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Chancen und Risiken der Kernenergie nüchtern abwägen
Chancen und Risiken der Kernenergie nüchtern abwägen
Veröffentlicht am 2019-10-15
Von Rainer Klute
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In der neuen Diskussion über die Kernenergie in Deutschland sollten wir Technik wieder faktenbasiert und emotionsfrei bewerten. Nur so lassen sich zweckmäßige und sinnvolle Entscheidungen treffen. – Nuklearia-Vorsitzender Rainer Klute mit einer Antwort auf die Reaktionen auf seinen Gastbeitrag in der ZEIT sowie auf die Gegenrede von Jochen Steinhilber, ebenfalls in der ZEIT.

In der ZEIT vom 2. Oktober 2019 erschien im Ressort Streit mein Gastbeitrag »Atomkraft, ja bitte! Wie bitte?«, in dem ich schnelle Reaktoren vorstellte. Diese Kernreaktoren

  • lösen das Endlagerproblem,
  • liefern Energie für viele Jahrtausende und
  • versorgen uns CO₂-frei und klimafreundlich mit Strom, Wärme und Kraftstoff.

Der Artikel stieß auf reges Interesse und lief ausgesprochen gut. War er zunächst nur für Digital-Abonnennten und Käufer der gedruckten Ausgabe erreichbar, hob die ZEIT zwei Tage die Bezahlschranke auf und bewarb den Artikel auf Twitter und Facebook. Das führte zu hohen Abrufzahlen und vielen Reaktionen.

Nerv getroffen: viele Reaktionen auf Pro-Atom-Artikel

Ein ausgesprochen vielfältiges Bild zeigten die Kommentare, die die Leser unter der Online-Fassung des Artikels, in Leserbriefen und in den sozialen Medien abgaben. Von begeisterter Zustimmung bis zu entschiedener Ablehnung war alles dabei. Leider blieben auch verbale Attacken auf meine Person nicht aus. Nun gut, die werte ich als indirekte Zustimmung, denn wer die Person angreift, zeigt damit ja nur, dass er keine Argumente in der Sache hat.

Wie ein roter Faden zieht sich durch die positiven Rückmeldungen die Überraschung darüber, dass wieder eine Diskussion über Kernenergie stattfindet, dass dieses Thema in Deutschland doch noch nicht »gegessen« ist. Zugleich befürchten diese Leser aber, dass sich trotz neuer Diskussion und Klimawandels wohl so schnell nichts ändern werde. Dazu sei Deutschland viel zu lange auf Anti-Atom-Kurs und Energiewende eingeschworen, die Mär von der »bösen Kernkraft« zu fest in Herzen und Hirne eingebrannt.

Auch Mitgliedsanträge für den Nuklearia e. V. kamen herein – vielen Dank! Wer das noch nachholen und ebenfalls Mitglied werden möchte, findet alle Informationen dazu auf der Website des Vereins.

Das Beantworten jedes einzelnen Leserbriefs musste ich bald aufgeben. Es waren einfach zu viele. Liebe Briefschreiber, liebe Kommentatoren, bitte versteht den hier vorliegenden Text als Antwort auf eure Beiträge!

Zugleich gehe ich mit dem vorliegenden Text auf den Artikel »Eine Idee fürs Endlager« von Jochen Steinhilber ein, den die ZEIT in ihrer Ausgabe vom 10. Oktober 2019 als Gegenrede zu meinem Beitrag brachte. Steinhilber leitet das Referat Globale Politik und Entwicklung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Viele seiner Argumente decken sich mit dem, was mir Kritiker geschrieben haben. Indem ich auf Steinhilbers Punkte eingehe, beantworte ich also zugleich die Einwände vieler Leser.

Berechtigte Hinweise und Einwände ernst nehmen

Zunächst aber eine grundsätzliche, allgemeine Antwort: Kernkraftbefürworter tun gut daran, auf die Stimmen der Mahner und Warner zu hören und sie nicht einfach in den Wind zu schlagen. Nuklear-Pessimisten sorgen dafür, dass die Technik-Euphoriker nicht über die Stränge schlagen. Das hohe Sicherheitsniveau deutscher Kernkraftwerke ist sicherlich auch auf berechtigte Hinweise von Atomkraftgegnern zurückzuführen.

Allerdings sind berechtigte Bedenken und Einwände noch lange kein Grund, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Vielmehr gilt es, Technik, Prozesse und Regularien zu verbessern, weiterzuentwickeln und Nachteile auszumerzen oder wenigstens auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Aus Fehlern lernen und die Dinge besser machen, so geht Fortschritt.

Voraussetzung für einen gelingenden Dialog sind aber Augenmaß, Sachlichkeit und ein wissenschaftliches Fundament. Legen wir diesen Maßstab an, ist nicht alles, was Atomkraftgegner sagen, tatsächlich berechtigt. Wenn Deutschland seinen Atomausstieg damit begründet, Kernenergie sei eine »Hochrisikotechnologie«, dann geht das schlichtweg an der Realität vorbei, siehe etwa die Studie von Markandaya und Wilkinson. Wer die Realität ignoriert, trifft falsche Entscheidungen.

Tote pro Terawattstunde nach Energiequelle. Quelle: Next Big Future

Von Abraham Lincoln stammt der Ausspruch, man könne zwar alle Menschen für einige Zeit und einige Menschen für alle Zeit zum Narren halten, aber nicht alle Menschen für alle Zeit. Deutschland hat sich lange genug von faktenferner Anti-Atom-Propaganda zum Narren halten lassen. Diese Zeit ist vorbei. Wir sollten wieder anfangen, die Dinge nüchtern zu bewerten. Bedenken ernstnehmen und Risiken abwägen – ja, selbstverständlich! Atomhysterie? Nein, danke!

Chancen und Risiken nüchtern abwägen

Gerade das sachliche, emotionsfreie Abwägen von Vorteilen, Nachteilen, Chancen und Risiken vermisse ich bei vielen Atomkraftgegnern. Man fokussiert sich ausschließlich auf tatsächliche oder vermeintliche Risiken der Kernenergie. Und hat man ein Risiko entdeckt, dient es sogleich als Killerargument gegen die Kernenergie, ganz egal, wie groß oder wie klein es ist.

Doch wie sieht es eigentlich auf der anderen Seite aus? Wie wird es sein, wenn wir keine Kernenergie mehr einsetzen? Kennt ihr das, dass sich Atomkraftgegner darüber Gedanken machen, welche Risiken durch den Verzicht auf Kernenergie entstehen? Ich auch nicht.

Bei diesen Risiken geht es nicht einmal um den leidigen Streit darüber, ob ausschließlich Kernenergie oder ausschließlich Erneuerbare zum Einsatz kommen sollten. Verschiedene Studien zeigen, dass eine CO₂-arme Stromerzeugung mit Erneuerbaren und einem Sockel aus Kernenergie Kosten und Risiko deutlich reduzieren, beispielsweise »The Role of Firm Low-Carbon Electricity Resources in Deep Decarbonization of Power Generation« (Sepulveda et al. 2018). Die Forderung nach 100 Prozent erneuerbaren Energien hingegen ist nur zu exorbitanten Kosten erfüllbar, wenn überhaupt.

Es gilt, sowohl die Risiken der Kernenergie als auch die Risiken der Alternativen zu betrachten. Wir sollten sämtliche Risiken gegeneinander abwägen – vorurteilsfrei, nüchtern, emotionslos und gegründet auf dem festen Fundament der Wissenschaft.

Ich hoffe, wir schaffen es in der neuen Diskussion um die Kernenergie, uns von überkommenen Vorurteilen zu lösen und die Nukleartechnik ganz sachlich so zu betrachten wie jede andere Technik auch, so wie zum Beispiel Güterverkehr, chemische Industrie oder Stahlherstellung. Nichts davon ist risikofrei, aber wir nutzen sie und nehmen die Risiken in Kauf, weil wir auf die Vorteile nicht verzichten wollen oder können.

Wer bis hierher gelesen hat, kann eigentlich aufhören. Denn das Wichtigste ist gesagt: Risiken einschätzen und nüchtern miteinander vergleichen, keine Technik diskriminieren. Die Option Kernenergie nicht ausschließen, Handlungsspielräume nicht einschränken. CO₂-Freiheit, Atommüll-Recycling und Brennstoffvorräte für Jahrtausende sind keine Dinge, die man leichthin abtun sollte.

Angesichts des Klimawandels sollten zumindest Klimabesorgte heute zu einer anderen Risikoabschätzung der Kernenergie als noch vor 40 Jahren kommen. Wenn sich vor dem Klimawandel fürchtet, aber Kernenergie als Mittel gegen den Klimawandel ableht, ist entweder inkonsequent oder er schätzt die Folgen des Klimawandels oder die Folgen der Kernenergie grob falsch ein.

Steinhilbers Liste

Kommen wir nun zu den Punkten, die Jochen Steinhilber in seinem Artikel gegen die Kernenergie vorbringt. Was ist davon zu halten?

Steinhilber kennt Entwicklungsstand nicht

Immerhin ist auch Steinhilber der Ansicht, dass Atommüll zu verbrennen und damit CO₂-arm Strom zu produzieren eine großartige Sache sei. Allerdings vermisst er Nachweise, dass sich die behaupteten Vorteile verwirklichen lassen. Dass Steinhilber solche Nachweise nicht kennt, bedeutet aber natürlich nicht, dass sie nicht existieren. Ich empfehle einen Blick erstens in die einschlägige Fachliteratur und zweitens auf die aktuellen Entwicklungen Schneller Reaktoren, speziell in Russland, wo man definitiv am weitesten ist. Ich hatte in meinem Text kurz auch auf einige weitere Reaktorentwicklungen hingewiesen, aber man kann ja schließlich nicht alles lesen, nicht nicht alle Nachweise kennen, nicht weiter nachforschen. Nun ja.

Starke Materialbelastung

Weiter sieht Steinhilber ein »Problem der starken Materialbelastung durch hohe Reaktivität«. Was er damit konkret meint, bleibt leider im Dunkeln. Ich weiß es nicht, und ob Steinhilber wirklich weiß, wovon er spricht, weiß ich auch nicht. Möglicherweise hilft auch in dieser Frage ein Blick nach Russland. Dort ist der Schnellreaktor BN-600 seit immerhin 39 Jahren in Betrieb, und vielleicht kann man dort etwas zum »Problem der starken Materialbelastung durch hohe Reaktivität« etwas sagen.

Was ist eigentlich Atommüll?

Jochen Steinhilber könnte einwenden, der BN-600 nutze ja gar keinen Atommüll, sondern lediglich das überall im Erdboden reichlich vorkommende und nur sehr schwach radioaktive Uran-238. Gut, einverstanden. Allerdings hält dies Atomkraftgegner (inklusive der Bundesregierung) keineswegs davon ab, Uran-238, das bei der Anreicherung anfällt, dennoch als Atommüll zu bezeichnen.

Neben dem BN-600 steht die 2014 in Betrieb gegangene BN-800-Anlage. Dieser Schnellreaktor verwertet nicht nur Uran-238, sondern auch Plutonium aus sowjetischen Atomsprengköpfen. Hier ist der Begriff Atommüll zweifellos berechtigt. Bei gebrauchten Brennelementen macht Plutonium den größten Teil der Transurane aus, der ihre Radiotoxizität dominiert. Auch die übrigen Transurane, die sogenannten minoren Aktinoide, lassen sich in Schnellen Reaktoren nutzen, brauchen dafür aber spezielle Brennstoffzusammensetzungen oder metallische Brennelemente.

Mit erhobenem Zeigefinger weist Steinhilber darauf hin, auch die »vermeintlichen Atommüllfresser« produzierten Abfall. Das ist aber nun wirklich keine neue Erkenntnis! Ich habe in meinem Beitrag beschrieben, um welche Art Abfälle es sich handelt: Es sind die Spaltprodukte, die lediglich eine Lagerzeit von wenigen Jahrhunderten erfordern statt Hunderttausende von Jahren. Was an einer Verkürzung der Lagerdauer um 99,9 Prozent schlecht sein soll, erschließt sich mir nicht.

Angeblich »teure und gefährliche« Kernenergie ist weder teuer noch gefährlich

Der nächste Punkt auf Steinhilbers Kritikliste ist die Wirtschaftlichkeit. Er beruft sich auf das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das in einem vielbeachteten Papier behauptet hatte, Kernkraftwerke seien rein betriebswirtschaftlich betrachtet ohnehin ein Verlustgeschäft. Doch einer wissenschaftlichen Prüfung halten diese Behauptungen nicht stand. Das zeigt eine Analyse, die kürzlich in der Fachzeitschrift atw – International Journal for Nuclear Power unter dem Titel »Das DIW-Papier über die „teure und gefährliche“ Kernenergie auf dem Prüfstand« erschienen ist. Weitere Informationen sowie Verweise zum DIW-Papier und zu seiner Widerlegung enthält eine Mitteilung des Nuklearia e. V.

Nein, Jochen Steinhilber, Kernenergiebefürworter bezweifeln die DIW-Studie nicht nur. Sie haben sie wissenschaftlich widerlegt.

Passive Sicherheit hält Reaktor stabil

Steinhilber bezweifelt die Versicherbarkeit neuer Kernkraftwerke. Die potenziell katastrophalen Schäden wären jeder Versicherungsgesellschaft zu hoch, meint er. Ich frage zurück: Wie soll es denn überhaupt zu einem Unfall mit solchen Schäden kommen?

Moderne Kernkraftwerke weisen ein hohes Maß an passiver Sicherheit auf. Das heißt: Selbst wenn der Strom ausfällt und die Kühlung versagt, wie dies in Fukushima der Fall war, bleibt die Anlage in einem sicheren Zustand. Reaktoren der Generation III+ Ausfall kommen mindestens 72 Stunden lang ohne Strom und ohne Personal aus (»Walk-Away-Safety«). In Fukushima hätte das locker gereicht, um die Stromversorgung wiederherzustellen.

Auch natriumgekühlte Schnellreaktoren lassen sich passiv sicher bauen. Das ist keine graue Theorie, sondern wurde 1986 am Experimental Breeder Reactor-II (EBR-II) in einer Serie von Versuchen konkret ausprobiert. Der Dokumentarfilm »Pandora’s Promise« enthält dazu sehenswerte 7:40 Minuten über den Integral Fast Reactor, die auch auf YouTube verfügbar sind.

Der Versatile Test Reactor (VTR), den die USA derzeit entwickeln, arbeitet auf dieser Basis.

Anders als der EBR-II arbeitet der russische BN-800 zwar nicht mit metallischen Brennelementen, sondern verwendet Uran-Plutonium-Mischoxid-Brennstoff (MOX) und ist nicht grundsätzlich vor einer Kernschmelze gefeit. Allerdings ist dies in der Auslegung der Anlage berücksichtigt. Eine Kernschmelze wäre beim BN-800 ein Auslegungsunfall. Die Folgen blieben auf die Anlage beschränkt und würde nicht zu den von Steinhilber unterstellten katastrophalen Schäden führen.

Keine absolute Sicherheit

Absolute Sicherheit bleibe im Zusammenhang mit Atomenergie eine Illusion, meint Steinhilber. Da hat er recht, denn absolute Sicherheit gibt es nirgendwo, auch nicht bei den Erneuerbaren.

Immerhin ist die Sicherheit der Kernenergie höher als die jeder anderen Energiequelle. Betrachtet man die Anzahl der Todesopfer pro Energiemenge, weist die Kernenergie die niedrigsten Werte auf.

Atomausstieg verhindert keinen Bombenbau

Steinhilber warnt vor der Herstellung waffenfähigen Plutoniums, wofür Schnelle Reaktoren genutzt werden könnte. Das ist in der Tat nicht völlig von der Hand zu weisen, denn während das Plutonium aus herkömmlichen Leichtwasserreaktoren sich nicht für Kernwaffen eignet, liefert ein Schnellreaktor relativ reines, waffenfähiges Plutonium-239. In meinem ZEIT-Beitrag hatte ich darauf bereits hingewiesen.

Das ist unbestreitbar ein Risiko. Doch ist dieses Risiko »immens«, wie Steinhilber unterstellt? Ist es derart gewaltig groß, dass es ein K.-o.-Kriterium für Schnelle Reaktoren darstellt? Das sehe ich nicht so.

Eine genaue Überwachung verringert das Risiko. Sie ist Aufgabe der Internationalen Atomenergie-Organisation (International Atomic Energy Agency, IAEA), die im Rahmen ihrer IAEA-Safeguards die Kernkraftwerke ihrer Mitgliedsstaaten überwacht. Dazu gehören Maßnahmen wie Vor-Ort-Inspektionen oder verplompte Kameras, die Livebilder aus den Nuklearanlagen in die IAEA-Zentrale nach Wien übermitteln. Sie sollen sicherstellen, dass kein spaltbares Material abhanden kommt.

Eine weitere Möglichkeit ist die Aufarbeitung der gebrauchten Brennelemente innerhalb des Kernkraftwerks, so dass kein Spaltmaterial durch die Gegend transportiert zu werden braucht. Das Advanced Recycling Center von GE Hitachi Nuclear ist nach diesem Prinzip aufgebaut: Eine zentrale Aufarbeitungsanlage verarbeitet das Material aus den sechs PRISM-Reaktoren des Kernkraftwerks, trennt die Spaltprodukte ab und stellt aus dem Rest frische Brennelemente her.

Advanced Recycling Center. Quelle: GE Hitachi Nuclear

Doch egal, wie gut wir unsere eigenen Reaktoren überwachen: Die Atomwaffenmächte werden so oder so waffenfähiges Material herstellen. Dazu verwenden sie spezielle militärische Reaktoren. Ob es keine oder viele zivile Schnellreaktoren gibt, ändert daran nichts. Und Staaten wie Nordkorea oder der Iran, die sich außerhalb der Weltordnung stellen, werden ohnehin tun und lassen, was sie wollen. Sie werden niemanden um Erlaubnis fragen, die Bombe bauen zu dürfen. Der deutsche Atomausstieg wird sie davon nicht abschrecken, ein Verzicht auf Schnellreaktoren auch nicht.

Die Energiewende nützt dem Klima nicht

Geld sollten wir nicht in die Entwicklung der Kernenergie stecken, warnt Steinhilber, weil dieses dann bei den erneuerbaren Energien fehlen würden. Da ist sie wieder, die irrige Vorstellung, der Klimawandel ließe sich durch erneuerbare Energien aus Sonne und Wind aufhalten.

Zwei Jahrzehnte lang hatten die Erneuerbaren ihre Chance. Gefördert wurden sie mit dreistelligen Milliardenbeträgen, für die wir eine ganze Flotte von Kernreaktoren hätten bauen können, auch die superteuren. Wir hätten aus der CO₂-intensiven Braunkohle aussteigen können!

Die erneuerbaren Energien haben ihre Chance nicht genutzt. Deutschlands CO₂-Emissionen sind immer noch sehr hoch. Eine grundlegende Änderung ist nicht abzusehen, denn die volatilen Erzeuger Sonne und Wind brauchen zuverlässige Backup-Kraftwerke für Zeiten, in denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.

Diese Backup-Kraftwerke könnten nuklear und CO₂-frei sein, aber das ist ja nicht gewünscht. Daher werden Reserevekraftwerke mit Kohle oder Gas befeuert und sind folglich CO₂-intensiv. Kein Wunder, dass unsere CO₂-Emissionen hoch sind! Der Vergleich der Emissionen zwischen Deutschland und dem Atomland Frankreich zeigt glasklar, wie sich der CO₂-Ausstoß senken lässt und wie nicht.

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CO₂-Emissionen 2016 in Deutschland (oben) und Frankreich (unten). Quelle: Environmental Progress

Wer es wirklich ernst ist mit einer klimafreundlichen Stromproduktion, der erhält die bestehenden Kernkraftwerke und baut neue, seien es Schnelle Reaktoren oder Leichtwasserreaktoren. Die Energiewende ist weder plausibel, noch sicher, noch bezahlbar.

Nuklear und dezentral in Bürgerhand

Eine dezentrale Versorgung mit Speichern und Produktion in Bürgerhand stellt sich Steinhilber vor, verrät aber nicht, woher die vielbeschworenen Speicher kommen sollen. Wer unbedingt eine dezentrale Versorgung will, kann diese auch mit Klein- und Mikroreaktoren erreichen, die ab Mitte der 2020er Jahre auf den Markt kommen werden, kostengünstig in der Fabrik gefertigt. Das geht natürlich auch in Bürgerhand, zum Beispiel mit einem Genossenschaftsmodell.

Ausnahmen, die die Regel bestätigen

Tschernobyl und Fukushima dürfen auch bei Steinhilber nicht fehlen. Er verkennt, dass die Unfälle nicht durch irgendeine prinzipielle Unbeherrschbarkeit der Kernenergie verursacht wurden, sondern in beiden Fällen durch grobe Fahrlässigkeit. Kernenergie ist sicher. Tschernobyl und Fukushima sind die Ausnahmen, die diese Regel bestätigen.

Ohne Schnelle Reaktoren keine Lösung für den Atommüll

Jochen Steinhilber möchte, so sein Fazit, die neue Debatte um die Kernenergie gern so schnell wie möglich beenden und ins Endlager abschieben. Aber auch den Atommüll wird er dorthin verfrachten müssen, denn eine Lösung hat er ja nicht – nicht ohne Schnelle Reaktoren.


Titelbild: Go-Steine. Quelle: Selket, Wikimedia-Commons

Dieser Beitrag erschien zuerst im Blog des Autors.


Rainer Klute

Rainer Klute ist Diplom-Informatiker, Nebenfach-Physiker und Vorsitzender des Nuklearia e. V. Seine Berufung zur Kernenergie erfuhr er 2011, als durch Erdbeben und Tsunami in Japan und das nachfolgende Reaktorunglück im Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi auch einer seiner Söhne betroffen war.

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