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Angriff auf Nuklearia-Mitglieder bei Klimastreik

Beim Klimastreik am Freitag vor der Bundestagswahl war die Nuklearia dabei, unter anderem in Köln, Frankfurt, München oder Kiel. In Berlin wurden zwei unserer Mitglieder Opfer eines gewalttätigen Angriffs.

🇺🇸 An English version of this text is available here.

»Lass dich nicht zusammenschlagen«, riet mir am Vortag des großen Klimastreiks augenzwinkernd ein Passant. Ich hatte kurz vor knapp in einem Copy-Shop in Prenzlauer Berg mein neues Klimaschild gedruckt. Es zeigt alle klimafreundlichen Energiequellen nebeneinander: Solar, Wind, Wasser und Kernkraft. Um die Pariser Klimaziele noch zu schaffen, müssen wir laut Weltklimarat alles ausbauen, was geht.

Motiv meines Klimaschilds

Am Morgen des Klimastreiks vor dem Hauptbahnhof Berlin scherzen ich und sieben weitere Mitglieder des Vereins Nuklearia darüber. Wer würde denn bei einem Klimastreik einen Klimaaktivisten zusammenschlagen? Wir sind doch alle für den Klimaschutz. Jeder von uns hat Schilder mitgebracht mit Botschaften wie »Klimakrise – Kernkraft«, »Follow the Science« oder »Kernkraft gegen Klimawandel«.

Demo-Teilnehmer offen für Kernkraft-Infos

Die Sorge vor Gewalt erweist sich auch erst einmal als unbegründet. Ganz im Gegenteil, es gibt immer wieder Daumen nach oben. Ein Schuljunge hat sein eigenes »Kernkraft, ja bitte«-Schild gebastelt und schließt sich uns an. Auch ein Paar schließt sich uns an und lässt sich von uns ein Schild geben. Einige Teenager wollen wissen, was Kernkraft überhaupt ist. Auch andere Teilnehmer der Demo stellen Fragen zur Kernenergie oder diskutieren. Ein Reporter der NZZ interviewt kurz einen von uns. Größtenteils gehen wir aber einfach in der Menge unter.

Vor dem Klimastreik am Berliner Hauptbahnhof

Das ist kein Wunder, es haben sich zehntausende Menschen vor dem Bundestag versammelt. Die Polizei schließt sogar den Platz, als noch mehr Klimaaktivisten eintreffen. Es sind viele Schulkinder gekommen, aber auch Erwachsene aller Altersgruppen. Wir sind beeindruckt, was Fridays for Future hier mobilisiert hat. Und es macht uns Hoffnung, dass so vielen Menschen ebenfalls der Klimaschutz am Herzen liegt.

Wir treffen in der Menschenmenge zufällig eine Gruppe der Partei der Humanisten und schließen uns ihnen an. Sie befürworten so wie wir einen technologieoffenen Klimaschutz ohne Vorurteile. Auch die Humanisten setzen sich für eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke ein. Wir lauschen zusammen der Begrüßungsrede und einer Musikeinlage. Als schließlich der große Protestmarsch beginnt, trennen wir uns von den Humanisten. Wir wollen lieber in der Nähe der Bühne bleiben, wo später Greta Thunberg sprechen wird.

Eine Gruppe der Humanisten

Auf der falschen Demo?

Während der Demozug uns passiert, haben wir viele nette Gespräche. Aber es kommt auch zu den ersten weniger schönen Begegnungen mit Daumen nach unten oder »Atomkraft, nein danke«-Rufen aus der Menge. Eine ältere Dame wirft uns sogar vor, wir seien zur falschen Demo gekommen. Auf die Frage, ob dies denn kein Klimastreik sei, schütteln sie und ihr Begleiter wortlos den Kopf. Die meisten Interaktionen bleiben aber mindestens neutral, wenn nicht freundlich oder interessiert.

Ich diskutiere mit zwei jungen Männern lange über die deutschen Atommüll-Endlager Morsleben und Schacht Konrad. Einer von beiden bleibt skeptisch, aber der andere fragt schließlich nach einer Buchempfehlung. Ich rate ihm zum Klassiker: David MacKays »Nachhaltige Energiegewinnung – ohne die heiße Luft«. Auch zwei Schulmädchen stellen Fragen. Ich verzettele mich bei der Antwort. Die Frage nach der »Endlösung« für Atommüll bringt mich aus dem Konzept. Die Geschichte dieses Unwortes kennen die beiden wohl noch nicht, das Prinzip eines tiefen geologischen Endlagers leider auch nicht.

Greta Thunberg spricht

Greta Thunberg spricht – aber kein Wort zur Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken

Endlich ist es so weit, Greta Thunberg steht auf der Bühne. Die bekannte Klimaaktivistin und Gründerin von Fridays for Future klagt Deutschland an, weil wir einer der größten CO₂-Emittenten der Welt seien. Recht hat sie! Im ersten Halbjahr 2021 stammten wegen unserer erfolglosen Energiewende immer noch 27 % des Stroms aus der Kohleverbrennung. In den nächsten beiden Jahren wird der Kohleanteil wegen des vorzeitigen Atomausstiegs auf bis zu 40 % steigen. Über die mögliche Laufzeitverlängerung unserer sechs Kernkraftwerke redet Greta nicht, obwohl dies die effektivste Klimaschutzmaßnahme in Deutschland ist. Ihr Heimatland Schweden gewinnt knapp die Hälfte des Stroms aus Kernkraft und hat viel niedrigere Emissionen als Deutschland.

Als Greta anfängt zu reden, strömen alle Richtung Bühne. Wir werden durch das Gedränge in zwei Gruppen geteilt. Ich denke mir nichts dabei, aber als kleinere Gruppe bieten wir wohl mehr Angriffsfläche. Zwei Männer nähern sich von hinten und versuchen wortlos, unsere Schilder zu verdecken. Auf die Frage, was das solle, antwortet einer, er fühle sich angegriffen. Moment mal: Er greift uns an und fühlt sich selbst angegriffen? Ich zeige ihm mein Schild mit den vier klimafreundlichen Technologien nebeneinander, und nach kurzer Diskussion ziehen er und sein stummer Begleiter davon. Alles gut, selbst mit militanten Atomkraftgegnern kann man reden.

Da war das Schild noch ganz

Aggressive, gewaltbereite Klimaschützer

Die Männer werden von zwei jungen Frauen abgelöst. Eine von ihnen baut sich drohend vor unserer Paola auf. Zwei Köpfe größer, zieht sie lautstark drohend an Paolas Mundschutz. Als ich ihre Aufmerksamkeit auf mich lenken kann, lässt sie ab, aber droht weiter mit Gewalt. Bevor etwas passieren kann, zieht ihre Begleiterin sie zurück in die Menschenmenge, aus der die beiden gekommen sind. War das mit der Gewalt etwa ernst gemeint? Wir haben doch alle das gleiche Ziel, oder nicht?

Ich muss nicht lange auf eine Antwort warten. Unsere zweite Gruppe ist wieder aufgetaucht. Etwas stimmt nicht. Britta ist so still wie noch nie. Ihr Begleiter ist total aufgeregt. Offenbar hat in dem Gemenge jemand Britta körperlich angegriffen. Ihr Schild wurde zerstört, das zweite Schild im Gerangel geklaut. Passiert ist den beiden nichts, aber sie wirken schockiert.

Britta Augustin berichtet, wie sie den Angriff auf sie erlebt hat:

Greta Thunberg spricht. Ich mag Greta. Sie hat 2018 den Bericht des Weltklimarats gelesen und öffentlich über Kernkraft gesprochen. Instinktiv gehe ich mit der allgemeinen Dynamik und folge meinem Begleiter mit seinem Kernkraft-Coexist-Schild. Ich bleibe stehen, um zuzuhören. Es ist Luisa Neubauer, die jetzt spricht. 

Ein Mann schreit mich aggressiv an. Ich schreie zurück. Ein Ordner sagt ich solle mich beruhigen. Ich danke ihm. Es ist gut, dass er bei mir bleibt. Eine Frau spricht mich an, ich wäre auf der falschen Demo. Ich frage sie, ob sie den Weltklimarat-Bericht kennt und weiß, dass dort Kernkraft drin steht? Nein sagt sie, auf keinen Fall. Ob sie denn nicht den internationalen Stand der Wissenschaft kenne? Das kann nicht stimmen, ich muss dumm sein. Ich studiere Mathematik entgegne ich. Sie meint es gibt ja auch intelligente Nazis. Ab da nur noch Geschrei und ich wiederhole stur »Weltklimarat!«.

Der Angriff

Zwei, drei Leute versuchen das Schild zu verdecken, ich drehe es hin und her, damit die bedruckte Vorderseite immer in eine Richtung sichtbar ist. Eine Frau, später ein Mann versuchen das Plakat zu greifen. Drei mal ist es derselbe Mann. Ich finde es unangenehm, ihn im Rücken zu haben. Er guckt mich irre an. Sein Gesicht ist ganz rot und er atmet schwer. Ausweichen geht nur nach vorne. Immer noch drücken Leute von allen Seiten in diese Richtung. Die Fraktion der Verdecker folgt mir. Jetzt kommt noch eine Gruppe Teenies dazu, die die Stimmung mit schrillem Gekreische anheizen. 

Dann kommt die Szene aus dem Video, das bei Twitter kursierte:

https://twitter.com/digitalwerber/status/1441421173342961671

Ich werde von hinten gepackt, das Plakat zerrissen,. Ich schaue nach dem Angreifer. Es ist ein anderer Mann als bisher. Er entfernt sich schnell. Die Teenies drehen noch mal auf und einige Leute feiern und klatschen. Ich sammle die Plakatreste ein. Dann wird mir klar, dass mein Begleiter der nächste ist. Er ist wenige Schritte entfernt. Da wird ihm schon das Plakat von der Stange gerissen. Immer noch ist der Ordner bei mir. Er sagt, er kann für unsere Sicherheit nicht garantieren. Aber er begleitet uns raus zu den anderen.

Jetzt hat uns eine größere Gruppe umzingelt. Die Leute machen sich sofort daran, unsere verbleibenden Schilder zu verdecken. Auch ein Ordner trifft ein. Er legt uns freundlich nahe, zu gehen, weil er uns nicht vor diesen aggressiven Störern schützen könne. Wir überlegen kurz, die Polizei zu rufen wegen der groben Störung der Demonstration und nicht zuletzt wegen des tätlichen Angriffs. Letztendlich beschließen wir, den Platz vor dem Bundestag friedlich zu verlassen. Wir wollen keinen Streit mit irgendwelchen Spinnern.

Sehen so Demokratie und Meinungsfreiheit aus?

Vor dem Brandenburger Tor stehen einige Imbissbuden. Wir lassen das schockierende Erlebnis erst einmal sacken. Körperlich sind wir unversehrt, und das teure geplottete Schild kann man ersetzen. Zu schaffen macht uns aber, dass es bei einem Klimastreik gewaltbereite Klimaaktivisten gibt, die aggressiv auf ihre Mitstreiter losgehen. Sind wir nicht alle wegen der Klimakrise gekommen? Haben wir nicht das gleiche Ziel, den Klimaschutz? Und wie war das mit Demokratie und Meinungsfreiheit?

Nach dem Angriff

Das war ein unrühmliches Ende eines ansonsten tollen Klimastreiks. Auch andere Nuklearia-Mitglieder in anderen Städten haben größtenteils positive Erfahrungen gemacht. Den Veranstalter trifft sicher keine Schuld an dem Vorfall. Man kann sich nicht aussuchen, ob auch gewaltbereite Menschen zu einer Demonstration kommen. Es ist aber für zukünftige Klimaproteste wichtig, dass die Organisatoren sich klar distanzieren. Gewalt und Anfeindungen innerhalb der Klimabewegung sind der falsche Weg!

Umso wichtiger auch, dass Fridays for Future endlich ein klares Zeichen für pragmatischen Klimaschutz im Sinne des Weltklimarats setzt. Greta hat das 2019 zaghaft getan. Sie ist aber dann vor dem Shitstorm von Atomkraftgegnern zurückgerudert. Und was ist in den 2,5 Jahren seitdem passiert? Wir haben in Deutschland nur lächerlich winzige Fortschritte beim Klimaschutz gemacht. Global steigen die CO₂-Emissionen immer weiter.

Gemeinsam sind wir stärker!

Follow the Science!

Alles fürs Klima!

Über die Nuklearia

Die Nuklearia ist ein gemeinnütziger, industrie- und parteiunabhängiger eingetragener Verein, der die Kernenergie als Chance begreift und darüber aufklären will. Wir sehen die Kernkraft als besten Weg, die Natur und das Klima zu schützen und gleichzeitig unseren Wohlstand zu erhalten. Denn Kernenergie ist emissionsarm, braucht sehr wenig Fläche und steht jederzeit zur Verfügung. Unser Ansatz ist wissenschafts- und faktenbasiert, unsere Vision humanistisch: erschwingliche und saubere Energie für alle.

10 Antworten

  1. Zürich: Bei mir waren alle Teilnehmer freundlich. Am Strassenrand war sogar Begeisterung zu spüren. Nur dem Organisator Klimastreik Zürich gefällt mein „Kernenergie fürs Klima“ und „Nuclear4Climate“ nicht. Ich soll das Plakat einrollen. Ich beharrte auf Meinungsfreiheit. Beide waren Einverstanden, dass dies die Polizei regeln soll. Eine 5-er Mannschaft der Polizei erteilte mir Platzverweis für 24 Stunden und konfiszierte das Plakat, welches ich nach 24 Stunden abholen durfte. Unverständlich, dass mir so geschieht, zumal ich noch ein strengeres Klimaziel wünsche als der IPCC. Auch dass der IPCC Kernenergie empfiehlt wirkte bei der Polizei nicht. Ich bleibe an dem Fall dran.

    1. Nur eine kleine Anmerkung:

      Der IPCC selbst legt kein Klimaziel fest, sondern sondern dient der wissenschaftlichen Sammlung. Auf dieser Grundlage wurde dann zum Beispiel im Vertrag von Paris ein Klimaziel festgelegt und auf dieser Basis wurde dann zum Beispiel der Sonderbericht zu 1,5 Grad verfasst, der beschreibt wie das Ziel erreicht werden kann und welche Folgen ein Verfehlen hätte.

    1. So wie die Sekte „Kirche Klimawandel“ das Hochwasser im Ahrtal für sich nutzt. Gründe sind für die Zerstörungen dort vielmehr das schlechte Bauland, in dem der Schiefer nur cm unter der Erdoberfläche sich befindet. Der zugegebenermaßen starke Regen konnte nicht versickern, weil der Schiefer nur bedingt wasserdurchlässig ist.

  2. Liebe Leute,
    Ich habe gehört, dass Ihr bisher von einer Strafanzeige abgesehen habt. Das ist nicht ok. Normalerweise bin ich auch für Deeskalation und man sollte immer mal sagen: „Schwamm drüber“.
    Wenn aber rohe Gewalt im Spiel ist, dann MUSS man Strafanzeige stellen, damit die Sache richtig aufgeklärt wird. Hier handelt es sich um eine versuchte schwere Körperverletzung, die von einem Anwalt zur Klage gebracht werden sollte. Denn es kann nicht sein, dass man sich Köperverletzungen gefallen lassen muss, nur weil man ein Schild hoch hält, auf dem nichts schlimmes steht.
    Deswegen meine Bitte: Bringt das zur Anzeige. Der Mann ist ein Straftäter und sollte dafür belangt werden.
    Das ist keine Kleinigkeit! Die körperliche Unversehrtheit ist das höchste Gut und der Kerl hat mit roher Gewalt die Dame angegriffen und hätte Ihr schwere körperliche Verletzungen zufügen können. Wenn Ihr Geld braucht/es Euch zu teuer ist, dann schreibt mich bitte an, ich gebe sehr sehr sehr sehr sehr gerne was dazu.

  3. Bei dem Zustand der Debatte in Deutschland wundert es mich auch nicht, dass einige handgreiflich werden. Das ist wirklich Schade, weil dies die breite gesellschaftliche Zustimmung für mehr Klimaschutz gefährdet und die Diskussion um Lösungen behindert. Ich war auch bei einem Klimastreik in Deutschland und habe dort einige „Atomkraft? Nein Danke“-Schilder gesehen. Dies scheint ohne Probleme auf den Demos akzeptiert zu werden.

    Daneben war der Übergriff für die betroffenen Personen auch eine sehr unangenehme persönliche Erfahrung, wie ihr treffend schildert. Trotzdem ist meine Hoffnung, dass nur eine kleine Minderheit, die Handgreiflichkeit unterstützt und ein Dialog um weitere technologische Optionen geöffnet wird.

    1. Also dass jemand so frech ist mit „Atomkraft, nein danke“ auf einer Klimademo rumzulaufen, finde ich doch ziemlich haaresträubend. Man stelle sich mal vor die Windkraftgegner würden das machen.

      Wenn es stimmt, dass solche Leute akzeptiert werden, wundert mich gar nix mehr…

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