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Atomausstieg: Grüne ignorierten eigene Experten

Das Magazin »Cicero« und der Journalist Daniel Gräber haben einen Rechtsstreit gegen das Bundeswirtschaftsministerium gewonnen und damit Akteneinsicht zu internen Vorgängen rund um den Atomausstieg erstritten. Seine Auswertung der Dokumente belegt, wie das grün geführte Wirtschaftsministerium Expertenmeinungen systematisch ignorierte und Ideologen das Steuer an sich rissen.

Deutschland legte letzten April, mitten in einer weltweiten Energiekrise, seine letzten Kernkraftwerke still. Wäre es nach den Grünen gegangen, wäre der Ausstieg sogar noch früher erfolgt, nämlich planmäßig zum Jahresende 2022 – obwohl klar war, dass die Energieversorgung im Winter nach dem Beginn des Ukrainekriegs höchst unsicher war. Der Krieg bewirkte auch, dass die Kernkraft selbst in Deutschland wieder als Option diskutiert wurde. Das grüne Herzensprojekt schien damit plötzlich gefährdet – was die ebenso entschiedene wie irrationale Ablehnung selbst einer kurzen Laufzeitverlängerung bis zum Ende des Winters erklären mag.

Die Akten aus dieser Zeit jedenfalls wollte das Wirtschaftsministerium tunlichst unter Verschluss halten. Das Argument: Der deutsche Sonderweg beim Atomausstieg müsse zukünftig »sowohl gesellschaftlich als auch gegenüber den internationalen und europäischen Partnern verteidigt werden.« Das überzeugte das Gericht nicht. Daniel Gräber erhielt Akteneinsicht und arbeitete sich wochenlang durch interne E-Mails, Vermerke, Briefe und Gesprächsprotokolle. In seinem jetzt im Cicero veröffentlichten Beitrag belegt er, dass Stellungnahmen von Fachleuten, die explizit davor warnten, die Kernkraftwerke vor Ende des Winters stillzulegen, ignoriert oder sogar ins Gegenteil verkehrt wurden.

Experten gaben es schriftlich: Kernkraft hilft im Krisenwinter

So beauftragte die »Stromabteilung« des Wirtschaftsministeriums bereits Ende Februar 2022 eine schriftliche Stellungnahme bei internen Experten zu der Frage, ob eine Laufzeitverlängerung helfen könne, die Energiesicherheit im kommenden Winter zu erhöhen. Die vierseitige Antwort ist brisant, denn sie beantwortet die Frage auf mehreren Ebenen klar und fachkundig mit »ja«: Gerade winterliche Hochdrucklagen im Januar und Februar würden sehr hohe Strombedarfe schaffen, die nicht durch Sonne und Wind gedeckt werden könnten. Außerdem sei unklar, ob genug Erdgas eingespeichert werden könne, um den hohen Verbrauch von Industrie und zur winterlichen Wärmeversorgung zu decken. Zudem sei es »äußerst risikoreich«, die Stromerzeugung aus Erdgas (…) ausschließlich durch die zusätzliche Stromerzeugung aus Reserven und bereits stillgelegten Kohlekraftwerken zu decken. Selbst die positiven Auswirkungen einer Laufzeitverlängerung erwähnen die Experten in ihrer Stellungnahme ausdrücklich, indem sie erklären, wie der günstige Atomstrom teurere Arten der Stromerzeugung vom Markt verdrängt.

Das Dokument beweist, dass es innerhalb des Ministeriums explizite und gut begründete Bedenken gegen den Atomausstieg gab, die schlicht ignoriert wurden. Mindestens so brisant ist aber der Umstand, dass Robert Habeck, glaubt man seiner Pressestelle, es nie zu Gesicht bekam. Angeblich lag das Papier nur Patrick Graichen vor, dem Staatsekretär, der wegen der Trauzeugenaffäre nicht länger haltbar war und im Mai 2023 von Habeck entlassen wurde.

Aussagen von Fachleuten wurden ins Gegenteil verkehrt

Nicht nur im Wirtschaftsministerium, auch im Bundesumweltministerium von Steffi Lemke wusste man laut Gräbers Recherchen zu verhindern, dass Fachleute gehört wurden. Ein internes Dokument, das von zwei Referenten und einem Referatsleiter gezeichnet ist, beschreibt den Weiterbetrieb der damals noch laufenden Kernkraftwerke über Jahre als »mit der Aufrechterhaltung der nuklearen Sicherheit vereinbar«. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, hatten sich die hausinternen Experten mit der deutschen Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) beraten. Doch der grüne Spitzenbeamte Gerrit Niehaus, Leiter der Abteilung S »Nukleare Sicherheit, Strahlenschutz« des Umweltministeriums, schrieb den Bericht, der ihm missfallen haben muss, kurzerhand um:

»Die Abteilung S (Nukleare Sicherheit, Strahlenschutz) kommt zu dem Ergebnis, dass die Verlängerung der Laufzeit der drei noch laufenden Atomkraftwerke über den gesetzlich festgelegten und planerisch zugrunde gelegten 31.12.2022 hinaus sicherheitstechnisch nicht vertretbar ist. (…) Eine Laufzeitverlängerung ist aus Gründen der nuklearen Sicherheit abzulehnen.«

Gräbers Verdienst ist es, die anmaßenden und autoritären Entscheidungsprozesse der beiden Ministerien, die fest in grüner Hand sind, aufgedeckt zu haben. Der Atomausstieg zeigt sich einmal mehr als rein ideologisches Projekt, durchgezogen von grünen Funktionären, die fachliche Argumente unterdrückten und nicht einmal davor zurückschreckten, die Sachaussagen von Experten ins direkte Gegenteil zu verdrehen. Das funktionierte, weil die Grünen, so Gräber, »über Jahrzehnte hinweg ein dichtes, filzartiges Netzwerk gebildet (haben), das die deutsche Energiepolitik beherrscht.«

Die nächste Bundestagswahl ist 2025, und die meisten Wähler mögen Filz nur am Pantoffel.

Foto: Cover Cicero

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