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Im chinesischen Kernkraftwerk Taishan geht der weltweit erste EPR in Betrieb

Von Dirk Egelkraut und Rainer Klute

Am 6. Juni 2018 war es endlich soweit: Block 1 des chinesischen Kernkraftwerks Taishan leitete seine erste kontrollierte nukleare Kettenreaktion ein. Mit dem EPR Taishan 1 ist nach dem 2016 in Betrieb gegangenen russischen WWER-1200 nun das zweite Reaktormodell der Generation III+ in Betrieb.

Gleichzeitig bricht dieses im Fachjargon auch als »Erstkritikalität« bezeichnete Ereignis den Trott, in dem der französische Reaktorbauer Framatome (früher: Areva NP) seit Jahren steckte.

Mehr Effizienz bei höherer Sicherheit

Der EPR ist ein Druckwasserreaktor und Framatomes Flaggschiff. Bei einer elektrischen Leistung von 1600 bis 1750 Megawatt (MW) ist der EPR einer der weltweit leistungsstärksten Reaktorblöcke, die derzeit vermarktet werden. Taishan 1 liegt mit 1750 MW am oberen Ende der Skala und wird nach seiner Anbindung ans Netz der leistungsstärkste Kraftwerksblock in der Geschichte der Stromerzeugung sein.

Der EPR entstammt ursprünglich der Zusammenarbeit zwischen Siemens und Framatome in den 1990er Jahren und basiert auf dem französischen N4 und den deutschen Konvoi-Anlagen. Mit dem neuen Reaktormodell kamen zusätzliche Sicherheitseinrichtungen und -optimierungen hinzu. Dazu zählen der Kernfänger unterhalb des Reaktordruckbehälters, der die Auswirkungen einer Kernschmelze auf die Anlage beschränkt, das Doppel-Containment sowie die gebunkerten Hilfssysteme der Reaktoranlagen. Eine vierfache Redundanz der Systeme stockt die Sicherheit der Anlage zusätzlich auf.

Hohe Kosten der ersten EPR-Anlagen

Das große Problem des EPR ist jedoch, dass dieses reichhaltige Set an Sicherheit die Anlage komplexer, schwieriger zu bauen und teurer macht. Erschwerend kommt der jahrzehntelange Stillstand im Reaktorbau hinzu. Viele Projektmanager und Ingenieure sind im Ruhestand und haben Know-how und Erfahrung mitgenommen. Das müssen die Unternehmen nun mühsam wiederaufbauen, was viel Zeit und Geld verschlingt. Jahrelange Verzögerungen bei den Erstanlagen in Olkiluoto (Finnland) und Flamanville (Frankreich) machen das mehr als deutlich. Teuer werden auch die beiden EPR-Reaktorblöcke im britischen Kernkraftwerk Hinkley Point C, was allerdings zu einem guten Teil der sehr speziellen Situatiuon im Vereinigten Königreich geschuldet ist.

Das Kernkraftwerk Taishan konnte jedenfalls aus den Problemen beim Bau der Anlagen in Olkiluoto und Flamanville lernen und viele Fehler vermeiden. Im Ergebnis liegen die Mehrkosten nur geringfügig über den ursprünglich angesetzten 8 Milliarden Euro für zwei Blöcke. Und mit einer Bauzeit von unter neun Jahren vom Baubeginn bis zur Erstkritikalität gerechnet, hat Taishan 1 immerhin die viel früher begonnenen Olkiluoto 3 und Flamanville 3 deutlich überholt.

Der zweite EPR in Taishan soll im nächsten Jahr in Betrieb gehen. Auch Olkiluoto 3 und Flamanville 3 sind nicht mehr weit von der Inbetriebnahme entfernt.

Das Kernkraftwerk Taishan

Der Standort Taishan wurde 1992 für den Bau eines Kernkraftwerks erkundet. 2004 schrieb man den Bau eines Kernkraftwerks international aus, und 2007 wurde mit Areva der Vertrag für den Bau von zwei EPR mit Kosten von knapp 8 Milliarden Euro unterzeichnet. An der Betreibergesellschaft ist auch der französische Energieversorger EdF mit 30 Prozent beteiligt.

Für die Anlage wurde eine für den chinesischen Kunden angepasste EPR-Variante mit der Bezeichnung CEPR (Chinese EPR) entwickelt. Im Gegensatz zum Standard-EPR erzielt der CEPR durch höhere Primärkreistemperaturen eine größere Leistung. Die Automatisierung wurde an chinesische Wünsche angepasst.

Für das Kernkraftwerk Taishan ist der Bau zweier weiterer Blöcke geplant. Eine Entscheidung darüber, ob dies ebenfalls EPR sein werden, steht aber noch aus. Die chinesische Seite zeigte sich eher unzufrieden über den langen Bauzeitraum.

EPR-NM soll Kostenproblem lösen

Der EPR liegt mit seiner Leistung von 1600 MW und darüber oberhalb der von Konkurrenzanlagen wie WWER-1200 oder AP1000. Diese hohe Leistung erfordert zudem eine entsprechend robustes Netz, um einen ungeplanten Ausfall dieses Energieerzeugers kompensieren zu können.

Um diese Probleme zu lösen und um die Kosten zu senken, entwickelt Framatome derzeit den EPR-NM. Er soll ab 2025 bis 2035 die älteren Reaktoren der 900-MW-Klasse in Frankreich ersetzen. Bei gleicher Leistung wie der EPR werden die Sicherheitseinrichtungen optimiert und auf das notwendige Maß reduziert. So ist nur noch ein einfaches statt eines doppelten Containments geplant, und anstelle von vier unabhängigen Sicherheitssträngen sollen drei reichen. Jeder einzelne davon ist in der Lage, einen schweren Unfall zu beherrschen.

EPR-Anlagen in aller Welt

LandAnlageNettoleistungBruttoleistungStatus
ChinaTaishan 11660 MW1750 MWInbetriebnahme
ChinaTaishan 21660 MW1750 MWBau
FinnlandOlkiluoto 31600 MW1700 MWBau
FrankreichFlamanville 31630 MW1720 MWBau
Vereinigtes KönigreichHinkley Point C 11630 MW1720 MWPlanung
Vereinigtes KönigreichHinkley Point C 21630 MW1720 MWPlanung
IndienJaitapur 11650 MW1740 MWPlanung
IndienJaitapur 21650 MW1740 MWPlanung

Quellen


Titelbild: Kernkraftwerk Taishan mit den Reaktorblöcken 1 (links) und 2. Quelle: Framatome



Über die Nuklearia

3 Antworten

  1. Wo gibt es noch Kunden und Standorte für diese „Saurier“? Bedarf gilt es eigentlich nur noch in Schwellen- und Entwicklungsländern, aber da sind sie wegen unzureichender Netze zu groß und zu teuer. Eine Reduzierung von Bauzeit und Kosten ist nicht zu erwarten, denn für eine Serieproduktion ist die Stückzahl zu klein. Man muss auch bedenken, dass sich bei einer so langen Bauzeit die Kosten durch aufgelaufene Zinsen nahezu verdoppeln !
    Meines Erachtens gehört die Zukunft dem SMR, der in einer Fabrik in Serie gebaut und in Modulen zur Baustelle transportiert wird. Wenn man ihn in der Nähe von Wohn- und Gewerbegebieten baut, was psychologisch wegen der kleinen Maße viel leichter ist als ein Megakraftwerk, kann man seine Wärme auch besser nutzen. Die Installation an der Baustelle dürfte innerhalb eines Jahres möglich sein – auch die Nachrüstung mit einem zweiten Reaktor zur Anpassung an wachsenden Bedarf.
    Bisher kenne ich nur den NuScala, der offensichtlich für diesen Markt entwickelt wurde. Wer kommt noch in Betracht ?

  2. Viel zu wenig ist in der breiten Bevölkerung bekannt, dass das Endlagerproblem grundsätzlich gelöst ist bei Reaktoren, die abgebrannte Brennelemente verwenden (BN 800?). Wie ist da eigentlich der Stand der Dinge? Kann man diesen einmal gut verständlich und mit nachvollziehbaren Quellenangaben zusammenfassend darstellen? Dies wäre eine ganz wichtige Argumentationshilfe für die Nutzung der Kernenergie!

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