüssigkeit einen Destillationsprozess ein, ähnlich dem, der beim Dual-Fluid-Reaktor genutzt werden soll. Großtechnisch werden derartige Trennverfahren schon seit langer Zeit in vielen verschiedenen nichtnuklearen Industriezweigen angewandt, z. B. Titangewinnung, Meerwasserentsalzung oder auch Spirituosenproduktion.

Möglicherweise taucht im Laufe der Diskussion die Behauptung auf, Plutoniumabbau im schnellen Reaktor sei unmöglich, diese könnten nämlich nur brüten! (Seltsamerweise existiert auch die entgegengesetzte Auffassung, nämlich dass Plutoniumbrut »nicht funktionieren« würde.) Kerntechnisch gesichert ist, dass je nach Konfiguration des Reaktors entweder Brut oder Abbrand (oder »break even«) erfolgt. Zur Brut bekommt der Reaktor einen Brutmantel mit fertilem Material (Uran 238 oder Thorium 232), soll »gebrannt« werden, ersetzt man ihn durch einen Neutronenreflektor. Der BN-800 arbeitet zur Zeit im Abbrandmodus.


Zu 2: Verbot durch AtG

Für Manche ist der Paragraphendschungel so eine Art Wunderland… (Illustration von John Tenniel, Public Domain)

Nun verlassen wir den wissenschaftlich-technischen Bereich und begeben uns in die Gefilde des Rechts. Tatsächlich steht im Atomgesetz: »Für die Errichtung und den Betrieb von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität und von Anlagen zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe werden keine Genehmigungen erteilt.« (§7 (1))

Die kurze Antwort lautet natürlich, dass Gesetze auf demokratischem Wege geändert werden können, wenn Bedarf und Willen dazu vorhanden sind (ausgenommen die Ewigkeitsparagraphen des Grundgesetzes).

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass das AtG nicht so restriktiv ist, wie es auf den ersten Blick scheint. »Aufarbeitung« ist ein recht eng umrissener Begriff: Er bezieht sich auf die Verarbeitung bestrahlter Brennelemente zu neuen Brennelementen. Auftrennung des Materials nach Stoffkomponenten, um die Endlagerung technisch zu vereinfachen, zählt nicht dazu, wie auch die 2013 erschienene Studie der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften zum Thema »Partitionierung und Transmutation« (deren technologische Abschnitte nicht immer dem aktuellen Stand der Kerntechnik entsprechen) bestätigt: »Die auf die Verbesserung der Endlagereigenschaften gerichtete Partitionierung ist keine Wiederaufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe« (Abschnitt 8.4.4.3, Absatz 8, S. 254). Eine Anlage wie MYRRHA in Belgien wäre auch in Deutschland genehmigungsfähig.

Erst wenn mithilfe der abgeschiedenen Stoffe gewerblich Elektrizität erzeugt werden soll, greift das AtG. Es verbietet notabene nur die kommerzielle Stromproduktion: Setzt man den Reaktor beispielsweise an reines Prozesswärmewerk ein, ohne Turbosatz, wäre sein Betrieb mit dem AtG durchaus vereinbar.


Zu 3: Keine Akzeptanz bei Bevölkerung

Die Bevölkerung kann nicht gegen eine Technologie sein, von der kaum jemand etwas weiß! Es sei bemerkt, dass der Entscheidungsfindungsprozess zur Endlagerung bislang eher intransparent und ohne Beteiligung der Öffentlichkeit ablief. Der Vorschlag, PuT einzusetzen, kommt aus der Bevölkerung und nicht »von oben«.


Zu 4: Direkte Endlagerung steht schon fest

Wenn bereits alles entschieden ist: Wozu dann ein Nationales Begleitgremium?! In Finnland hat man sich via Volksabstimmung auf einen Endlagerstandort geeinigt, dort ließe sich mit Recht davon sprechen, dass »alles entschieden« sei – in Deutschland dagegen dreht sich die Diskussion seit Jahren im Kreis. Die Option PuT wäre eine willkommene Möglichkeit, aus diesem Kreis auszubrechen.

Möge die Diskussion konstruktiver verlaufen!

9 Antworten

  1. Als ich jemandem vom DFR erzählt habe, meinte er, 300 Jahre Strahlung sei ihm auch noch zu viel. Was kann man dem nun entgegnen, außer: lieber 300 Jahre als mehrere Tausend Jahre?

    1. Die meisten Menschen schauen nur auf die Jahreszahlen, die in bei den Atomkraftgegnern sehr gern heruntergebetet werden. Mich würde aber vielmehr interessieren, wie hoch die Intensität und die tatsächliche gesundheitliche Belastung der Strahlung ist. Zu sagen „das strahlt ja immer noch 300 Jahre“ ist eine Aussage ohne jeden Inhalt. Auch eine Banane strahlt.

        1. Danke für den Link, sehr interessante Präsentation. Ich kannte den Inhalt auch bereits grob. Ich wollte mit meinem Hinweis meinen Vorschreiber zum Denken anregen, dass nicht die Jahreszahl ausschlaggebend ist, sondern die Intensität.
          Sie schreiben es ja in Ihrer Präsentation – die Menschen haben Angst, weil ihnen seit Jahrzehnten von der gefährlichen Strahlung erzählt wird. Dabei gilt eben auch hier der Grundsatz ‚Die Menge macht das Gift‘. Es sterben pro Jahr mehr Leute durch Ärztepfusch allein in Deutschland als durch Atomunfälle auf der ganzen Welt seit es Atomkraftwerke gibt. Aber das bekommt man in die Köpfe nicht rein.

          Btw. noch einen interessanten Vortrag zu dem Thema gefunden: https://www.ted.com/talks/michael_shellenberger_how_fear_of_nuclear_power_is_hurting_the_environment?language=de#t-824633

          1. (leider kann ich nicht bearbeiten)
            Aber das bekommt man in die Köpfe nicht rein – damit meinte ich, solange die Menschen nicht den Blickwinkel wechseln und eben immer nur bei dieser Halbwertzeit hängen bleiben. D.h. die Antwort, die man geben sollte ist eine, die den Blinkwinkel ändert. Und dazu ist der Link oben ganz sicher auch gut geeignet. Selbst für Kernkraft-Laien.

    2. Pyramiden, Leute.
      Bringt das Beispiel der Pyramiden.

      Die gibt es ja schon ewig, aber eigentlich sind das erst rund 4000 Jahre.
      Hätten die alten Pharaonen Atomkraft genutzt und den Müll in ihre Pyramiden gestellt, dann wäre der heute noch genauso tödlich wie damals.

      Hätten die alten Pharaonen aber einen DFR betrieben, und den Rest dann in ihre Pyramiden gestellt, dann wäre der Müll schon lange unschädlich.

  2. Nicht vergessen: Ich glaube am 6.12. wird nichts wichtiges passieren, sondern am 3.2.2018. Das steht auf der Seite der Veranstalter

  3. Bzgl. „In Finnland hat man sich via Volksabstimmung auf einen Endlagerstandort geeinigt“ dürfte Euch ein Fehler unterlaufen sein. Von einer solchen Volksabstimmung bzgl. des im Bau befindlichen Endlagers Onkalo/Olkiluoto in Eurajoki wissen die Finnen meines Vertrauen nichts. Oder habt Ihr eine Quelle (gerne auch auf Finnisch) hierzu..

    Allerdings ist man in Finnland bei dem Thema Endlagerung entspannter als in Deutschland.

    1. „Beside geological and environmental considerations, the opinions of local residents were also taken into account. In the end, in fact, Eurajoki and Loviisa were singled out for being the locations with the highest local support.“

      https://en.wikipedia.org/wiki/Onkalo_spent_nuclear_fuel_repository#History

      Ja, Sie haben prinzipiell recht, eine Volksabstimmung im strengen Sinn war es nicht; jedoch wurde, ganz im Geiste des Nationalen Begleitgremiums, die Bevölkerung in die Standortwahl einbezogen. 😉

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