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Die Antientrope Internationale

„…we need a new global movement of nuclear support“, schreiben die australischen Wissenschaftler Barry Brook und Tom Wigley.


Damit das postfossile Zeitalter an den Start gehen kann, müssen die Menschen aller Länder diesen historischen Schritt unterstützen, ihn sogar aktiv einfordern. Wie ich schon in meiner Artikelserie zum Integrierten Brutreaktor schrieb, werden die Politiker erst dann grünes Licht für Kernenergiesysteme der nächsten Generation geben, wenn sie wissen, dass die Bevölkerung dies wünscht, und zwar so vehement wünscht, dass klar ist: Entweder die gewählten Volksvertreter lassen IFR bauen – oder aber her mit neuen Volksvertretern!

John Kerry hätte das Projekt wohl kaum so kurz vor dem erfolgreichen Abschluss – d.h. vor dem Bau eines kompletten Kraftwerks-Prototyps – gestoppt, wenn er davon ausgegangen wäre, dass unter den Wählern der Democrats (Linke, Akademiker) die Mehrheit es fortgeführt hätte wissen wollen.

Es ist instruktiv, hierzu das 12. Kapitel „Political Quicksand“ aus dem Buch „Precription for the Planet“ von Tom Blees zu lesen (Komplettes Buch als großes pdf – Download).

Eine Pro-Kernkraft-Bewegung muss gestartet werden. Klimawandel, Energieknappheit, Armut und drohende Ressourcenkonflikte dulden kein unnötiges Abwarten.

Wie könnte diese Bewegung beschaffen sein und in welcher Beziehung zur AG Nuklearia sollte sie stehen?

Um eine umschwungreiche, dauerhafte Bewegung zu starten, genügt es nicht, hier einen kleinen Wissenschaftlerzirkel ins Leben zu rufen, der bei Kaffee und Kuchen über Energiepolitik diskutiert, dort ein paar Flyer zu verteilen. Vielmehr gilt es, eine „Kernenergie-Kultur“ zu etablieren, das bedeutet: Einen gemeinsamen Raum von Ideen, Plänen, Ausdrucksformen, Geschichten, Memen und Konzepten erschaffen, in dem viele Menschen sich gemeinsam orientieren und organisieren.

Vor allem in Deutschland steht die Kernenergie-Kultur vor einer immensen Aufgabe. Die antinukleare Bewegung hat es geschafft, bei uns das Feld der Deutungshoheit nahezu komplett zu erobern.

Es mag eine fundamentale Grundeigenschaft der Menschen sein, dass sie zum einen sehr leicht in „wir-sie“-Denken verfallen, zum anderen sich schnell vor allem gruseln, was sie nicht sehen können oder nicht verstehen. Das mag evolutionsbiologische Ursachen haben: In der Urzeit waren fremde Horden potentielle Konkurrenten um Nahrungsquellen, und im dunklen, undurchdringlichen Wald lauerten gefährliche Raubtiere. Vorsicht und Mißtrauen waren daher angemessen! Aber natürlich tragen wir auch entgegengesetzte Antriebe in uns: Es konnte von beträchtlichem Vorteil sein, sich günstige Gene oder Meme anderer Horden in die eigene Population zu holen und so die Überlebenschance der Nachkommen zu erhöhen, und wer sich weiter in die Wildnis vorwagte als die Artgenossen machte eventuell wichtige Entdeckungen – zum Beispiel neue Nahrungsquellen oder Siedlungsplätze.

Augenblicklich gilt es, bei den zur Schreckhaftigkeit und Hysterie neigenden Deutschen wieder die voranschreitenden Antriebe zu erwecken: Neugierde und den Mut, Neues auszuprobieren anstatt sich ängstlich in der vertrauten Höhle (sprich: Reihenhaushälfte oder Wohnblock) zu verkriechen.

Die fortschrittlichen Kräfte in Deutschland – mit anderen Worten: der linke Politikflügel – sehen die Kernenergie als ein Konzept der Gegenseite, der Reaktion, an. Nun mag man es pittoresk finden, dass einem physikalischen Prinzip eine politische Richtung zugewiesen wird (schließlich gehören Naturkräfte keiner Partei an, es wäre mir neu, dass der Elektromagnetismus in der SPD und die Gravitation in der FDP Mitglied sei), oder man mag vermuten, dass es die Optik von Kernkraftwerken II. Generation ist – wuchtige graue Betonhügel – oder aber die wirtschaftliche Verquickung dieser Form der Energieerzeugung mit großen Konzernen; sei dem wie sei, linke Politik-Aktivisten in Deutschland mögen die Kernenergie überhaupt nicht, sie scheint ihnen ein typisches Produkt ihrer Widersacher zu sein.

Da sieht es im angelsächsischen Raum schon anders aus. Umweltschützer, Aktivisten, Wissenschaftler und Politiker, die eindeutig dem progressiven Flügel zuzurechnen sind – beispielsweise George Monbiot, Mark Lynas, Bryony Worthington, Tom Blees oder auch der bereits eingangs zitierte Barry Brook – haben Vorurteile gegen die Kernenergie kritisch hinterfragt und die Vorteile der Technologie erkannt.

Wie kann es der Kernenergie-Kultur glücken, diesen geistig-emotionalen Prozess nach Deutschland zu holen?

Es wird nicht gelingen, die Deutschen zu „überreden“, indem man ihnen staubtrocken die technischen Vorteile von Kernreaktoren IV. Generation herunterbetet oder endlose Diskussionen über Gefahren verschiedener Energiequellen anzettelt.

Vielmehr gilt es, denen, die sich mit „linken Zielen“ identifizieren, klarzumachen, dass die Kernenergie für diese Ziele ein wichtiges, höchstwahrscheinlich unverzichtbares Werkzeug ist!

Genau dies war es, was Tom Blees auf den Integrierten Brutreaktor brachte. Ursprünglich interessierte er sich für Entwicklungshilfeprojekte für Mittelamerika, wobei ihm besonders daran gelegen war, den ausgeprägten Mangel an sauberem Trinkwasser in diesen Regionen zu bekämpfen. Einfache Flussdichten-Rechnungen zeigen, dass solare Meerwasserentsalzungsanlagen unzureichend sind. Die Prozesswärme und konzentrierte Energie des IFR dagegen ist das Mittel der Wahl – sowohl zur Erzeugung von Trinkwasser aus Meerwasser wie auch zum Transport des Trinkwassers landeinwärts: Pumpstationen sind aufgrund der hohen Dichte von Wasser sehr energiehungrig.

Diese Überlegungen brachten Tom Blees dazu, sich für den IFR stark zu machen.

Ein ähnlicher Gedankenprozess sollte bei den Linken in Deutschland ausgelöst werden.

Linke wollen das Klima schützen. Dazu ist es notwendig, auf das Verbrennen von Fossilkraftstoffen zu verzichten. Da klassisch-erneuerbare Energiequellen aufgrund der geringen Flussdichten und Zuverlässigkeit (es sei daran erinnert, dass die Photovoltaik in Deutschland im Winter 2012/13 fast komplett ausfiel) nur ein ungenügender Ersatz sind, werden klimaneutrale Energiequellen mit hoher Flußdichte und Zuverlässigkeit benötigt.

Sie machen sich für Bekämpfung der Armut stark. Armut ist immer ein Mangel an Gütern (Nahrungsmittel, sauberes Wasser, Kleidung, Wohnraum…) und Dienstleistungen (Mobilität, Bildung, medizinische Versorgung…) und nicht etwa an Geld – denn Geld ist bekanntlich nicht essbar. Zur Erzeugung und Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen wird viel konzentrierte Energie benötigt. Eine Milliarde Menschen auf der Erde haben noch nicht einmal Elektrizität – es wird daher eine Stromerzeugung von mindestens mehreren hundert Gigawatt so schnell wie möglich benötigt, und zwar aus postfossilen Quellen.

Sie fordern dass die Menschheit sich zusammenraufen, zu einer planetaren Kultur heranreifen solle. Nationale und kulturelle Scheuklappen sollen der Vergangenheit angehören. Highend-Computer zur schnellen Kommunikation via Internet sind auf Elektrizität angewiesen, und Flugzeuge, die schnelle Fernreisen ermöglichen, gehören zu den energiehungrigsten Maschinen überhaupt. Fabriken für Synfuel oder Wasserstoff als postfossiler Kerosin-Nachfolger benötigen sehr viel konzentrierte Energie, die optimalerweise zusammen mit einem Prozesswärmefluß geliefert werden sollte.

Viele in der linken Szene sehen inzwischen die Automatisierung und Robotisierung der Produktionsprozesse als etwas Gutes an, und vertreten die Position, dass Maschinen den Menschen nicht etwa „Arbeitsplätze stehlen“, sondern sie von simpler, verdummender Arbeit befreien. Statt Vollbeschäftigung soll ein Bedingungsloses Grundeinkommen o. ä. eingeführt werden. Doch ein Roboter ohne Energiequelle steht still und befreit niemanden von der Produktionsarbeit! Durch die Einführung vieler Roboter und neuer Automatisierungsverfahren wird der Energiebedarf der Deutschen stark ansteigen, auch wenn Elektrifizierung bisheriger Verbrennungsantriebe und Energieeffizienz gewisse Einsparungen mit sich bringen.

Vor allem in der Piratenpartei existiert eine ausgeprägte Faszination für Raumfahrtprojekte und den Aufbruch der Zivilisation in den Kosmos. Doch mit anämischen chemischen oder solarelektrischen Antrieben ist Raumfahrt in größerem Umfang nicht möglich.

Es wird Energie-Autarkie und lokalisierte Versorgung angestrebt. Dies wird geläufigerweise als Argument gegen die Kernkraft vorgebracht, doch beruht jenes auf einem Trugschluss. Die hohen Flußdichten von Kernkraftwerken und die Möglichkeit, modulare Kleinreaktoren zur Versorgung von Industriebetrieben vor Ort zu installieren, machen Kernkraftwerke zu einer interessanten Option für Freunde dezentraler Versorgung. Erneuerbare dagegen erfordern, aufgrund niedriger Flußdichten und damit verbunden beträchtlicher Raumgreifung (es sei daran erinnert, dass die Dachflächen in Deutschland mit rund 13 Quadratmetern pro Person in nur untergeordnetem Maße zur Solarenergieversorgung beitragen können), riesige Installationen in großer Entfernung von Städten und Industrie – beispielsweise Offshore-Windparks oder Spiegelrinnenaggregate in Wüsten – wenn ein substantieller Beitrag zum Gesamtenergiebedarf von ihnen gedeckt werden soll: nicht etwa nur der heutige Strombedarf, sondern die gesamte Energie, die Deutschland benötigt, einschließlich der elektrochemischen Produktion von Treibstoffen für Flugzeuge. Soll die Elektrizität möglichst lokal bereitgestellt werden, sind modulare, in Serie produzierte Kernreaktoren das Mittel der Wahl. Und der Brennstoff Uran 238 sowie der Katalysator Plutonium für den geschlossenen Brutzyklus a la IFR brauchen keinesfalls importiert zu werden, sie stehen in Form von „Abfällen“ des bisherigen Einmal-durch-Brennstoffverbrauchs der Leichtwasserreaktoren in großem Umfang zur Verfügung. Zusätzlich können in der Zukunft so gut wie unbegrenzte Mengen aus allen möglichen natürlichen Substanzen extrahiert werden: Phosphate, Vulkanaschen, Tonschiefer, Meerwasser. Dank Nordseeküste hat Deutschland dann eine Energiequelle direkt vor der Haustür, die selbst in Jahrzehntausenden nicht zu erschöpfen ist.

Die Freiheit, die linke Bewegungen anstreben, ist ein geistiges Resultat des modernen, urbanen Lebens, der Großstadtkultur. „Stadtluft macht frei!“ wussten schon die mittelalterlichen Menschen, in der heutigen Welt gilt dies unverändert. Alle emanzipatorischen Philosophien und politischen Bemühungen gingen von den Großstädten aus und wurden in ihnen weiterentwickelt. Sozialismus und Sozialdemokratie entstanden in der Umgebung der Industrieanlagen, und daher der Großstädte. Die Studentenrevolte und die Hippiebewegung nahmen ihren Anfang im Dunstkreis von Universitäten bzw. Universitätsstädten. Wo verbuch(t)en die Piraten ihre größten Erfolge? Nicht auf dem Land…

In Großstädten sind alle menschlichen Aktivitäten, sowohl geistige wie materielle, laserartig fokussiert, das Leben erreicht seine größte Konzentration. Alle diese Aktivitäten, auch die rein intellektuellen, da geistige Arbeit heutzutage ohne Nutzung von Computern und Internet kaum noch vorstellbar ist, benötigen Energie, möglichst anti-entrope, das heißt hochverdichtete Energie. Die Großstädte der Menschen sind das System mit der geringsten Entropie (der komplexeste, geordnetste Zustand) auf der Erde. Ließe sich Berlin am Leben erhalten, indem sämtliche Dächer und Freiflächen mit klassisch-erneuerbaren Energiesystemen bedeckt werden? Einer Bevölkerungsdichte von rund 4000 Personen pro Quadratkilometer entspricht eine Fläche von 250 Quadratmeter pro Mensch. Lässt sich eine Flussdichte von 10 Watt pro Quadratmeter erreichen – dies ist sehr hypothetisch, die allermeisten EE-Systeme liegen deutlich darunter bei einstelligen Werten – stehen jedem 2500 W an Elektrizität zur Verfügung, was im postfossilen Zeitalter in etwa die Untergrenze darstellt, ab der eine Industriegesellschaft gerade noch möglich ist. Für moderne Industriewerke und dichte, schnelle Verkehrsnetze werden eher rund 3000 W pro Person benötigt. Wenn wichtige Zukunftstechnologien wie Robotik oder Plasmarecycling in großem Umfang betrieben werden sollen, sind mindestens 4000 W pro Person realistisch. Da weiterhin keinesfalls die gesamte Oberfläche von Berlin genutzt werden kann – irgendwo müssen Autos fahren, Menschen stehen und gehen können – und viele EE-Varianten wie zum Beispiel Windparks in oder im Umfeld von Großstädten nicht sinnvoll installiert werden können, da die Gebäude den Wind zu stark abbremsen (lediglich die Dächer von Wolkenkratzern könnten eventuell ein sinnvoller Aufstellort für WKA sein), lässt sich zweifelsfrei ableiten, dass eine lokalisierte Versorgung einer modernen Großstadt aus klassischen Erneuerbaren nicht realisierbar ist. Paris hat übrigens sogar eine Bevölkerungsdichte von 21.000 Personen pro Quadratkilometer, und zieht zumindest seine Elektrizität schon heute aus postfossilen Quellen, nämlich aus Leichtwasserreaktoren.

Die urbane Kultur, der die progressiven Strömungen ihre Existenz verdanken, beruht auf konzentrierter, antientroper Energie. Es liegt auf der Hand, welche Quellen hierfür im postfossilen Zeitalter in Frage kommen.

Dies alles zeigt, dass die politische Linke – oder, was vielleicht treffender ist: die progressive, moderne Kultur – auf Nutzung der Kernenergie in Zukunft angewiesen sein wird, und die Zukunft beginnt jetzt in diesem Augenblick, denn wie schon gesagt, Klimawandel, Energieknappheit, Armut dulden kein Zögern. Hier gilt es für die Kernenergie-Kultur anzusetzen. Nicht nur mittels wissenschaftlicher Arbeiten und Erörterungen, sondern auch durch Erschaffung von Kultur im wahrsten Sinne des Wortes: Geschichten, Filme, Theaterstücke, Webcomics, Bilder, Musik… Der Regisseur Robert Stone hat hier mit seinem Film „Pandora’s Promise“ einen exzellenten Anfang gemacht! Zur Zeit überlege ich, ob und wie es gelingen könnte, das Cafe Wagner in Jena dazu zu bringen, „Pandora’s Promise“ ins Programm zu nehmen.

Und die Kernenergie-Kultur sollte sich nach meinen Überlegungen auch keinesfalls nur eisern auf dieses eine Thema festlegen: Vielmehr sollten auch andere Projekte, die für die Zukunft der Menschheit wichtig sind, Teil der Kultur sein – beispielsweise Raumfahrt, Robotik, Plasmarecycling, neue Fertigungsverfahren wie 3D-Printing, postfossil angetriebene Verkehrsmittel und auch klassische Erneuerbare, denn obwohl diese für eine weltweite Versorgung nicht ausreichen sind sie dennoch ein äußerst nützlicher, wichtiger Zusatz.

Wie sollte sich die Kultur also nennen, wenn „Kernenergie-Kultur“ zu einschränkend ist? Anti-entrope Kultur wäre eine Idee, ich bevorzuge jedoch einen Namen, der griffiger ist und an schon bestehende Organisationen anklingt, nämlich: Antientrope Internationale (AEI)!

Die anti-entrope Internationale soll und kann keine straff durchorganisierte politische Bewegung sein, sondern eben eine Kultur, ein Raum von Ideen, Konzepten, Ausdrucksformen, zu dem jeder Mensch frei beitragen kann. Der erste Schritt zur Etablierung der AEI in Deutschland könnte nach meinen Vorstellungen die Veranstaltung eines Kreativwettbewerbs sein, an dem sich jeder beteiligen kann. Gesucht wird das beste Gemälde, die beste Story oder Reportage, das beste Theaterstück oder Video, das einen Bezug zu anti-entropen Konzepten wie Kernenergie oder Raumfahrt hat. Der Wettbewerb ließe sich über eine Webseite organisieren, die zugleich der Online-Treffpunkt der AEI im deutschsprachigen Raum wird, mit Wiki, Forum, Blogs etc.

Ferner wäre es wichtig, dass die AEI sich nicht nur im Internet tummelt, sondern auch im RL in Erscheinung tritt. Eine IFR-Demo in Berlin wäre eine sehr gute Aktion, mit Musik und Party im Anschluss. Eine AEI-on-Tour-Reise durch Deutschland erschiene mir ebenfalls interessant: Hierbei fahren mehrere antientrope Aktivisten mit einem Bus, einem Kleinlaster o. ä. von Stadt zu Stadt und präsentieren ihre Konzepte in Form von Schautafeln, Bildern, Liedern, Straßentheater usw.

Es gibt unzählige Möglichkeiten für Aktionen, Veranstaltungen und Projekte. Wenn viele AEI-Aktivisten ihre Kreativität kombinieren, werden zweifellos ganz neuartige, originelle Konzepte entstehen. Eventuell könnte die BGE-Bewegung hier zum Vorbild dienen, denn sie hat es geschafft, in relativ kurzer Zeit ein ursprünglich kaum bekanntes, nicht sehr populäres Konzept (eben das Grundeinkommen) allgemein bekannt zu machen und in die Diskussion zu bringen. Später, wenn antientrope Konzepte eine größere Resonanz gefunden haben, könnten die BGE’ler zu Mitstreitern der AEI’ler werden, da es ja zwischen den beiden Bereichen durchaus wichtige Überschneidungen gibt.

Welche politische Partei sich in Deutschland für antientrope Konzepte einsetzen wird – Piraten, Linke, Grüne, FDP, SPD… – das ist primär egal: Denn schließlich kommt es (fast) nicht darauf an, wer sich für ein bestimmtes Ziel stark macht, sofern es ein gutes Ziel ist. Dennoch, oder eher gerade deswegen, macht die AEI parteispezifische Arbeitsgruppen wie die AG Nuklearia keinesfalls überflüssig. Es ist wichtig, dass sich auch Leute in bestimmten politischen Kontexten für Kernenergie und verwandte Themengebiete einsetzen, denn einerseits lässt sich so anschaulich zeigen, wie intim die Ziele der progressiven politischen Gruppierungen mit antientropen Technologien verknüpft sind, andererseits sind Parteiarbeitsgruppen dazu gut geeignet, Konzepte bekannt zu machen und in die politische Diskussion zu bringen.

Die AG Nuklearia ist nicht in Konkurrenz zur AEI zu sehen, sondern als Teil von ihr, als eine von unzählig vielen Möglichkeiten, antientropes Denken zu fördern und zu verbreiten.

„Das hört sich alles sehr gut an – aber ich würde mich nicht trauen, mich für solche Ziele öffentlich einzusetzen. Die Antikernkraftbewegung ist in Deutschland übermächtig. Ich möchte mich nicht unnötig RL-Shitstorms aussetzen.“

Im römischen Senat wurde einst vorgeschlagen, es solle für alle Sklaven eine einheitliche Uniform geschaffen werden, um sie so zweifelsfrei kenntlich zu machen. Der Vorschlag wurde verworfen, nachdem ein Senator darauf hinwies, dass die Sklaven nach Einführung der Uniform sofort bemerken würden, wie zahlreich sie seien, und sich daraufhin auflehnen würden.

Wenn sich alle progressiv denkenden Antientropisten Deutschlands zusammentun und aus dem Dunkel heraustreten, werden sie ebenfalls merken, wie zahlreich sie eigentlich sind. Die meisten Mitarbeiter des THTR-Projektes und die Wissenschaftler und Techniker aus der früher sehr erfolgreichen deutschen Brüterforschung leben heute noch, halten jedoch die Füße still und die Köpfe eingezogen. Wenn diese Leute alle plötzlich sichtbar werden, werden sie und der Rest Deutschlands bemerken, wie zahlreich sie sind. Dazu kommt die junge Generation, die allmählich anfängt, sich von ökologistischen Vorstellungen, die in den Achtzigern und Neunzigern unter anderem von den Grünen etabliert wurden, zu distanzieren. Ganz langsam kehrt nämlich antientropes Denken zurück. Es muss jedoch anfangen, sich öffentlich zu zeigen.

Andrea in Bert Brechts Theaterstück „Leben des Galilei“: „So viel ist gewonnen, wenn nur einer aufsteht und Nein sagt!“ Galilei hat jedoch klein bei gegeben, sich der Diktatur der etablierten Meinung gebeugt, im Theaterstück wie in der historischen Realität. Heutzutage können wir uns den Luxus der Nachgiebigkeit nicht mehr leisten: Klimawandel, Armut in Afrika, drohende Wasserkriege klopfen ans Tor…

Mir scheint zuweilen, die Deutschen haben zur Zeit insgeheim Sehnsucht nach Optimismus. Sie ahnen halbbewußt, dass das vollmundige „Energiewende“-Getön Werbung für einen Schildbürgerstreich ist, und würden sich gerne Projekten zuwenden, mit denen sie und die gesamte Menschheit sich weiterentwickeln, ihre Lebenssituation entschieden verbessern können. Jedoch sind sie noch zu ängstlich, zu besessen vom irrealen Nullrisikowahn, um die benötigten antientropen Technologien zu unterstützen, bzw. viele von ihnen haben von solchen Technologien – insbesondere modernen Kernkraftkonzepten – noch überhaupt nichts gehört. Die AEI hat viel Arbeit vor sich, doch vermute ich, dass diese Arbeit mehr Frucht bringen wird, als jetzt die meisten vermuten würden: Menschen, weder in Deutschland noch anderswo, wollen sich nicht zurück entwickeln, nicht auf Sparflamme vor sich hin vegetieren. Sie wollen leben!

Die vermutlich evolutionsbiologisch verankerte Neigung der Menschen, sich in „wir-sie“-Schubladen aufzuspalten und das, was von außen kommt, bekämpfen zu wollen, ließe sich, vermute ich, in einen positiven Antrieb umpolen: Denn wenn erst die gesamte Menschheit auf der Erde sich als „wir“ auffasst, und „sie/die anderen“ die Naturkräfte und die Entropie sind, dann können die Menschen vereint daran gehen, sich den Herausforderungen des Universums zu stellen, die Naturkräfte zu zähmen (wodurch es erst überhaupt möglich wird, effizienten Klima-, Umwelt- und Artenschutz zu betreiben!), allen Menschen ein Dasein in Wohlstand zu ermöglichen und die Entropie für die nächsten Jahrmilliarden in Bereiche zu verdrängen, in denen sie keinen Schaden anrichten kann – in den interstellaren Raum. Mit diesen Zielen sollten sich Linke, die sich auf die philosophischen Wurzeln ihrer Bewegung besinnen, nach kurzer Denkpause anfreunden können!

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