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Erwiderung auf David Biello

Auf der Blogseite von Scientific American diskutiert David Biello den Film Pandora’s Promise.

Er versucht, sich dem Thema ausgewogen zu nähern, und dies gelingt ihm auch weitgehend. Einige Punkte in dem Artikel bedürfen meines Erachtens nach jedoch der Richtigstellung.

„It might be cheaper to bolt on even inefficient CO2 capture and storage technology to each and every one of those power plants and bury the greenhouse gas if the goal is to prevent further climate change. We could even bury the CO2 in the same place that Craven’s nuclear mentor, physicist Rip Anderson, suggested for nuclear waste: beneath the sea.“

Ja, warum nicht das Kohlendioxid aus Fossilkraftwerken abscheiden und endlagern? Gegen diesen Vorschlag spricht allerlei – bei Mineralisierung des Kohlendioxids der beträchtliche zusätzliche Energiebedarf der Kraftwerke, bei Verpressung in Gesteinen die Möglichkeit dass das Gas austritt und, da dichter als Luft, zunächst an der Oberfläche in einem gewissen Umkreis alle sauerstoffatmenden Organismen tötet, bevor es sich verteilt und dann doch zum Klimawandel beiträgt, bei Lagerung im Ozean die Versäuerung des Meerwassers, die insbesondere als Korallenriff-Killer gefürchtet ist, weswegen sie auch nicht mehr in Betracht gezogen wird – insbesondere aber, und dies ist aus meiner Sicht das Hauptargument gegen CCS, die ungeheuren Mengen an Gas die eingefangen und gelagert werden müssen. Chemische Verbrennungen sind nun mal nicht besonders energiedicht, im Bereich weniger Elektronenvolt pro Elementarteilchen, weswegen große Kraftwerke ungeheure Mengen an Materie umsetzen müssen: ca. 10.000 bis 20.000 Tonnen Kohle pro Gigawatttag. Entsprechend müssen hohe Massen bzw. Volumina an Abgas behandelt werden, wenn das Kohlendioxid in nennenswertem Maß eingefangen werden soll. Die gesamte Fossilbrennerei krankt neben allen Klima-, Umwelt- und Gesundheitsproblemen einfach daran, dass sie Transport und Verarbeitung riesiger Materieportionen erfordert – die nicht zu vergessen stetig zusammenschrumpfenden Lagerstätten entstammen.

„On the other hand, these proponents urge a new look at other technologies for generating electricity from fission: the fast-breeder reactors that work like a perpetual motion machine and require liquid sodium as a coolant, which has a propensity to burn in the presence of either air or water.“

Dieser Absatz in in zweierlei Hinsicht irreführend: Zum einen arbeitet ein Brutreaktor selbstverständlich nicht „like a perpetual motion machine“, da eine solche nach allen bekannten Naturgesetzen unmöglich ist. Vielmehr nutzen Brutreaktoren die häufigen Nuklide U238 oder Th232 (anstelle des seltenen U235 das die primäre Energiequelle in Leichtwasserreaktoren darstellt), wodurch sie Energie für mindestens mehrere zehntausend Jahre zu liefern – und den „Abfall“ bisheriger Kernkraftwerke zu verwerten – vermögen. Sie sind hocheffiziente Maschinen die als Brennstoff Substanzen nutzen, die in Erdkruste und Ozeanen in großem Umfang vorhanden sind, erschaffen aber keine Energie aus dem Nichts. Mir ist klar, dass Biello das Pertuum Mobile nur als Metapher verwendet hat, um die sehr hohe Ergiebigkeit fortgeschrittener Brennstoffzyklen zu verdeutlichen, aber es ist eben eine irreführende Metapher die die zugrundeliegenden Prozesse verschleiert.

Was die Reaktivität von Natrium angeht: Es ist nicht sinnvoll, die Reaktion an Luft und die Reaktion mit Wasser im gleichen Atemzug zu erwähnen. Flüssiges Natrium entzündet sich an Luft und verbrennt mit niedriger Flammhöhe und Temperatur, weswegen die Bekämpfung solcher Brände mit geeigneten Löschmitteln nicht übermäßig kompliziert ist. Mit Wasser reagiert Natrium dagegen explosiv. Kontakt des Primärkühlkreises mit Wasser muss daher vermieden werden, was durch geeignete Konstruktion möglich ist: allseitig geschlossener, unterirdisch gebauter Pool mit Grundfels als zusätzlichem Containment außen herum.

„All of them would take decades to develop and deploy and face the same hurdles as the dismissed renewable power from the sun, wind and the Earth’s own heat.“

Während der Flüssigsalzreaktor (LFTR) in der Tat noch einiges an Forschungsarbeit benötigt (sein Prinzip wurde jedoch bereits einwandfrei im Molten Salt Reactor Experiment getestet), ist der Integrierte Brutreaktor (IFR/PRISM) „ready to go“ verfügbar: Alle benötigten Komponenten (Reaktor mit Metallkern und Poolkühlung, Pyroprozessanlage) lassen sich mit Material und Technologie „von der Stange“ herstellen. Es ist lediglich noch erforderlich, sich international auf ein optimales Design zu einigen, dieses zu lizensieren und zu kommerzialisieren. Wie lang dies dauern würde, ist diskutabel und eher eine politische als eine wissenschaftliche Frage. Sofern GE-Hitachis PRISM-Design zugrundegelegt wird, könnten wir in wenigen Jahren mit dem großtechnischen Einsatz beginnen.

Der Vergleich mit klassischen Erneuerbaren („face the same hurdles…“) ist sinnlos. Das zentrale Problem der Erneuerbaren ist ihre Diffusivität, die eine flächendeckende Komplettversorgung mit ihnen zu einem Alptraum an Arbeitsstunden, Materialaufwand und Flächenverbrauch machen, in dem Sinne, dass dies bedeuten würde, ganze Länder zur Hälfte in Kraftwerke und zur anderen Hälfte in Speichervorrichtungen umzubauen. Modulare Kernreaktoren im Stil von PRISM mit mehreren 100 Megawatt elektrisch pro Maschine haben diese Probleme nicht.

„In fact, such advanced nuclear is well behind in the deployment race compared to all these other renewable technologies.“

Lassen wir kurz das Adjektiv „advanced“ fallen – wie vergleicht sich die weltweite Energieerzeugung durch Kernkraft mit der durch Erneuerbare?
Zwar erzeugen Erneuerbare zur Zeit mengenmäßig mehr Energie als Kernkraftwerke – doch der größte Anteil von ihnen beruht auf Verbrennung von Biomasse und Abfall! Abgesehen davon, dass Biomasseverbrennung aufgrund von Luftverschmutzung ein gewaltiges Risiko für Gesundheit und Umwelt darstellt, ist diese Form der Energieerzeugung äußerst ineffektiv, die niedrige Effizienz der Photosynthese bedingt Flussdichten von weniger als 1 W pro Quadratmeter Pflanzenwuchsfläche. Ein starker weiterer Ausbau der Biomassenutzung kollidiert daher einfach mit den verfügbaren Anbauflächen (einschl. Nutzwälder), die „nebenbei“ bemerkt eher dazu dienen sollten, Menschen zu ernähren.

Die Erneuerbaren, die wirklich viel Wachstumspotential haben, dürften Wasserkraft – die in Europa nahe am maximal praktikablen Ausbaugrad steht, jedoch in Afrika und Asien noch stark vergrößert werden kann – direkt genutzte Solarenergie, Windkraft, Geothermie u. ä. sein. Jedoch ist die Wasserkraft natürlich an das Vorhandensein von Flüssen gebunden, die sonstigen Erneuerbaren tragen erst zu ca. 1 Prozent zur Weltenergieversorgung bei, und haben eben die oben bereits angesprochene Schwäche: Sie liefern sehr wenig Energie pro Quadratmeter Land (wenn auch deutlich mehr als Biomasse) bzw. pro Kilogramm Material und Stunde menschlicher Arbeit. Eine starke weltweite Steigerung ihrer Verfügbarkeit wird hierdurch entscheidend gehemmt.

Was nun „advanced nuclear“ (Generatio IV) angeht: Diese sitzt in den Startlöchern, Brutreaktoren sind bislang selten, aber experimentell umfassend getestet und für praktikabel befunden. Es stimmt, dass sie momentan weniger verbreitet sind als Wind- oder Solarparks. Dies ist offensichtlich kein Argument gegen ihren weiteren Ausbau sondern dafür. Es wird Zeit, dass die stärkste postfossile Quelle ihr wahres Potential ausspielt.

„But the main question around nuclear power is not answered by this visually compelling and interesting film Pandora’s Promise: what if this is an example of a technology that people just cannot handle due to its complexity and unforgiving nature as well as its inability to gain widespread social acceptance?“

In passiv-aggressivem Tonfall gestellte rhetorische Fragen entsprechen keinesfalls den Regeln dialektischer Redlichkeit. Was soll „just cannot handle“ bedeuten? Was können Menschen denn „handeln“, was nicht? Angesichts der zahllosen Verkehrsopfer könnte jemand auf den Einfall kommen, Menschen könnten private Kraftfahrzeuge nicht „handeln“. Die geringen Schäden durch Kernkraftwerke, die durch sie vermiedenen Schadstoffemissionen, sprechen eher in hohem Maße für ihre „Handelbarkeit“. Ohne Denglisch: Ein ordentlich gebauter Kernreaktor mit negativem Temperaturkoeffizienten und passiver Sicherheit ist zwar eine komplexe Maschine, die der Bedienmannschaft aber durchaus Fehler verzeiht, ja sogar mit einem kompletten Ausfall des Kühlsystems klarkommt. Und wenn die Abwesenheit sozialer Akzeptanz den großflächigen Einsatz der Technik verhindert? Dann findet die Menschheit vorläufig nicht aus dem Flaschenhals aus Klimawandel, Energieknappheit, Armut und Ressourcenkonflikten heraus, und dies kann sich niemand wünschen. Wir müssen die Technik perfektionieren und an der sozialen Akzeptanz arbeiten. Dies muss kein Film explizit aussprechen. Denkende Menschen mit wissenschaftlichen Grundkenntnissen sollten fähig sein, selbst darauf zu kommen.

Über die Nuklearia

Die Nuklearia ist ein gemeinnütziger, industrie- und parteiunabhängiger eingetragener Verein, der die Kernenergie als Chance begreift und darüber aufklären will. Wir sehen die Kernkraft als besten Weg, die Natur und das Klima zu schützen und gleichzeitig unseren Wohlstand zu erhalten. Denn Kernenergie ist emissionsarm, braucht sehr wenig Fläche und steht jederzeit zur Verfügung. Unser Ansatz ist wissenschafts- und faktenbasiert, unsere Vision humanistisch: erschwingliche und saubere Energie für alle.

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