Während eine stabile Mehrheit der Deutschen zurück zur Kernkraft will, schürt der öffentlich-rechtliche Rundfunk weiter Ängste. So Harald Lesch in seinem aktuellen Video, in dem er die »ewige« Gefahr des Atommülls durch ein Strohmann-Argument zu stützen versucht. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass man Atommüll, der älter ist als 600 Jahre ist, essen müsste, um davon krank zu werden.
Atommüll aus Kernreaktoren ist ein Gefahrenstoff und muss sicher aufbewahrt werden – das bestreitet niemand, der bei Verstand ist. Allerdings ist auch richtig: Nach Ablauf von etwa 600 Jahren müsste der Atommüll in den Körper gelangen, damit man davon krank wird. Denn Beta- und Gammastrahlung sind zu diesem Zeitpunkt weit abgeklungen, und die verbleibende Alphastrahlung ist so schwach, dass sie die Hautbarriere nicht durchdringen kann. Man müsste den Müll also essen oder einatmen, um zu Schaden zu kommen. Da der Müll aber ein metallischer Feststoff ist, der üblicherweise in Glas eingeschmolzen ist oder in einer Keramikmatrix steckt, ist das – vorsichtig ausgedrückt – unwahrscheinlich.
»Ewig gefährlicher« Müll: beliebteste Erzählung gegen Kernkraft
So weit, so klar. Allerdings ist die Erzählung vom »ewig gefährlichen« Atommüll seit Jahrzehnten das beliebteste Argument gegen die Kernkraft. Harald Lesch, Deutschlands bekanntester gebührenfinanzierter Atomkritiker, hat nun versucht, das oben skizzierte Argument zu zerpflücken. Er greift dafür zum beliebten Strohmann-Trick – er reagiert also nicht auf das Original-Argument (»Müsste man nach Ablauf von 600 Jahren essen …«), sondern konstruiert ein ähnlich klingendes Argument, das leicht zu widerlegen ist, nämlich: »Müsste man nach Ablauf von einigen Jahrzehnten essen …«. Das ist natürlich Unsinn. Das schwache Strohmann-Argument widerlegt er, indem er darauf verweist, dass die schnell zerfallenden Spaltprodukte auch Betastrahler enthielten. Diese könnten auch von außen Schäden verursachen und krank machen. Wir finden: Ein ziemlich billiger Trick, der leicht zu durchschauen ist – denn auch die Betastrahler sind nach etwa 600 Jahren abgeklungen.
Es bleibt dabei: Atommüll, der älter ist als 600 Jahre, müsste man in den Körper aufnehmen, um davon krank zu werden.
Selbstverständlich muss auch über einen Zeitraum von 600 Jahren hinaus sichergestellt sein, dass die Alphastrahler nicht Trinkwasser oder Nahrung vergiften können – genau wie auch bei »normalem« Sondermüll. Hier wie dort geschieht das durch geeignete Lagerstätten, also Sondermülldeponien oder eben »Endlager«. Die technische Herausforderung ist dieselbe. Eine andere Möglichkeit ist, die Abfälle unschädlich zu machen. Im Fall der Alphastrahler, insbesondere Plutonium, ist das durch Wiederaufbereitung und Recycling als Kernbrennstoff möglich.
Wer sich das Video antun will (wir haben gewarnt!) findet es hier. Der mit Abstand beliebtese Kommentar darunter ist übrigens sehr reflektiert pronuklear: »Man kann trotz der Risiken der Kernenergie durchaus zu der Schlussfolgerung kommen, dass sich das Risiko lohnt. Grüne in Finnland z.B. befürworten die Kernenergie, weil für sie die Themen Klimawandel und CO2-Einsparung schwerer wiegen als die Auswirkungen des Atommülls.« Ein Like dafür von uns.
Hintergrund
Das folgende Diagramm zeigt, wie stark die Alpha-, Beta- und Gammastrahlung eines gebrauchten Brennelements im Laufe der Zeit abnehmen. Die Dosisleistung ist in Gray pro Stunde (Gy/h) angegeben. Gray ist eine Einheit für die Energie, die das umgebende Material durch die Strahlung aufnimmt.
Beide Achsen des Diagramms sind logarithmisch dargestellt, das heißt jede große Markierung entspricht einer Verzehnfachung der Zeit bzw. der Dosisleistung (z. B. 10 Jahre, 100 Jahre, 1.000 Jahre; die beiden roten, waagrechten Linien sind in unserem Kontext irrelevant).
Die Basisinfo zu den drei Strahlunsarten: Alphastrahlung kann nicht weit in Materie eindringen. Schon ein Blatt Papier oder eine dünne Schicht Haut reichen aus, um sie vollständig abzuschirmen. Alphastrahlung ist deshalb nur dann gefährlich, wenn der radioaktive Stoff in den Körper gelangt, z. B. durch Verschlucken oder Einatmen. Betastrahlung kann einige Millimeter tief in das Gewebe eindringen und ist daher gefährlicher als Alphastrahlung. Sie lässt sich aber relativ leicht mit Schutzmaterialien abschirmen, z. B. durch Glas, Metallfolie oder dicke Kleidung. Gammastrahlung ist gefährlichste Strahlungsart, da sie den Körper problemlos durchdringen kann. Zur Abschirmung braucht man dicke Bleischichten oder Beton. Auch Wasser eignet sich ausgezeichnet zur Abschirmung.
Das sieht man auf dem Diagramm: Beta- und Gammastrahlung aus gebrauchten Brennelementen nehmen relativ zügig ab. Nach etwa 600 Jahren haben sie ein Niveau erreicht, das als weitgehend unkritisch betrachtet werden kann. Man müsste schon eine erhebliche Zeit in der unmittelbaren Nähe eines Brennelements verbringen, um eine relevante Dosis aufzunehmen. Die Alphastrahlung bleibt im Vergleich zu Beta- und Gammastrahlung über einen sehr langen Zeitraum auf einem relativ hohen Niveau. Da Alphastrahlung von außen aber nicht in den Körper eindringen kann, stellt sie kein großes Risiko dar, solange sie nicht über die Nahrung, die Atemwege oder Wunden in den Körper gelangt.
Für die Sicherheit bedeutet das:
- Die Strahlungsgefahr durch Beta- und Gammastrahlung aus gebrauchten Brennelementen nimmt mit der Zeit schnell ab.
- Nach etwa 600 Jahren ist vor allem die Alphastrahlung noch relevant. Da sie aber nur dann gefährlich ist, wenn das strahlende Material in den Körper gelangt, ist ein Risiko durch gut verpackte und gelagerte Brennelemente praktisch ausgeschlossen.
Diagramm-Quelle: Shoesmith, David. Used Fuel and Uranium Dioxide Dissolution Studies – A Review, Nuclear Water Management Organization, July 2007
Foto: Willgard/pixabay