Die GreenTec Awards sind ein bedeutender Umweltpreis, der »ökologisches und ökonomisches Engagement und den Einsatz von Umwelttechnologien« fördern will. Schirmherr ist Bundesumweltminister Peter Altmaier; Medienpartner sind ProSieben und die Wirtschaftswoche. Potentielle Preisträger sollen »einen Beitrag dazu leisten, die Umwelt und Ressourcen im Sinne ökologischer Nachhaltigkeit zu schonen und Schadstoffe zu vermeiden und zu reduzieren.«
Im Rahmen eines Online-Votings wurde in jeder Kategorie eines der eingereichten Projekte durch das Publikum für die Endrunde nominiert. Zwei weitere Projekte wählte die Jury aus. Publikumsliebling in der Kategorie Energie wurde der Dual-Fluid-Reaktor, ein neuartiger Kernreaktor, der Atommüll als Brennstoff verwendet und neben Strom auch preisgünstigen Kraftstoff produziert.
Die GreenTec Awards setzten sich jedoch über dieses Votum des Publikums hinweg und ließen den Dual-Fluid-Reaktor nicht für die Endrunde zu. Um dies zu erreichen, wurden die Regel nachträglich abgeändert. Anders als zu Anfang heißt es jetzt: »Auswahl der Nominierten und Preisträger erfolgt letztendlich unabhängig durch die Jury der GreenTec Awards, der Rechtsweg ist ausgeschlossen.«
Wir meinen:
Eine nachträgliche Regeländerung zur »Korrektur« des offenbar unbequemen und unerwünschten Ergebnisses des Online-Votings ist unzulässig.
Wir fordern:
Akzeptieren Sie das Ergebnis des Online-Votings, machen Sie die Denominierung des Dual-Fluid-Reaktors rückgängig, lassen Sie ihn für die Endrunde zu!
Der folgende Offene Brief erläutert den Jury-Migliedern der GreenTec Awards, inwiefern der Dual-Fluid-Reaktor hervorragend zu den Zielen der GreenTec Awards passt. Er fordert die Juroren dazu auf, das Publikumsvotum zu respektieren und den Dual-Fluid-Reaktor für die Endrunde zuzulassen.
Wir bitten alle Interessierten, den Offenen Brief mitzuzeichnen. Das kann bequem online geschehen und zwar mit dieser Petition.
Offener Brief an die Juroren der GreenTec Awards
Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr,
umweltfreundliche Technologien, durch die sich die Menschheit weiterentwickeln kann, werden integraler Bestandteil jeder modernen Volkswirtschaft des 21. Jahrhunderts sein. Daher sind Initiativen wie die GreenTec Awards sehr zu begrüßen. Vielen Dank, dass Sie den Wettbewerb durch Ihr Mitwirken in der Jury unterstützen!
Im Rahmen des Auswahlverfahrens kam es jedoch zu einigen Unregelmäßigkeiten, die unserer Ansicht nach dem Geist des Wettbewerbs entgegenlaufen: Die Regeln wurden nachträglich verändert, so dass das Projekt Dual-Fluid-Reaktor (DFR) ausgeschlossen werden konnte, obwohl es die Teilnehmer des öffentlichen Internet-Votings in seiner Kategorie klar auf Platz 1 gewählt hatten. Dies wurde damit begründet, das Projekt sei »nicht umweltfreundlich und zukunftsweisend«. Bei Diskussionen im Internet kam es sogar zu umfangreichen Löschungen sachlicher und höflich formulierter Kommentare durch die Greentec Communications GmbH.
Es lässt sich aber zeigen, dass der DFR außerordentlich gut in das Konzept der GreenTec Awards passt, umweltfreundliche Technologien zu propagieren. Der DFR fußt auf einer in den 1960er Jahren in den Vereinigten Staaten experimentell ausführlich getesten Technologie: dem Flüssigsalzreaktor [1]. Der DFR stellt eine Weiterentwicklung dieses Systems dar, durch die diverse Begrenzungen und Einschränkungen des Originalkonzeptes wegfallen – gemäß des GreenTec-Awards-Ansatzes, Bestehendes zu Neuem zu verbinden.
Der Flüssigsalzreaktor ist kein exotisches, theoretisches, unbewiesenes Konzept. Die Ergebnisse des am Oak Ridge National Laboratory durchgeführten Molten Salt Reactor Experiments sind ausführlich und öffentlich dokumentiert [2]. Leider entschieden sich damals die Politiker aus verschiedenen Gründen dafür, stattdessen die heute weltweit verbreitete Leichtwasserreaktortechnik mit ihren Nachteilen zu unterstützen. [3]
Vor wenigen Jahren jedoch hat sich eine internationale, in Deutschland bislang kaum beachtete Graswurzelbewegung gebildet, ein lockerer, von Konzernen und Regierungen unabhängiger Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Aktivisten [4, 5], die den Flüssigsalzreaktor aus der Schublade vergessener Konzepte herausgeholt haben [6] und ihn zur Lösung drängender Zivilisationsprobleme einsetzen möchten: Klimawandel, Atommüll, nukleare Proliferation, Energie-, Trinkwasser- und Ressourcenknappheit.
Es gibt verschiedene Ansätze, den Flüssigsalzreaktor zu kommerzialisieren. Der DFR befindet sich da in guter Gesellschaft. Zu nennen sind beispielsweise der WAMSR (Waste Annihilating Molten Salt Reactor) [7] von Transatomic Power, einem Spin-Off des MIT, der Liquid Fluoride Thorium Reactor (LFTR) von Flibe Energy [8] oder das tschechisch-australische Molten-Salt-Reactor-Projekt [19]. Ebenso verfolgen Russland, China und Indien ehrgeizige Forschungsprogramme in diesem Bereich. Alle diese Projekte basieren auf demselben physikalischen Prinzip, dessen Vorteile in der Fachwelt weltweit diskutiert und bekannt sind. Die gelten natürlich auch für den DFR.
Besonders wichtig: die Sicherheit. Dafür sorgen im DFR nicht etwa aktive Komponenten, die ausfallen könnten. Vielmehr beruht die Sicherheit auf physikalischen Eigenschaften des Systems, auf Naturgesetzen, welche niemals ausfallen können, sondern auf die immer und überall Verlass ist.
Die deutschen Kernkraftwerke, die bis 2022 abgeschaltet werden sollen, beruhen ausnahmslos auf herkömmlichen Leichtwasserreaktoren. Diese Technik hinterlässt große Mengen radioaktiver Abfälle. Besonders problematisch sind die gebrauchten Brennelemente, weil sie hochradioaktive und langlebige Substanzen enthalten. Hier kommt der DFR ins Spiel: Er kann die langlebigen Bestandteile des Atommülls (beispielsweise Plutonium) mit Hilfe schneller Neutronen recyceln [9] und in solche Stoffe umwandeln, deren Radioaktivität sehr viel schneller abklingt. Statt eines Endlagers »für die Ewigkeit« ist nur noch eine Lagerung für ein paar hundert Jahre nötig – weit eher mach- und durchsetzbar. Dasselbe Prinzip lässt sich übrigens auch zur Zerstörung von Plutonium aus Kernwaffen und somit zur Abrüstung einsetzen [16]. Über solche Reaktorkonzepte wurde im Rahmen des deutschen Atomausstiegs nicht diskutiert.
Flüssigsalzreaktoren sind in diesem Sinne »Putzexperten« – sie können mit den Abfällen herkömmlicher Kernkraftwerke betrieben werden, ohne dass neues Uran in Minen abgebaut werden muss. Auch Abfälle der Windkraftindustrie können genutzt werden. Denn die in vielen Windkraftanlagen verbauten Neodymmagnete hinterlassen bei der Gewinnung ihrer Rohstoffe große Mengen radioaktiven Thoriums [17, 18]. Dieses Thorium können Flüssigsalzreaktoren wie der DFR umweltfreundlich entsorgen, indem sie es als Brennstoff nutzen.
Mehr zu Flüssigsalzreaktoren in den Büchern »Superfuel« von Richard Martin [14] und »Thorium – energy cheaper than coal« von Robert Hargraves [15].
Durch seine einzigartige Kombination von hoher Betriebstemperatur, radiologischen Eigenschaften und Stromerzeugung ermöglicht der DFR eine Fülle wichtiger umwelttechnischer Verfahren und Industrieanwendungen. So lassen sich durch Wärmeauskoppung und strahlungsinduzierte Synthese wichtige Rohstoffe synthetisieren [10, 11]. Hohe Stromdichten ermöglichen neue Recyclingformen in Abfall- und Biomassenutzung [12]. Nicht zuletzt lässt sich so umweltfreundlicher und klimaneutraler Treibstoff erzeugen – aus atmosphärischen Gasen wie Stickstoff und CO2 mittels Hydrazin- und Methanolsynthese. Und das nicht nur für Autos, sondern auch für Flugzeuge und Schiffe, für die ein Elektroantrieb keine Alternative darstellt. Der DFR bricht hier nicht nur mit der Abhängigkeit vom Öl, sondern nutzt auch noch das Treibhausgas CO2 und entzieht es der Umwelt.
Dies alles beruht auf einer heute prinzipiell verfügbaren Technologie. Der Flüssigsalzreaktor ist einer der sechs prinzipiellen Reaktordesigns, die das internationale Generation-IV-Forum, ein kooperatives Wissenschaftsgremium, anvisiert [13].
Zukunftsträchtige Technologie, entwickelt durch ein hiesiges Forschungsinstitut: das ist ein Glanzlicht für Deutschland! Die DFR-Konzepte befinden sich im internationalen Patentverfahren, wurden auf einer internationalen Konferenz der IAEA vorgestellt und stießen dort auf großes Interesse [10].
Es stünde den GreenTec Awards gut an, den DFR in seiner Kategorie wieder unter den Nominierten zu listen und zur Endauswahl zulassen. Das wäre nicht nur sachgerecht, sondern nähme auch die zahlreichen Menschen wieder ernst, die den DFR im Online-Voting zu ihrem Favoriten kürten und die sich nun brüskiert und vor den Kopf gestoßen fühlen.
Falls Sie die bestehende Nominierungsliste jedoch nicht mehr revidieren möchten, könnte auch ein Sonderpreis für ein außer Konkurrenz befindliches Sonderkonzept eine Lösung sein. Das würde sowohl dem DFR wie auch den GreenTec Awards gerecht werden.
Durch Ihr Engagement bei den GreenTec Awards zeigen Sie, dass Ihnen die Zukunft Deutschlands, der Umwelt und der Menschen am Herzen liegt. Bitte machen Sie Ihren Einfluss als Jurymitglied dafür geltend, die Ent-Nominierung des DFR rückgängig zu machen! Bitte setzen Sie sich für GreenTec Awards ohne ideologische Scheuklappen ein!
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Klute, Nuklearia
Dominik Wondrousch, Nuklearia
Fabian Herrmann, Nuklearia
Gordon Fischer, Nuklearia
Insgesamt 530 Unterzeichner dieses Offenen Briefes finden Sie in unserer Online-Petition »GreenTec Awards: Publikumsvotum respektieren, Dual-Fluid-Reaktor nominieren!«
Die Nuklearia ist eine Arbeitsgruppe in der Piratenpartei Deutschland. Mehr über uns finden Sie hier: http://nuklearia.de/wir-ueber-uns/. Nuklearia-Sprecher Rainer Klute erreichen Sie per E-Mail unter rainer.klute@nuklearia.de.
Quellen
[1] http://www.final-frontier.ch/thoriumenergie
[2] http://energyfromthorium.com/ornl-document-repository/
[3] MacPherson H.G. 1985 „The Molten Salt Reactor Adventure“, Nuclear Science and Engineering 90, 374-380, http://www.energyfromthorium.com/pdf/MSadventure.pdf
[4] http://www.kickstarter.com/projects/1820052608/the-good-reactor-0
[5] http://www.youtube.com/watch?v=lG1YjDdI_c8
[6] Hargraves R., Moir R. 2010 „Liquid Fluoride Thorium Reactors“, American Scientist 98 304, http://www.energyfromthorium.com/pdf/AmSci_LFTR.pdf
[7] http://www.youtube.com/watch?v=AAFWeIp8JT0
[9] Holcomb et al. 2011 „Fast Spectrum Molten Salt Reactor Options“, Oak Ridge National Laboratory Technical Memo 105, Fig. 9, http://info.ornl.gov/sites/publications/files/Pub29596.pdf
[10] http://dual-fluid-reactor.org/iaea-fr13-proceeding
[11] Stannett V T, Stahel E P 1971 „Large Scale Radiation-Induced Chemical Processing“, Nuclear and Particle Sciences 21 397 DOI:10.1146/annurev.ns.21.120171.002145
[12] http://energyfromthorium.com/wp-content/uploads/2012/10/CTL.jpg
[13] http://www.gen-4.org/Technology/systems/msr.htm
[14] http://superfuelbook.com/
[15] http://www.amazon.de/THORIUM-energy-cheaper-than-coal/dp/1478161299
[16] „Military Warheads as a Source of Nuclear Fuel“, World Nuclear Association, http://www.world-nuclear.org/info/Nuclear-Fuel-Cycle/Uranium-Resources/Military-Warheads-as-a-Source-of-Nuclear-Fuel/
[17] „Laws against Thorium prevent Rare Earth industry from happening in North America“, http://thoriummsr.com/2012/08/laws-against-thorium-prevent-rare-earth-industry-from-happening-in-north-america/
[18] „In China, the true cost of Britain’s clean, green wind power experiment: Pollution on a disastrous scale“, Simon Parry, Ed Douglas, Daily Mail, 2011-01-26, http://www.dailymail.co.uk/home/moslive/article-1350811/In-China-true-cost-Britains-clean-green-wind-power-experiment-Pollution-disastrous-scale.html
[19] http://nextbigfuture.com/2011/12/czech-australian-thorium-molten-salt.html