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Japan: Zurück zu sinnvollen Strahlungsstandards

Die derzeit in Japan geltenden Strahlenschutzregelungen sollen revidiert und an wissenschaftliche Erkenntnisse angepaßt werden. Das fordert eine Gesetzesinitiative, die jetzt in das japanische Unterhaus eingebracht wurde, wie The Japan News berichtet.

Extrem niedrige Strahlungsgrenzwerte in Japan

Nach dem Reaktorunglück in Fukushima hatte die damalige von der Democratic Party of Japan (DJP) geführte Regierung im April 2012 die Grenzwerte für radioaktive Substanzen in Lebensmitteln und Trinkwasser stark reduziert.

Beispielsweise beträgt der japanische Grenzwert für radioaktives Cäsium nur 10 Becquerel pro Liter (Bq/l), während in den USA 1.200 Bq/l und in Europa 1.000 Bq/l erlaubt sind – also um zwei Größenordnungen mehr.

Foto: Überwuchertes Eisenbahngleis in der Fukushima-Sperrzone, Namie, Japan

Überwuchertes Eisenbahngleis in der Fukushima-Sperrzone, Namie, Japan. – Quelle: The New York Times

Die strengen Grenzwerte sollten eigentlich der japanischen Bevölkerung mehr Sicherheit vermitteln, bewirkten aber eher das Gegenteil. Außerdem entstand bei internationalen Handelspartnern der Eindruck, Japan sei kontaminiertes Gebiet, so daß eine Reihe von Staaten Importverbote für japanische Lebensmittel und andere Produkte erließen. China und Südkorea halten bis heute strenge Restriktionen aufrecht.

Shunichi Tanaka, Vorsitzender der japanischen Aufsichtsbehörde Nuclear Regulation Authority (NRA), ist der Ansicht, das Mißtrauen gegenüber japanischen Lebensmitteln lasse sich nicht ausräumen, solange Japan an seinem von internationalen Standards abweichenden Strahlenschutz festhalte. Diese Regeln gehörten deshalb auf den Prüfstand.

Rechte der Strahlenschutzkommission stärken

Dazu will die Gesetzesinitiative der japanischen Strahlenschutzkommission mehr Rechte einräumen. Dieses Gremium untersteht der NRA und setzt sich, ähnlich wie die Strahlenschutzkommission in Deutschland, aus Fachleuten der betroffenen wissenschaftlichen Disziplinen zusammen. Nach der derzeitigen Gesetzeslage sind die Rechte der Strahlenschutzkommission aber sehr begrenzt. So kann sich das Expertengremium noch nicht einmal aus eigener Initiative zu Beratungen treffen, sondern nur dann, wenn die Politik dies verlangt.

Verabschiedet das japanische Parlament das jetzt eingebrachte Gesetz, kann die Strahlenschutzkommission nach eigenem Ermessen aktiv werden, Untersuchungen durchführen, Beratungen abhalten und den Strahlenschutz betreffende Gesetzesänderungen anregen.

Strahlendosen bis 100 Millisievert sind unbedenklich

In der Wissenschaft besteht weitgehend Einigkeit darüber, daß Strahlendosen von 100 Millisievert (mSv) oder weniger für Menschen ohne gesundheitliche Auswirkungen sind. In die Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission (International Commission on Radiological Protection, ICRP) hat das allerdings noch keinen Eingang gefunden – und erst recht nicht in die japanischen Standards. Immerhin empfiehlt aber auch die ICRP, Evakuierungsanordnungen aufzuheben, wenn die jährliche Strahlenexposition 20 mSv oder weniger beträgt.

Japan dagegen beharrt bislang auf maximal 1 mSv pro Jahr zusätzlich zur natürlichen Umgebungsstrahlung. Das behindert die Aufräum- und Wiederaufbauarbeiten in Fukushima und führt dazu, daß viele Menschen noch nicht wieder in ihre Heimat zurückgekehrt sind – teils, weil bestimmte Gebiete in Fukushima noch immer gesperrt sind, teils aus Angst vor Strahlung in den freigegebenen Gebieten.

Die niedrigen Grenzwerte führten in der Bevölkerung vielfach zu falschen Vorstellungen über die Auswirkungen von Strahlung – ein Phänomen, das in Japan besonders ausgeprägt sein mag, sich aber keineswegs auf dieses Land beschränkt. Denn insgesamt wird die Wirkung ionisierender Strahlung massiv überschätzt, übrigens auch unter Wissenschaftlern.

Sechs Jahre nach dem Fukushima-Unglück wird es Zeit, die damals überhastet beschlossenen Gesetze zu überdenken und zu einem vernünftigen Strahlenschutz auf internationalem Niveau zurückzukehren. Oder sagen wir lieber: zu einem Strahlenschutz, der ein wenig vernünftiger ist. Denn auch die ICRP-Empfehlungen und die daraus abgeleiteten nationalen Strahlenschutzbestimmungen sind nach wie vor viel zu streng. Sie ignorieren wissenschaftliche Erkenntnisse und verursachen hohe volkswirtschaftliche Kosten, ohne den Menschen zu nützen. Grundlegende Änderungen dürften aber noch länger auf sich warten, weil zu viele Lobbyinteressen an den geltenden Regelungen hängen. Aber immerhin werden die Stimmen der Vernunft lauter.

Quellen

Dieser Beitrag erschien im Original im Blog des Autors.

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