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Klimaschützer demonstrierten gegen den Atomausstieg

Kernkraftbefürworter: Angriff der Bundesregierung auf den Klimaschutz abwehren

Es war die größte Graswurzel-Demonstration in Deutschland für die Kernenergie, die am letzten Sonntag (2019-12-29) am Kernkraftwerk Philippsburg stattfand. Die Polizei zählte 120 Teilnehmer – darunter drei Eisbären –, die im Anschluss an das »Abschaltfest« der Atomkraftgegner bei strahlendem Sonnenschein und Temperaturen um den Gefrierpunkt den Platz vor dem Werkstor übernahmen. Das Kraftwerk ging dennoch am Silvesterabend gegen 19 Uhr endgültig vom Netz.

Eisbären symbolisieren den Klimaschutz. Foto: Rainer Reelfs

Atomausstieg ist Angriff auf den Klimaschutz

Aufgerufen zur Klimademonstration hatten der Verein Nuklearia und die polnische Umweltorganisation FOTA4Climate. Beide setzen sich für die Kernenergie ein. Die Aktivisten kritisieren den Ausstieg aus der CO2-freien Kernenergie als Angriff auf den Klimaschutz und damit auf Gesundheit und Leben von Milliarden von Menschen.

Nuklearia und FOTA4Climate berufen sich bei ihrer Kritik unter anderem auf Aussagen des Weltklimarats. Weil Kernenergie CO2-arm ist, geht der IPCC in allen wesentlichen Szenarien, die die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen, von einer weltweiten Ausweitung der Kernenergie auf das Doppelte bis Sechsfache aus.

Klimademo am Kernkraftwerk Philippsburg am 2019-12-29 von Nuklearia und FOTA4Climate

»CO2-arme Kernkraftwerke durch CO2-arme erneuerbare Energien zu ersetzen, bringt für den Klimaschutz überhaupt nichts«, erläutert Simeon Preuß. »Mit dem Weiterbetrieb unserer letzten sieben Kernkraftwerke könnten wir bis Ende 2022 rund zwei Drittel unserer Braunkohle ersetzen, zusätzlich, einfach so! Stattdessen verschrotten wir virtuell zwei Drittel unserer Windräder, nämlich rund 20.000«, so die Rechnung des Physiklehrers. Kernenergie liefert rund um die Uhr CO2-armen Strom. Sonne und Wind können das nicht. Daher müssen CO2-intensive Kohle- und Gaskraftwerke einspringen, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht.

»How dare you!«

Die Abschaltung von Kernkraftwerken verschlechtert so die CO2-Bilanz. Allein die Stilllegung dieses einen Reaktors Philippsburg 2 sorgt so für mindestens 4,7 Millionen Tonnen mehr CO2-Ausstoß – ein Mehrfaches dessen, was ein Tempolimit einsparen könnte.

Der Atomausstieg konterkariert die CO2-Reduzierung, das zentrale Anliegen des Klimaschutzes. Das stößt bei den pro-nuklearen Klimaschützern auf völliges Unverständnis. »How dare you close a low-carbon energy source!«, fragt empört ein Transparent von FOTA4Climate. »Wie könnt ihr es nur wagen, eine CO2-arme Energiequelle stillzulegen!«

»How dare you!«, fragen die Aktivisten nach einer vernünftigen Begründung für die Stilllegung einer CO2-armen Energiequelle. Foto: Rainer Reelfs

KKW-Betreiber gegen Kernenergie

Auf Unterstützung von Kernkraft und Klimaschutz durch die Betreiberunternehmen der Kernkraftwerke dürfen Klimaschützer nicht hoffen. »Die Nutzung der Kernenergie hat sich erledigt«, ließen sie bereits im Juni verlauten. So stieß auch die Ankündigung einer Pro-Kernkraft-Demo beim Kernkraft-Betreiber EnBW auf keine Gegenliebe.

Reden auf YouTube verfügbar

Redner von Nuklearia und FOTA4Climate brachten ihren Protest und ihre Argumente gegen den Atomausstieg in mehreren Ansprachen zum Ausdruck.

Eigentlich war dafür auch eine YouTube-Übertragung vorgesehen, doch funktionierte der Livestream nicht zuverlässig. »Hier kamen verschiedene Probleme zusammen«, bedauert Nuklearia-Mitglied Daniel Spannbauer. »Das war unser erster Versuch, der leider gescheitert ist. Wir müssen sehen, wie wir das verbessern können, damit wir künftige Veranstaltungen zuverlässig streamen können.«

Die Reden stehen nun als Aufzeichnung auf YouTube zur Verfügung:

  • Nuklearia-Mitglied Simeon Preuß, der die Klimademo maßgeblich organisiert hatte, erläuterte, warum Deutschland allein mit Wind- und Solarenergie seine Klimaziele nicht erreichen kann. Preuß: »Frankreich ist dank Kernenergie schon seit 30 Jahren dort, wo Deutschland erst 2030 sein will.« Er bedauert, dass die Atomkraftgegner die Einladung der Nuklearia zu einer Podiumsdiskussion nicht angenommen haben: »Wir hätten mit ihnen gerne darüber gesprochen, wie man Kernreaktoren so sicher bauen kann, dass man ohne Bedenken eine unbeaufsichtigte, wildgewordene Horde Siebtklässler im Kontrollraum an den Knöpfen herumspielen lassen kann – ja, das ist möglich.«
  • Adam Błażowski, Mitgründer von FOTA4Climate, verlas einen Offenen Brief polnischer Wissenschaftler und Klimaschützer an die Bundesregierung. Die Unterzeichner fordern eine Aussetzung des Atomausstiegs, solange noch fossile Energieträger zum Einsatz kommen.
  • Dr. Anna Veronika Wendland, Vorstandsmitglied der Nuklearia und ehemalige militante Atomkraftgegnerin, erzählte ihre persönliche Geschichte. Durch ihr Studium in der Ukraine »vor den Toren von Tschernobyl«, durch Kontakte mit vom Reaktorunglück Betroffenen und durch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Kernkraft wandelte sich ihre Einstellung zur Kernenergie. Sie ist damit nicht allein: »Es gibt Grüne, die mir im privaten Gespräch und hinter vorgehaltener Hand sagen: ›Veronika, du hast ja Recht, aber wenn ich das laut sage, verliere ich mein Mandat‹«, so Dr. Wendland.
  • Dr. Björn Peters ist Nuklearia-Mitglied und Mitglied des Bundesvorstands des Deutschen Arbeitgeberverbands. Er erläutert, warum andere Länder die deutsche Energiewende nicht übernehmen. Saubere Energie müsse billiger sein als Kohle, um sich weltweit durchzusetzen. Dazu setzt Peters auf die neuen Reaktoren der Generationen 4 und 5. »Dann können wir auch wieder eine Energieform exportieren, dann sind wir auch wieder Vorreiter.«
  • Johannes Güntert, Nuklearia-Mitglied und Aufsichtsrat der Bürgerenergiegenossenschaft Südbaden eG, war noch bis 2018 Atomkraftgegner. Dann waren es Zahlen und Fakten, die ihn von der Kernenergie überzeugten. Heute favorisiert Güntert die Ökomoderne als neuen Denkansatz für eine nachhaltige Zukunft. Güntert: »Der Mensch muss sich von der Abhängigkeit von der Natur lösen, um sie zu bewahren. Wir brauchen genügend saubere Energie für einen geschlossenen Rohstoffkreislauf, dann wird ein Planet B überflüssig. Deswegen brauchen wir global künftig mehr Energie statt weniger.«
  • Nuklearia-Vorsitzender Rainer Klute forderte dazu auf, Chancen und Risiken der Kernenergie nüchtern abzuwägen: »Der Atomausstieg reduziert das Risiko eines Nuklearunfalls von fast null auf null. Aber wir erkaufen uns diese Risikoreduzierung mit einem hohen Preis.« Klimawandel und Stromausfälle könnten viel mehr Menschen das Leben kosten als Nuklearunfälle, so Klute.
  • Mathijs Beckers, Videoblogger aus den Niederlanden, klagt die Bundesregierung an, mit dem Atomausstieg den Tod von Menschen in Kauf zu nehmen. Statt des emissionsfreien Kernkraftwerks Philippsburg hätte Deutschland besser das Braunkohlekraftwerk Weisweiler stillgelegt, das CO2 und krankmachende Luftschadstoffe ausstößt. »Deutschland hat sich dazu entschieden, Menschen sterben zu lassen«, ist Beckers fassungslos.
Klimademo am Kernkraftwerk Philippsburg am 2019-12-29 von Nuklearia und FOTA4Climate

Gute Berichterstattung in den Medien

Trotz des traurigen Anlasses freut sich Nuklearia-Vorsitzender Rainer Klute über eine gute Berichterstattung in den Medien. »Die ARD hat in den Tagesthemen berichtet, das ZDF in »heute«, und in »SWR Aktuell« und Welt-TV waren wir ebenfalls vertreten. Die Zeitungen brachten eine dpa-Meldung, durch die viele Menschen erstmals erfuhren, dass es in Deutschland wieder organisierte Kernkraftbefürworter gibt.« Im Anschluss an die Demo gingen bei der Nuklearia gleich eine Reihe von Mitgliedsanträgen und Spenden ein.

Klimademo am Kernkraftwerk Philippsburg am 2019-12-29 von Nuklearia und FOTA4Climate

Die nächsten Abschaltungen

Nun laufen nur noch sechs Kernkraftwerke in Deutschland. Die nächsten drei Anlagen sollen Ende 2021 vom Netz gehen. Zeit genug für die Nuklearia, entsprechende Aktionen vorzubereiten. Ob es eine Großdemonstration an einem der Kernkraftwerke Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen geben wird oder kleinere Demonstrationen an allen dreien, ist noch offen. Die Zahl der Kernkraftbefürworter wächst jedenfalls, und das mache vieles möglich, ist Klute optimistisch. »Und wer weiß, vielleicht kehrt bei der Bundesregierung ja doch noch Vernunft ein, und die letzten Anlagen bleiben am Netz«, gibt er einer leisen Hoffnung Ausdruck. Eine wenn auch nicht repräsentative Online-Abstimmung der Süddeutschen Zeitung sieht er als Bestätigung: Weniger als ein Drittel befürworten die Abschaltung des Kernkraftwerks Philippsburg.

Zwei Drittel kritisieren die Abschaltung des Kernkraftwerks Philippsburg. Sie meinen: Wir brauchen Atomkraft! (Stand der Abstimmung: 2. Januar 2020, 8:14 Uhr). Grafik: Süddeutsche Zeitung

Titelfoto: Oliver Motz


Über die Nuklearia

Nuklearia

Der Nuklearia e.V. ist ein gemeinnütziger, industrie- und parteiunabhängiger Verein zur Förderung der Kernenergie. Wir sehen in der Kernenergie eine wesentliche Säule der Energieversorgung. Fortschrittliche Reaktoren arbeiten sicher, sauber und nachhaltig. Atommüll lässt sich in Schnellen Reaktoren als Brennstoff nutzen.

Anders als erneuerbare Energien steht Kernenergie jederzeit in ausreichender Menge zur Verfügung und verbraucht keine großen Landflächen. Im Unterschied zu Kohle oder Gas ist Kernenergie CO2-arm und vermeidet Luftverschmutzung.

Kenntnisse über Kernenergie sind in Deutschland rar geworden. Das wollen wir ändern.

Über FOTA4Climate

FOTA4Climate ist eine polnische Umweltorganisation, die sich für eine pragmatische Ökologie und einen evidenzbasierten Ansatz in der Politik einsetzt. FOTA4Climate setzt auf das Zusammenwirken von Mensch, Natur und Klima und sucht stets nach dem bestmöglichen wissenschaftlichen Ansatz für Problemlösungen.

Über die Nuklearia

Die Nuklearia ist ein gemeinnütziger, industrie- und parteiunabhängiger eingetragener Verein, der die Kernenergie als Chance begreift und darüber aufklären will. Wir sehen die Kernkraft als besten Weg, die Natur und das Klima zu schützen und gleichzeitig unseren Wohlstand zu erhalten. Denn Kernenergie ist emissionsarm, braucht sehr wenig Fläche und steht jederzeit zur Verfügung. Unser Ansatz ist wissenschafts- und faktenbasiert, unsere Vision humanistisch: erschwingliche und saubere Energie für alle.

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