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Stellungnahme des Nuklearia e. V. zum Nutzen der Kernenergie für Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit

Am 9. August 2021 veröffentlichte der Weltklimarat (IPCC) den ersten Band »Naturwissenschaftliche Grundlagen« seines sechsten Sachstandsberichts zum Klimawandel (AR6). Wir haben unsere bisherige Klimaposition im Licht dieser Erkenntnisse überprüft und überarbeitet. Außerdem haben wir den Nutzen der Kernenergie für eine nachhaltige Entwicklung aufgenommen. Das Ergebnis legen wir hier vor.

Inhalt

1. Follow the Science – diesem Grundsatz sind wir verpflichtet

Wir sind dem Stand der Wissenschaft verpflichtet. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel werden vom Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC), zusammengefasst. »Follow the Science« gilt für uns immer – nicht nur dann, wenn Ergebnisse politisch opportun erscheinen.

Danach ist unzweifelhaft, dass menschlicher Einfluss die Atmosphäre, die Weltmeere und die Landflächen erwärmt. Die Klimaerwärmung birgt global Risiken für Fauna und Flora, für Leben und Gesundheit von Menschen, für die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln, für Armutsbekämpfung, Chancengleichheit und Umweltschutz.1

Die Staatengemeinschaft hat deshalb im Pariser Klimaabkommen von 2015 vereinbart, die Erwärmung in diesem Jahrhundert auf deutlich unter 2 °C, möglichst auf 1,5 °C, zu begrenzen. Gemäß IPCC ist dafür eine schnelle und tiefgreifende Verminderung der Emissionen von CO₂ und anderen Klimagasen erforderlich. Ansonsten würde das Ziel verfehlt.

Dementsprechend hat sich Deutschland verpflichtet, bis zum Jahr 2045 Netto-Treibhausgasneutralität zu erreichen.2

2. Deutschland klimaneutral bis 2045 – ohne Kernenergie ausgeschlossen

Es ist eine enorme Herausforderung, diesen Plan umzusetzen. Dazu ist der Einsatz ausnahmslos aller CO₂-armer Energiequellen erforderlich, einschließlich der  Kernenergie. Laufzeitverlängerungen der bestehenden Kernkraftwerke wären technisch kurzfristig realisierbar. Sie könnten die CO₂-Bilanz schnell und kostengünstig entlasten. Was bisher fehlt, ist der politische Wille.

Trotz Milliardenkosten für die Förderung erneuerbarer Energien ist der Pro-Kopf Ausstoß von Klimagasen in Deutschland mit 10 Tonnen CO₂-Äquivalenten (2019) immer noch deutlich höher als jener der EU-27 mit 7,8 Tonnen. Seit 2000 ist der Wert nur um 22 Prozent gesunken. Wie bis 2045 ein weiterer Rückgang um 100 Prozent gelingen soll, bleibt unklar.

Die Stromkosten in Deutschland sind die höchsten in Europa. Steigende Mieten und Kraftstoffkosten belasten die Bürger zusätzlich.

Der Bundesrechnungshof beanstandete 2021 in einem Sonderbericht3, dass die Energiewende weiterhin unzureichend gesteuert werde. Er kritisiert, dass von teils zu optimistischen und teils unplausiblen Annahmen zur Sicherheit der Stromversorgung ausgegangen werde. Auch habe die Bundesregierung immer noch nicht festgelegt, was sie unter einer preisgünstigen Stromversorgung verstehe. Denn die Strompreise für private Haushalte sowie kleine und mittlere Gewerbe- und Industriekunden lägen in Deutschland europaweit an der Spitze.

Für die Energiewende wird in Zukunft nicht weniger, sondern sehr viel mehr Strom benötigt als bisher, vor allem für Elektromobilität, Wärmepumpen und auf Strom umgestellte industrielle Prozesse. Dieser Strom muss sauber und bezahlbar sein. Es ist daher keine gute Idee, die saubere und bezahlbare Kern­energie durch weniger zuverlässige Energiequellen zu ersetzen.

3. Kernenergie – Schlüsseltechnologie für das 1,5-°C-Ziel

Der Sonderbericht des IPCC zum 1,5-°C-Ziel sieht in seinen vier Hauptszenarien eine Verdopplung bis Versechsfachung der Stromerzeugung aus Kernenergie bis 2050 gegenüber 2010.4 Keines dieser Szenarien kommt somit ohne einen Ausbau der Kernenergie aus.

Allerdings steigt der Anteil erneuerbarer Energien außer Biomasse am Energieverbrauch schneller an als der Anteil der Kernenergie, nämlich um 832 bis 1.327 Prozent. Das geringere Wachstum des Kern­energieanteils begründet der IPCC mit der begrenzten gesellschaftlicher Akzeptanz in vielen Ländern.5 Wenn der IPCC in seinen Szenarien jedoch annimmt, dass Speicher für Wind- und Solarstrom bezahlbar und in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen, dann kann man analog auch annehmen, dass gesellschaftliche Bedenken gegen die Kernenergie überwunden werden können.

In Deutschland sieht die Bevölkerung die Nutzung der Kernenergie schon heute pragmatisch: Wenn die Kernenergie zum Erreichen der Klimaziele benötigt wird, dann solle man sie nutzen.6

Selbst mit Kernenergie dürfte es schwer werden, den Temperaturanstieg bis zum Jahr 2100 noch unter 2 °C zu halten. Es genügt dafür nicht, den Ausstoß von Klimagasen auf null zu bringen. Darüber hinaus muss Kohlenstoff wieder aus der Atmosphäre entfernt werden.

Je weiter die Klimaziele verfehlt werden, desto mehr Anpassungsmaßnahmen sind erforderlich, um die Folgen des Klimawandels abzumildern. Für diese Maßnahmen wird eine große Menge sauberer und bezahlbarer Energie benötigt.

4. Kernenergie – unverzichtbar für eine nachhaltige Entwicklung

Die Vereinten Nationen haben sich 2015 in der Agenda 20307 auf 17 globale Ziele für eine nachhaltige Entwicklung geeinigt. Für das Erreichen dieser Ziele ist die Verfügbarkeit von sauberer und bezahlbarer Energie eine wesentliche Voraussetzung. Die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) schreibt in Bezug auf Kernenergie:8

»Kernenergie ist ein unverzichtbares Mittel zum Erreichen der internationalen Nachhaltigkeitsziele. Sie spielt eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung des Energiesektors (Ziel 13), unterstützt aber auch die Umsetzung sämtlicher anderer Ziele für eine nachhaltige Entwicklung – darunter die Überwindung der Armut, die Beseitigung des Hungers, sauberes Trinkwasser, erschwingliche Energie, Wirtschaftswachstum und industrielle Innovation.«

Nachstehend weitere Beispiele.

  • Kernenergie schont Umwelt & Ressourcen (Ziele 12 und 15) Der Energiegehalt von 1 kg Uran kann bis zu 1 Million kg Steinkohle ersetzen9. Entsprechend gering sind die Abfallmengen, die bei der Nutzung von Kernenergie anfallen. Ein Kernkraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 1.400 Megawatt kann über tausend 3‑MW‑Windkraftanlagen (onshore, Deutschland) ersetzen. Kernkraftwerke können 60 Jahre und länger betrieben werden. Windkraftanlagen stehen kaum länger als 25 Jahre. Sowohl bei der Uranförderung und -verarbeitung als auch bei der Entsorgung stehen Technologien zur Verfügung, die umweltverträgliche Prozesse sicherstellen. Begünstigt durch Wiederaufbereitung mit Abtrennung der Spaltstoffe ist es möglich, die Effizienz weiter zu steigern und Ressourcen zu schonen.
  • Kernenergie ist sicher (Ziel 3) Die Risiken der Kernenergienutzung für Leben und Gesundheit von Menschen sind gering5, viel geringer als die Risiken durch Luftverschmutzung aus der Verbrennung fossiler Energien oder Biomasse und ähnlich gering wie die mit der Nutzung erneuerbarer Energien verbundenen Risiken.10, 8
  • Kernenergie ist kostengünstig (Ziel 7) Nach einer IEA/OECD-Studie11 stellt die Laufzeitverlängerung bestehender Kernkraftwerke die kostengünstigste Option dar, Strom klimaneutral zu erzeugen. Der Neubau von Kernkraftwerken wird unter Berücksichtigung möglicher Kostensenkungen durch Lerneffekte günstiger als jede andere Form einer sowohl zuverlässigen als auch CO₂-armen Stromerzeugung. Zudem lässt sich moderne Kernenergie gut mit volatilen erneuerbaren Energien kombinieren. Ein CO₂-neutrales Stromsystem, das auch die Kernenergie berücksichtigt, kann zu deutlich geringeren Kosten aufgebaut werden.12

Kernenergie hat ihre Leistungsfähigkeit zur umweltschonenden, sicheren und bezahlbaren Energieversorgung großer Industrienationen seit Jahrzehnten bewiesen. Für ein Energiesystem, das sich vor allem auf variablen Wind- und Solarstrom stützt, muss dieser Beweis erst noch erbracht werden.

Weitere Informationen:

Beschlossen von der Mitgliederversammlung des Nuklearia e. V. am 15. Oktober 2021. Das vorliegende Dokument ersetzt das am 28. Dezember 2020 verabschiedete Positionspapier zum Klimawandel.

Dieser Text liegt auch als PDF-Dokument vor.

Korrigenda

  • Zum Energiegehalt von Uran und Steinkohle war ein falscher Beleg verlinkt. Der korrekte Link findet sich jetzt in Fußnote 9. (2021-10-21)

Fußnoten

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