Steigende Energiepreise, hohe Emissionswerte und Abhängigkeit vom Ausland – das sind die wesentlichen Ergebnisse von zwei Jahrzehnten Energiewende mit Atomausstieg. Doch das energetische Desaster ist weder alternativlos noch unumkehrbar. Die Nuklearia skizziert einen Sieben-Punkte-Plan für den Wiedereinstieg.
Deutschland hat über 600 Milliarden Euro in die Energiewende gesteckt und im Ergebnis seine Energieversorgung schwer beschädigt: Nach über zwei Jahrzehnten Energiewende ist deutscher Strom schmutziger als in den meisten anderen Ländern Europas und so teuer, dass Industrien abwandern. Die Stromimporte aus den Nachbarländern sind so hoch wie nie zuvor.
Kernkraft gäbe uns die Chance, unseren Strom mittelfristig wieder zuverlässig, sauber und bezahlbar zu machen und so die Energiewende doch noch in einen Erfolg zu verwandeln. Doch wie kann der Wiedereinstieg gelingen? Die Nuklearia skizziert im Folgenden die wesentlichen Punkte, die eine verantwortliche Politik beachten muss.
1) Rückbau bremsen auf Landesebene
Auch wenn das Atomrecht in erster Linie eine Bundesangelegenheit ist, können Landesregierungen die Umsetzung der erteilten Stilllegungs- und Abbaugenehmigungen verzögern. Denn die Aufsichtsbehörde des Bundeslandes, in dem sich das jeweilige Kernkraftwerk befindet, muss jeden wesentlichen Rückbauschritt, jedes »Stillsetzungs- und Demontagevorhaben« freigeben – und das kann dauern. Auf diesem Weg könnten CSU und Freie Wähler in Bayern dazu beitragen, das Kernkraftwerk Isar 2 zu retten, bis die politischen Rahmenbedingungen auf Bundesebene günstiger geworden sind.
2) Rückbau stoppen auf Bundesebene
Der Bundestag kann die Zerstörung der vorhandenen Kernkraftwerke stoppen. Dazu müssten die Stilllegungs- und Abbaugenehmigungen der potenziell noch zu rettenden Anlagen ausgesetzt werden, und zwar durch ein eigenes Bundesgesetz bzw. eine Änderung des Atomgesetzes. Der Rückbaustopp sollte in diesem Fall gelten, bis die rechtlichen Grundlagen für eine Wiederinbetriebnahme geschaffen sind. Außerdem müsste der Bund Rahmenbedingungen schaffen, die Investitionen in Kernkraft wieder sicher machen. Dann müsste ergebnisoffen evaluiert werden, ob sich eine Wiederinbetriebnahme wirtschaftlich lohnt.
3) Neubau, Wiederinbetriebnahme und langfristigen Betrieb ermöglichen
Das Atomgesetz muss auch dahingehend geändert werden, den Bau neuer und die Wiederinbetriebnahme bestehender Kernkraftwerke zu erlauben. Zudem sollte die Betriebsdauer eines Kernkraftwerks nicht von starren gesetzlichen Fristen abhängen, sondern allein davon, ob man es sicher betreiben kann. Kerntechnische Anlagen werden nach geltenden Vorschriften regelmäßig überprüft, instandgehalten und nachgerüstet, sodass ein sicherer Betrieb über viele Jahrzehnte möglich und sinnvoll ist.
4) Neue Energie- und Klimapolitik
Die deutsche Energie- und Klimapolitik verfehlt alle ihre wesentlichen Ziele: Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und insbesondere den Klimaschutz. Allein die Versorgungssicherheit ist noch gegeben – allerdings nur durch klimaschädliche Kohle und Erdgas sowie Stromimporte aus den Nachbarländern. Deshalb brauchen wir einen pragmatischen, technologieoffenen Neuanfang. Das betrifft sämtliche Bereiche wie etwa staatliche Investitionen, Förderungen, Umlagen und Regulierungen im Bereich von Kernenergie, Energiespeichern, erneuerbaren Energien, Stromnetzinfrastruktur usw. Es muss diskutiert werden, inwieweit neue und wieder in Betrieb genommene Kernkraftwerke einen Beitrag zur Zukunft der deutschen Energiewirtschaft leisten sollen und was der Staat tun kann, um Neubauten und Wiederinbetriebnahmen von Kernkraftwerken den Weg zu ebnen.
5) Etablierte Reaktormodelle als Basis
Für ein Neubauprogramm ist es sinnvoll, zunächst auf etablierte und bewährte Reaktormodelle wie etwa den europäischen Druckwasserreaktor EPR zu setzen. Fortschrittlichere Reaktormodelle und Kleinreaktoren (SMR) stehen erst in einigen Jahren zur Verfügung; außerdem sind Kleinreaktoren pro Megawatt installierter Leistung heute noch teurer als Großreaktoren. In jedem Fall müssen staatliche Akteure die Entwicklungen im Bereich der Kernkraft genau im Auge behalten, um echte Verbesserungen durch neue Technologien zu erkennen und zu nutzen.
6) Förderung von Forschung, Entwicklung und wissenschaftlich-technischer Bildung in der Kerntechnik
Es ist äußerst wichtig, den Kompetenzverlust im Bereich der Kerntechnik zu stoppen. Universitäten und Forschungszentren, die Kerntechnik-Ingenieure ausbilden, müssen wieder großzügig ausgestattet werden. Geschlossene Lehrstühle müssen wieder eingerichtet, Forschungsprojekte und Versuchsanlagen gefördert werden. Das kann zu wesentlichen Teilen auch auf Landesebene erfolgen. Für eine Verbesserung der Forschung und Lehre im Bereich der Kerntechnik wären auch neue Forschungsreaktoren und Versuchskernkraftwerke sinnvoll. Auch sollte jeder Ingenieur, Physiker oder Chemiker im Lauf seines Studiums kerntechnische Lehrveranstaltungen besuchen können.
7) Reform der nuklearen Entsorgung
Das Thema der Atommüll-Entsorgung wurde in den vergangenen Jahrzehnten – insbesondere von den Grünen und ihnen nahestehenden Gruppen – politisch instrumentalisiert, um Ängste vor Kernkraft zu schüren. Die Endlagersuche wurde zum Bürokratiemonster: Heute arbeitet eine Behörde (BASE) mit mehreren hundert Mitarbeitern und eigenem Pressestab an der Suche nach dem »perfekten« Endlager – das frühestens 2074 gefunden sein soll. Dieser grotesk ineffiziente Prozess muss sofort ersetzt werden durch einen pragmatischen Ansatz, der die Abfallentsorgung frei von Ideologie, dafür verantwortlich, zielorientiert und wirtschaftlich anpackt. Atommüll kann sicher und relativ unproblematisch entsorgt werden. Andere Länder machen es vor.
Fazit: Werden diese sieben Punkte beherzigt, könnte Deutschland innerhalb weniger Jahre entscheidende Versäumnisse aufholen und Fehlentwicklungen wiedergutmachen. Unser Appell an alle Politiker und speziell an die Grünen: Fehler sind da, um zu lernen. Eine verantwortliche, pragmatische Energiepolitik ist möglich und nötiger denn je – und sie kommt Bürgern, Unternehmen und dem Klima gleichermaßen zugute.
Foto: Wokondapix/Pixabay
Editiert am 30.10.2024
3 Antworten
Ein Mix aus grundlastfähiger CO2-freier Atomenergie und PV-/Windenergie, die aber nur vergütet wird, wenn sie auch tatsächlich genutzt werden kann.
Statt mühsam nach einem Endlager für den hochradioaktiven Abfall zu suchen scheint es doch wesentlich sinnvoller, den derzeit angehäuften Bestand in Zwischenlagern für die nächsten 4-5 Jahrzehnte unterzubringen. So ließe sich auch die Option, diesen Abfall zu recyclen, besser offenhalten.
Wichtig scheint mir auch, den entwicklungstechnischen Weg für alternative Kernbrennstoff-Konzepte (Hochtemperatur; Kugelhaufen; Salzschmelzen stc. ) in Wissenschaft und Technik an den Hochschulen wieder verstärkt anzubieten und so neue Konzepte versuchsmäßig auszuloten.
Ich stimme Werner Frank zu 100% zu und fordere gleichzeitig Fa. Siemens dringend auf, die Abteilung für Kernenergie wieder aufzubauen und sich an solchen Firmen zu beteiligen, die Reaktortechniken entwickeln bzw. schon entwickelt haben.