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…als die Menschen sich noch vor der Kernkraft fürchteten…

„Nun ja… ihr habt in der Piratenpartei eine Pro-Atom-Gruppe gegründet… da drängt sich für mich jetzt die Frage auf…“ „Wie das zusammengehört?“ „Ja, genau!“

Dieses Gespräch ereignete sich letzte Woche im Nuklearia-Mumble (meist Donnerstag 21:30).

Die Reaktionen auf die Nuklearia waren von Anfang an außerordentlich vielfältig, folgten im Ganzen jedoch folgender zeitlicher Entwicklung: Ursprünglich hielten sehr viele sie für einen Scherz. Dann, als klar wurde dass dies nicht der Fall ist, folgte Empörung, auf Twitter shitstormte es mächtig, eine LQFB-Initiave gegen die Nuklearia wurde gestartet, und manche erwarteten, die komische neue AG werde aufgrund des massiven Widerstandes rasch wieder verschwinden. Im Gegenteil: Die AG vergrößerte sich allmählich. Denn während der Empörungssturm in eine verstimmte Flaute des Kopfschüttelns überging, trafen wir immer öfter auf Reaktionen aus dem Spektrum von vorsichtigem Interesse bis hin zur positiv überraschten Zustimmung. Es kam sogar schon speziell wegen uns zu einem Eintritt in die Piratenpartei.

Dennoch ist die Frage, wie „Kernkraft“ und „Piratenpartei“ zusammenpassen, berechtigt.

Die Mehrheit der Piraten ist zweifellos gegen die Kernenergie.

Aber halt… gegen welche Art von Kernenergie eigentlich?!

Die Kernfusion erfreut sich einer nicht zu unterschätzenden Beliebtheit bei den Piraten. Es ist also nicht die Kernenergie an sich, die sie stört, sondern bestimmte Aspekte davon. Die meisten nennen:

  • Gefahr der Kernschmelze.
  • Langlebiger Atommüll.
  • Umweltprobleme und Gefahren für Menschen beim Uranabbau.
  • Risiko der Kernwaffenproliferation.

(Das letzte Argument ist in Deustchland übrigens relativ selten!)

Die Fusion wirft, obwohl sie auch eine Form der Kernenergie ist, diese Probleme nicht auf. Überraschend für viele ist dagegen die Information, dass moderne Formen der Kernspaltung – die, im Gegensatz zur Fusion, fertig erforscht und einsatzbereit sind – ebenfalls die vier genannten Kinderkrankheiten der Kernenergie überwunden haben: „Was, langlebigen Atommüll kann man recyceln und zerstören! Das wusste ich nicht!“

Mit wenigen Ausnahmen verzichten die traditionellen Medien – Zeitungen, Zeitschriften, TV – in Deutschland leider darauf, irgendwelche Beiträge über moderne Kerntechnik zu bringen. Integral Fast Reactor? Flüssigsalzreaktor? Beschleunigergetriebenes Kernenergiesystem? Diese Themen sucht man im „Spiegel“ vergeblich. Man muss schon das Internet nutzen, um Informationen zu diesem Bereich zu finden: Und hier kommt das Konzept der Piraten ins Spiel.

Ich persönlich sehe die Piraten weniger als eine Partei im üblichen Sinne an, mit festem Programm, fester politischer Richtung, festem Weltbild – sondern als eine Art Substrat für eine neuartige Form der politischen Organisation und Diskussion, oder, um eine computertechnische Metapher zu gebrauchen, ein neues Betriebssystem für die Politik. Welche Programme man auf einem Betriebssystem laufen lässt, ist erstmal offen – wobei natürlich bestimmte Systeme für gewisse Anwendungsarten geeigneter sind als andere – das OS gibt vielmehr Bibliotheken von Grundfunktionen vor, auf die die Programme zugreifen. Das ist genau, was das Piraten-Konzept für die Politik leistet: Es gibt ihr allerlei nützliche und machtvolle Werkzeuge in die Hand, die es den politisch aktiven Menschen erlauben, ihre Tätigkeiten auf neuartige Weise zu organisieren und gestalten. Die Möglichkeit, in Echtzeit unter Nutzung sämtlicher Kommunikationsformen – Bild, Ton, Film, Schrift… – mit allen Menschen auf dem Planeten, die Zugang zu einem Computer oder auch nur einem modernen Mobiltelefon haben, in Verbindung zu treten, machen das Internet zu einem revolutionären Konzept, der Eisenbahn, der Raumfahrt oder eben auch der Kernenergie vergleichbar.

Die Grundidee hinter den Piraten ist Kommunikation, Information und Wissenserwerb.

Dieses Konzept kann zunächst einmal von allen politischen Richtungen genutzt werden. Das heißt aber nicht, dass jede Meinung gut zu den Piraten passen würde: Ideen, die das Grundkonzept untergraben würden – insbesondere Bestrebungen, Kommunikation zu unterbinden oder stärker zu kontrollieren als unbedingt nötig – sollten sich eine andere Plattform suchen.

Bei genauerer Betrachtung passt die Nuklearia sogar sehr gut ins Konzept der Piraten.

Die Piraten repräsentieren unter anderem auch ein erstes, zaghaftes Umschwenken der jüngeren Menschen nach der Technik- und Fortschrittsfeindlichkeit der Grünen und ähnlicher Gruppierungen in den 1980ern und 90ern. Zu dieser Zeit wurden Computer von sehr vielen als unheimliche Maschinen betrachtet. In manchen Betrieben wurden Prozesse gegen ihre Einführung am Arbeitsplatz geführt. Roboter galten mindestens als Jobkiller, schlimmstenfalls als potentielle Vertilger der Menschheit im Stil der „Terminator“-Filme. Nur einige eremitische Nerds schlossen die fremdartigen Maschinen ins Herz, tippten im Halbdämmer ihres spätnächtlichen Jugendzimmers auf die Tastaturen ihrer Commodore- oder ATARI ST-Computer ein.

Drehen wir die Zeit zwei Jahrzehnte vorwärts. Die Nerds haben ihren Aktionsradius über das schummrige Jugendzimmer hinaus ausgeweitet. Sie wollen die Welt verändern. Sie haben sich organisiert, vor allem in der Piratenpartei! Und sie kommen zur rechten Zeit. Denn die Menschen haben ihre Berührungsängste verloren. Computer sind so verbreitet wie früher Telefonapparate, genauer gesagt sind die beiden Technologien zum Smartphone verschmolzen. Twitter, Wikis, Blogs, Youtube: Solche Einrichtungen machen das Internet selbst den technikskeptischsten Zeitgenossen schmackhaft. So ist es nicht verblüffend, dass eine neue progressive Kraft auf die politische Bühne tritt, die den technischen Fortschritt als positive, befreiende Entwicklung ansieht. Jobverlust durch Roboter? Das Grundeinkommen macht jeden Bürger zum Freiberufler. Neue Medien lassen die Menschen unkreativ und unkonzentriert werden? Keinesfalls – sie erlauben eine größere Fülle an Ausdrucksformen als je zuvor in der Geschichte zur Verfügung stand.

Technischer Fortschritt ist selbstverständlich nur auf Basis hoher Energieflüsse möglich. Man kann sich mit Recht und Fug Alvin Weinberg anschließen und Energie als „ultimativen Rohstoff“ ansehen: Sie ist nötig, damit alle anderen Prozesse, die einer technischen Zivilisation zugrundeliegen, ablaufen können – Rohstoffgewinnung und -verarbeitung, Produktion, Transport, Berechnungen, Kommunikation. Energie ist das Herzblut unserer Welt und unserer Zukunft.

Eine Gruppe, die sich für Kernenergie der 4. Generation stark macht, und sich im Internet organisiert, kann als herausragendes Beispiel des Piraten-Kerngedankens angesehen werden: Frei fließende Informationen statt des von den alten Medien aufgewirbelten Nebels, in dem die Deutschen sich verirrt haben, so dass sie die offensichtliche Lösung für die Probleme Energieknappheit, Klimawandel, Atommüll und Kernschmelze-Risiko nicht finden.

Vielleicht werden IFR, LFTR (Flüssigsalzreaktor) oder ähnliche Systeme in 20 Jahren von der breiten Mehrheit der Bevölkerung ebenso angenommen worden sein, wie es im Laufe der vergangenen 20 Jahre mit den Computern geschehen ist.

„Sag mal, haben sich als du jung warst die Leute wirklich vor Kernreaktoren gefürchtet?“

„Ja, das stimmt! Achja, die Zweitausender, Zweitausendzehner… das war eine merkwürdige Zeit damals!“

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