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Sternmetalle

Mein in Entwicklung befindlicher utopischer Roman „Curiepolis“ erzählt die Geschichte des titelgebenden Zukunftsstaates, eine Republik der Genies, die auf künstlichen Plattformen im Westpazifik errichtet wird, und davon ausgehend die Geschichte der terragenen Intelligenz im Universum bis in fernste kosmologische Zukunft — denn anders als in der „Gelehrtenrepublik“ von Arno Schmidt, die eine wichtige Inspirationsquelle für mich ist, gehen die Curiepolitaner nicht an ihren eigenen Schwächen und der Spaltung in zwei verfeindete Lager zugrunde, sondern sind in ihren Absichten geeint! Doch sie kümmern sich nicht nur um sich selber, sondern helfen auch anderen Menschen. Der folgende Text ist ein Auszug aus dem Roman.

Abend in abgelegenem Dorf im östlichen Angola, nahe der sambischen Grenze. Die schwere, heiße, tropische Sonne nähert sich dem Hügelkamm, wird sanfter, rötlicher. Samuel Ngoro, zwölf Jahre, verlässt das Haus seiner Familie. Noch vor zehn Jahren lebten sie in einer strohgedeckten Lehmhütte, jetzt in einem zweigeschossigen Haus aus Beton und Aluminium mit großen Glasfenstern, unter Beibehaltung der kreisrunden Symmetrie und des kegelförmigen Dachs. Samuel muß für die Schule einen Aufsatz über Konstantin Ziolkowski schreiben. Unter dem Arm trägt er einen kastenförmigen Apparat mit blauem Kunststoffmantel, auf den ein orangefarbenes Blitzsymbol aufgedruckt ist. Er beeilt sich, denn das Dorf zu verlassen ist nach Einbruch der Dämmerung nach wie vor gefährlich – Löwen, Hyänen.

Am Rande des Dorfes befindet sich ein kleines Gebäude, eigentlich eher ein Container, ebenfalls blau lackiert mit orangefarbenem Blitz- sowie einem Wassertropfensymbol. Die Eingangstür des Containers gleitet summend auf, als Samuel seine Hand auf einen Sensor legt. Er betritt den engen, etwas stickigen, nach Plastik und schwach ionisierter Luft riechenden Raum. Es könnte die automatische Schalterhalle einer modernen Bank sein, doch das ist es nicht. Niemand zahlt hier Geld ein oder hebt welches ab. Zwei Säulen, eine mit Blitz, eine mit Wassertropfensymbol versehen, stehen nebeneinander in der Mitte des Raumes. Samuel schraubt den Verschluss am Vorderende seines Kastens auf, zieht ein elektrisches Kabel mit Steckkontakt heraus, stöpselt es in die Säule mit dem Blitz. Er beobachtet die Ladeanzeige seines Akkumulators – denn darum handelt es sich bei dem Kasten – Pixel um Pixel kriecht der Balken über den LCD-Schirm.

Draußen werden die Schatten der Bäume länger, schwärzer. Eine große tropische Fledermaus segelt lautlos vorüber, von weither schallen die heiseren Schreie der Paviane, die sich um den besten Platz auf dem Schlaffelsen prügeln. Ein kristallhell strahlender Stern bricht durch das weiche dunstige Himmelsviolett. Samuel weiß, dass es sich um die Venus handelt, er kennt die Aufnahmen der sowjetischen Landesonden aus den 1970ern und die Pläne, eine dauerhafte bemannte schwebende Station nach dem Prinzip eines Zeppelins in ihrer Atmosphäre zu errichten. Er würde gerne an einer solchen Expedition teilnehmen. Dazu muss man, dass weiß er, die Gesetze der Himmelsmechanik genau kennen. Die Ladeanzeige des Akkumulators berührt hundert Prozent. Er stöpselt den Apparat aus und läuft hastig ins Dorf zurück, wo er, seine Schreibtischlampe und seinen Laptop an den Akkumulator anschließend, seinen Aufsatz über Ziolkowski beginnt.

Als Jugendlicher bewarb Konstantin Ziolkowski sich um eine Stelle in einer Fabrik. Der Direktor war überzeugt, ein Perpetuum Mobile erfunden zu haben – Konstantin entdeckte sofort den Fehler in der Konstruktion, was den Direktor so empörte, dass er den Jungen hinauswarf. Vor zehn Jahren, das hat Samuels Vater ihm erzählt, ereignete sich im Dorf ein Fall, zugleich ähnlich und genau umgekehrt: Deutsche kamen mit schweren Geländewagen angerumpelt, gaben sich sehr pompös, wollten dem Dorf eine Solaranlage spendieren: „Damit Sie immer Elektrizität haben!“ Der Schullehrer hat sich den Vorschlag angesehen, einige Rechnungen durchgeführt und die Deutschen dann hinausgeworfen: „Es reicht mit etwas gutem Willen für ein Fünftel unserer Einwohner, und auch nur für den Betrieb von Stablampen. Die Wasseraufbereitungsanlage, die wir dringend benötigen, verbraucht mehr als dreimal soviel Energie.“ Jetzt haben sie Energie für Laptops und Lampen und – sobald das Stromnetz fertiggebaut ist – sogar für Klimaanlagen. Bis in jedem Haus ein Stromanschluss aus der Wand schaut, ist noch etwas Arbeit nötig. Bis dahin können sie Elektrizität und sauberes Wasser an der Station am Dorfrand zapfen wann immer sie wollen.

Einige Monate nach den Deutschen kam eine Gesandtschaft der Curiepolitaner ins Dorf – mit einem eigenartigen fliegenden Gefährt, „das brummte wie eine Hornisse – aber es war kein Helikopter, nein, kein großer donnernder Rotor obendrauf, sondern viele kleine außenherum, die surrten wie Insekten“ – so Samuels Vater. Die Curiepolitaner diskutierten lange mit dem Bürgermeister, dem Lehrer und anderen Einwohnern. Zuerst erschreckte der Vorschlag, den sie machten, die meisten. Dann sah man ihn sich genauer an, diskutierte lange bis in die Nacht – den Curiepolitanern schmeckte das Palmbier, doch wirklich betrunken wurden sie nicht – und schließlich schien die Idee abenteuerlich aber zugleich sehr vernünftig und man schlug ein.

Einige Wochen später erschien ein silbernes Ei am Himmel, es war ein gigantischer Frachtzeppelin, der verschiedene Maschinen absetzte, Bau- und Grabroboter auf Raupenketten. Am Rande des Dorfes gruben die Maschinen einen tiefen Schacht senkrecht in die Erde. Der Zeppelin flog davon, mit kaum hörbarem Brummen seiner Impeller, in Richtung Küste, wo, so sagte man, bei Luanda ein curiepolitanischer Unterseefrachter liege. Als er wiederkehrte, verharrte er, ein blinkenden glattes pralles Etwas vor dem gleißenden Mittagshimmel, wie aus einem bizarren Traum, direkt über dem ausgehobenen Schacht und senkte einen großen stählernen Zylinder hinab. Die Maschinen schaufelten Geröll und Erdreich darauf bis der Schacht wieder gefüllt war, und nur noch zwei Rohre heraussahen: Ein dünnes aus Kunststoff, das zwei dicke Kupferkabel enthielt und ein dickes aus Stahl aus dem sich glutheißer Dampf ziehen ließ. Kabel und Dampfrohr verband man mit dem Container, den der Zeppelin als letztes herabließ.

„Sie gaben uns einige Laptops mit Lehrvideos, Dokumentation und Bücher, die die, die schon lesen konnten, studierten. Wir fingen an, uns ein ungefähres Bild davon zu machen, wie ein Kernreaktor, ein Laufwellenreaktor in diesem Fall, arbeitet. Wie eine Batterie, aus der man Energie entnimmt, wenn man sie braucht, nur dass die Energie sehr alt ist, sie stammt von berstenden Sternen, die existierten lange bevor es die Erde gab. Entnimmt man Elektrizität an der Ladestation, startet man die Anlage die Wasser aus der Tiefe heraufzieht und unser Abwasser mit heißem Dampf reinigt, dann wird der Reaktor lebendig, verwandelt Sternmetalle in Energie. Lassen wir ihn in Ruhe, dann schläft er ein, wird inaktiv, bis wir ihn wieder brauchen. Das ist alles sehr klug gemacht. Wir haben damals richtig gewählt.“ Samuel versteht das alles bislang nur teilweise, aber der Schulmeister hat versprochen, im nächsten Jahr etwas über Kernphysik zu erzählen: „Sobald ich es mir selbst beigebracht habe.“

Fünfzig Jahre wird der Reaktor im Boden liegen und arbeiten, dann werden die Curiepolitaner ihn wieder ausgraben und nach Ägypten bringen, wo sie etwas haben, was sie eine Energiebotschaft nennen. In der Botschaft wird man den erschöpften Reaktor zerlegen und das Material in ihm trennen in das, was noch nutzbar und anderes, was endgültig verbraucht ist. Zugleich wird man einen neuen Reaktor anliefern. Bis dahin möchte Samuel aber längst auf der Venus sein.

Über die Nuklearia

Die Nuklearia ist ein gemeinnütziger, industrie- und parteiunabhängiger eingetragener Verein, der die Kernenergie als Chance begreift und darüber aufklären will. Wir sehen die Kernkraft als besten Weg, die Natur und das Klima zu schützen und gleichzeitig unseren Wohlstand zu erhalten. Denn Kernenergie ist emissionsarm, braucht sehr wenig Fläche und steht jederzeit zur Verfügung. Unser Ansatz ist wissenschafts- und faktenbasiert, unsere Vision humanistisch: erschwingliche und saubere Energie für alle.

2 Antworten

  1. Vielen Dank für diesen Abschnitt. Nach dem Lesen stellen sich dann doch einige Fragen:
    * Wo hat dieser „Geniale Erfinder“ das Geld für seinen Zukunftsstaat her? Ist es vielleicht doch eher ein ordinärer Kapitalist wie Bill Gates?
    * Wie ist dieser Zukunftsstaat intern organisiert? Wenn man die heutigen Seasteading-Konzepte betrachtet, sicherlich nicht demokratisch.
    * Wenn ich dich richtig verstehe, möchtest du jedes kleine Dorf mit einem Atomreraktor ausstatten. Ist das nicht doch etwas übertrieben? Wäre es nicht ökonomischer, einen großen Reaktor zu bauen, meinetwegen auch im Laufwellen-Design?

    1. Danke für den Kommentar und die Fragen! 😉

      Die erste und zweite möchte ich… jetzt noch nicht beantworten, denn sie werden im Buch zur Sprache kommen, wenn es fertig ist. Da will ich im Vorab nicht zuviel spoilern! 😉 Zur Zeit (Juli 2016) stehen rund 90% des Rohtextes, den ich jedoch noch minutiös überarbeiten muss.

      Es sei jedoch bemerkt, dass man zum Errichten eines Staates ursächlich gar kein Geld benötigt, sondern Materie, Energie und Arbeitsleistung (nicht zwingend menschliche).

      Autonome Mini-Kernreaktoren sind eine Option für abgelegene Gegenden, in denen es noch kein Stromnetz gibt. Dort, wo bereits ein Netz vorhanden ist, sind natürlich große Energiestationen im Gigawatt-Bereich viel ökonomischer! Das sind die curiepolitanischen Energiebotschaften, die auch das Recycling der Mini-Reaktoren übernehmen.

      Wenn du gerne ein Buch lesen möchtest, bevor mein „Curiepolis“ fertig ist, empfehle ich dir „Prescription for the Planet“ von Tom Blees: http://www.thesciencecouncil.com/pdfs/P4TP4U.pdf (pdf zum kostenlosen Download), darin wird ein ähnliches Konzept entwickelt.

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