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AUS für Kernenergie?

Steht Australien vor dem Atomeinstieg und der Lösung des weltweiten Atommüllproblems? In Südaustralien analysiert eine Royal Commission die Möglichkeiten. Ein Senator präsentiert die Vision eines nuklearen, atommüllfinanzierten Wirtschaftsaufschwungs.

Während Deutschland vor dem Atommüll kapituliert und die Endlagersuchkommission von immer höheren Kosten und einem sehr viel längeren Verfahren spricht, geschieht am anderen Ende der Welt so ziemlich das Gegenteil: Australien erwägt den Einstieg in die Kernkraft und die Lösung des Atommüllproblems gleich mit.

Foto Jay Weatherill

Australien (Quelle: Wikimedia Commons)

Das Land ist nach Kasachstan und Kanada der drittgrößte Uran-Exporteur der Welt, erzeugt aber selbst keinen Strom aus Kernenergie. Zwar gab es immer wieder Vorstöße der liberalen Coalition, die gegenwärtig die australische Regierung stellt, doch wurden solche Initiativen regelmäßig von der Labor-Partei verhindert. Sie ist die andere politische Kraft in Australiens De-facto-Zweiparteiensystem.

Royal Commission untersucht Nukleartechnik

Foto Jay Weatherill

Jay Weatherill (Quelle: Wikimedia Commons)

Im Februar 2015 jedoch rief Jay Weatherill, Premierminister des Bundesstaats Südaustralien, die Nuclear Fuel Cycle Royal Commission ins Leben. Diese Kommission soll sämtliche Aspekte des nuklearen Brennstoffkreislaufs unter die Lupe nehmen, Möglichkeiten und Risiken analysieren und gegeneinander abwägen. Im Detail geht es um diese Themen:

  • Erkundung und Abbau uran- und thoriumhaltiger Mineralien
  • Weiterverarbeitung und Brennstoffproduktion
  • Kernenergienutzung zur Stromerzeugung
  • Lagerung und Entsorgung nuklearer Abfälle
Logo Nuclear Fuel Cycle Royal Commission

Bis zum 6. Mai 2016 will die Kommission unter Leitung des früheren Gouverneurs Kevin Scarce ihren Abschlußbericht vorlegen und Empfehlungen aussprechen. Im Moment ist sie in Südaustralien unterwegs. An verschiedenen Orten lädt sie zu Informations- und Diskussionsveranstaltungen ein, um mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen.

Eine Royal Commission wird vom Regierungchef eingesetzt, um einen Sachverhalt gründlich und evidenzbasiert aufzuklären. Einmal in Gang gesetzt, kann auch die Regierung eine Royal Commission nicht mehr stoppen.

Weatherill verspricht sich von der Untersuchung ein besseres Verständnis für die Energienachfrage weltweit und in Südaustralien. Außerdem geht es um Informationen über den aktuellen Stand der Technik, darum, was Nukleartechnik im Vergleich zu Solar- und Windenergie leisten kann, speziell im Hinblick auf Südaustralien. Als ein Land, das seit über 25 Jahren Uran produziere und exportiere, sei es an der Zeit, sich nun auch den praktischen, finanziellen und ethischen Fragen einer weitergehenden Nutzung von Nukleartechnik zu stellen, meint Weatherill.

Die Gründung der Royal Commission kam überraschend, da Weatherill als Angehöriger der Labor-Partei eher auf der Seite der Kernkraftgegner vermutet wurde. Weatherill sei früher gegen Kernenergie gewesen, erläutert Ben Heard, Klimaaktivist und Doktorand an der University of Adelaide. Doch »jetzt stehe ich diesen Themen unvoreingenommen und aufgeschlossen gegenüber«, zitiert Heard den Premierminister. In seinem Blog »DecarboniseSA« begrüßt Heard »diese großartige Nachricht« und die »aufregende Entwicklung«.

Heard skizziert zusammen mit Professor Barry Brook von der University of Tasmania  die Herausforderungen und Möglichkeiten im Beitrag “Royal commission into nuclear will open a world of possibilities”. Brook setzt sich seit Jahren für Kernenergie ein, speziell für den Integral Fast Reactor (IFR, siehe unten). Im April wurde Brook in das fünfköpfige Expertenteam der Royal Commission berufen.

Bei der pronuklearen Opposition Südaustraliens rennt Weatherill offene Türen ein. In diesem Bundesstaat erfreut sich die Nuclear Fuel Cycle Royal Commision also breiter politischer Unterstützung. Auf Bundesebene begrüßt die liberal-konservative Regierung in Canberra den Vorstoß ebenfalls. Weatherills Labor-Parteifreunde reagieren beim Thema Kernkraft zwar reserviert bis vorsichtig positiv, begrüßen die Royal Commission aber ebenfalls. Die Labor-Partei hatte sich 2011 ein ausdrückliches Verbot von Kernkraftwerken ins Programm geschrieben. Das könnte sich demnächst ändern. Beim Labor-Bundesparteitag im Juli dürfte das Thema jedenfalls für Diskussionen sorgen.

Nuklearwirtschaft auf Atommüllbasis

Foto Sean Edwards

Sean Edwards (Quelle: Sean Edwards)

Während die Labor-Partei noch dabei ist, ihren Weg zu finden, denkt der liberale Senator Sean Edwards schon sehr viel weiter. Er möchte in Südaustralien eine Nuklearindustrie aufbauen, die seinem Bundesstaat zu wirtschaftlichem Aufschwung und Wohlstand verhelfen soll. Die Grundlage dafür soll ausgerechnet das sein, was andere Staaten gern loswerden möchten: Atommüll.

Und das geht so:

Atommüllentsorgung

Im ersten Schritt nimmt Südaustralien den Atommüll anderer Länder entgegen und lagert ihn bei sich ein. Die Lagerung erfolgt auf jeden Fall rückholbar, weil das Material später noch gebraucht wird.

Die Entsorgung des Atommülls läßt sich Südaustralien gut bezahlen. Sie wird nicht billig sein, aber für die Staaten, die auf dem Atommüll sitzen, immerhin billiger als Errichtung und Betrieb eines eigenen Endlagers. Edwards geht von jährlichen Einnahmen in Milliardenhöhe aus.

Moderne Kernkraftwerke als Atommüllfresser

Ein Teil der eingenommenen Entsorgungsgebühren wird zum Bau von Kernkraftwerken verwendet. Dies sind allerdings nicht die heute weltweit üblichen Leichtwasserreaktoren. Edwards denkt vielmehr an Reaktoren nach dem Prinzip des Integral Fast Reactors (IFR), denn das, was wir als Atommüll bezeichnen, dient dem IFR als Brennstoff. In den sogenannten »abgebrannten« Brennelementen stecken nämlich noch 96 Prozent der ursprünglichen Energie drin, und der IFR holt sie heraus. Für das, was dann noch übrigbleibt, reicht eine Lagerdauer von 300 Jahren zum Abklingen.

Auch der Sicherheitsaspekt ist bedacht, denn der IFR ist walk-away safe. Selbst bei einem kompletten Stromausfall und ohne Bedienpersonal bleibt der Reaktor stets in einer stabilen Konfiguration. Das ist keine graue Theorie, sondern wurde am IFR-Prototyp EBR-II experimentell nachgewiesen.

In Südaustralien könnten die Lagerstätten für den Atommüll und die neuen Reaktoren laut Edwards dort entstehen, wo heute Kohlekraftwerke die Luft verschmutzen. Gerade im Vergleich mit Kohle läßt Edwards Sicherheitsbedenken nicht gelten, denn »Kernenergie, bei der alles schiefläuft, ist immer noch sicherer als Kohlekraft, die funktioniert, wie sie soll.«

PRISM

PRISM (Quelle: GE Hitachi Nuclear Energy)

Die IFR-Anlagen würde Südaustralien bei GE Hitachi Nuclear Energy (GEH) einkaufen. Der Hersteller hat den EBR-II in den letzten 30 Jahren weiterentwickelt, zur Produktreife gebracht und bietet heute mit dem PRISM einen kommerziell verfügbaren IFR an. Auch das UK prüft derzeit den Einsatz des PRISM zur Beseitigung beziehungsweise Markierung des britischen Waffenplutoniums.

Nuklearer Wirtschaftsaufschwung

Edwards rechnet bei einer Umsetzung seines Konzepts mit einem gewaltigen Wirtschaftsaufschwung für Südaustralien. Dank entsorgungsfinanzierter Reaktoren wäre der Strom äußerst billig. Günstige Energiepreise würden weitere Industrien anziehen und für Arbeitsplätze sorgen. Die milliardenschweren Einnahmen aus dem Ausland würden es ermöglichen, Steuern zu senken oder ganz zu streichen. Edwards denkt an 4,4 Milliarden Dollar, die an Lohnsteuer, Kraftfahrzeugsteuer und anderen Abgaben eingespart werden könnten.

Atommüll nach Australien entsorgen oder selbst nutzen?

Edwards Konzept setzt voraus, daß die Bewohner Südaustraliens seine Pläne mittragen. Das sieht gar nicht so schlecht aus. Außerdem müssen die Staaten, die nach Lösungen für ihren Atommüll suchen, sich auf das Angebot Südaustraliens einlassen. Edwards ist nach eigenen Angaben bereits mit einem interessierten Staat auf Ministerebene im Gespräch, der die Kosten tragen würde, wenn Australien das Recycling übernimmt. Sprich: keine Initialkosten. Edwards verrät nicht, welcher Staat das ist. Da der Druck aber wohl groß ist, und dieser Staat aus aus »geopolitischen Gründen« kein eigenes Atommüllrecycling durchführen kann, tippe ich auf Südkorea.

Statt ihren Atommüll nach Australien zu entsorgen, könnten Staaten natürlich auch auf die Idee kommen, selbst PRISM-Reaktoren zu errichten und das Edwardsche Wirtschaftswunder im eigenen Land zu realisieren. Dazu braucht es allerdings politischen Mut, Weitsicht und den Mumm, wohlmeinenden Bedenkenträgern, vorgeblichen Umweltschützern und grünideologischen Energiewendern argumentativ entgegenzutreten. Diesen Mut hat leider nicht jeder – und die Mehrzahl der Politiker in Deutschland schon gar nicht.

Wie sagte doch Seneca: »Ein großer Teil des Fortschreitens besteht darin, daß wir fortschreiten wollen.« Wenn Australien fortschreiten will und Deutschland nicht, dann sei Australien auch der Erfolg gegönnt!

Quellen

Wer tiefer in das Thema einsteigen und herausfinden will, was sich in Australien tut oder wie der IFR funktioniert, findet hier weitere Informationen.

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