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Die Bundeskernenergiebehörde

Kühltürme des Kernkraftwerks Watts Bar der Tennessee Valley Authority. Es ist bemerkenswert, dass die nach eigenem Verständnis rein kapitalistischen USA einige ihrer größten Erfolge mittels sozialistischer Organisationsformen erzielten. Bildquelle: Wikipedia – CC-BY 2.0.

When contemplating an entirely new energy structure not only for the United States but for the entire world, it would be foolish beyond measure to discard the possibility of publicly owned and operated systems. Indeed, there are almost irresistibly compelling reasons to consider public ownership as being far preferable to private ownership, not the least of which is the fact that the energy revolution proposed herein is based primarily on nuclear power.
Tom Blees: „Prescription for the Planet“, Chapter 9: „Cui Bono?“

Im Mai 2014 unternahmen die drei deutschen Energiekonzerne (E.on, RWE und EnBW) einen Vorstoß bezüglich der Übernahme ihrer Kernkraftwerke durch eine öffentlich-rechtliche Stiftung.

Politik und Öffentlichkeit reagierten ungehalten. Die schreckliche Kernkraft solle bitteschön das „Imperium des Bösen“ nicht verlassen, man wolle nicht für den Rückbau der Kraftwerke und die Abfallentsorgung aufkommen müssen, dies möge alleine die Verantwortung der Verursacher bleiben.

Wenn die Konzerne wirklich so böse sind – frage ich mich – sollten sich die Leute dann nicht eher freuen, dass diese freiwillig die als gefährliche wahrgenommene Technologie aus der Hand geben wollen so dass sie unter demokratische Kontrolle gestellt werden kann? Einen Apparat, von dem Gefahren ausgehen, möchte ich doch nicht in den Händen von jemandem sehen, den ich für böse, egoistisch, skrupellos, etc. halte, sondern in denen von Leuten, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind.

Aber nein. Die Konzerne haben die Kernkraftwerke ja betrieben, um Profit zu machen (das stimmt: es sind eben Konzerne!), deshalb sollen sie jetzt bestraft werden, indem sie sich selbst um verbleibenden Betrieb, Rückbau und Entsorgung kümmern müssen. Diese letztlich moralisch motivierte Denkweise wird dabei unter dem Schlüsselwort „Verursacherprinzip“ zusammengefasst.

Halt. Wer oder was ist eigentlich ein „Verursacher“?

Über den Bau der Kernkraftwerke wurde vor Jahrzehnten demokratisch entschieden. Also müssten die Verursacher die damaligen Politiker sein – oder vielleicht eher die Wähler, die für diese Politiker gestimmt haben? Oder vielmehr der Stromkunde, der vergleichsweise billigen Atomstrom von den Konzernen bezog?!

Sind wir ehrlich: Es gibt in der komplexen techno-urbanen Gesellschaft kein klares „Verursacherprinzip“. Wirtschaft, Industrie, Politik, Technologie – alles ist miteinander verknüpft, verwoben. Es lassen sich meistens keine klaren Verursacher für dies oder jenes ausmachen.

Als anderes anschauliches Beispiel sei der Flugverkehr genannt: Wer ist Verursacher der durch diesen hervorgerufenen Probleme (Lärm, Luftverschmutzung, Treibhausgasausstoß…)? Die Fluglinien? Oder eher die Touristen, die alljährlich nach Mallorca fliegen wollen? Die Flugzeugbauer? Die Reisebüros? Die Piloten…?!

Der Verursacher ist stets die Gesellschaft als ganzes. Das gilt besonders ich Sachen Energieerzeugung, denn es gibt keinen Aspekt der techno-urbanen Gesellschaft der ohne billige, konzentrierte Energie auskommt. Diese, unter anderem und in zukünftig weiter zunehmen werdendem Maße in Form von Elektrizität, ist der Lebenssaft der Zivilisation. Ohne Energiequellen stehen alle Autos, Fabriken, Eisenbahnzüge, Computer, Haartrockner und Spielkonsolen still.

Niedrige, stabile Energiepreise sind eine wichtige Voraussetzung für soziale und ökonomische Prosperität.

Das bedeutet, dass es keine gute Wahl ist, die Energieversorgung marktwirtschaftlich regeln zu wollen. Es handelt sich um einen gesellschaftlichen Grundbedarf, ähnlich Bildung und medizinische Versorgung – ein typischer Zuständigkeitsbereich des Staates!

Bundeskernenergiebehörde (BKB) könnte man sie nennen: Eine noch zu gründende staatliche Organisation, die die Kernkraftwerke, die die privaten Versorger netterweise verschenken wollen, übernimmt und weiterbetreibt – quasi eine Tennessee Valley Authority für Deutschland! Zugleich mit der Gründung dieser Behörde sollte – jetzt wird’s revolutionär – das Atomgesetz so geändert, dass es Neubau von Kernkraftwerken mit Reaktoren der Generationen III+ und IV erlaubt (allerdings nur zum Betrieb durch die BKB), und ein Kohleausstiegsgesetz verabschiedet werden, das Neubau von Kohlekraftwerken untersagt und für die bestehenden in einem realistischen Zeitrahmen (sagen wir 20 Jahre) Stilllegung anordnet.

Während die altmodische Kohle endlich im Nebel der Vergangenheit versinkt – wir wollen schließlich eine techno-urbane Gesellschaft des Digitalen Zeitalters machen und kein Steampunkfestival! – baut und betreibt die BKB saubere, moderne Kernkraftwerke: Anfänglich vielleicht noch einige aktuelle Leichtwasserreaktoren (z. B. AP-1000 oder ESBWR), später jedoch nur noch PRISM/IFR oder ähnliche Designs mit schnellen Neutronen und geschlossenem Brennstoffzyklus zum Recycling von Atommüll und vollständiger Nutzung des Uran 238, womit Deutschlands Energieversorgung ins postfossile Zeitalter eintritt.

Wer weiß… in diesem Szenario könnte es einen Fall von Déjà-vu geben: Die Energiekonzerne wollen ihre Kohlekraftwerke an den Bund abtreten. Sehr gerne: Dampfkreisläufe, Kühltürme und Turbosätze bleiben erhalten – die alten Kohleöfen jedoch werden entfernt und durch Kernreaktormodule ersetzt.

Was, wenn ein energieintensiver Industriebetrieb, sagen wir ein Hüttenwerk, einen eigenen kleinen Kernreaktor zur autarken Energieversorgung betreiben möchte? Die BKB bietet mehrere Designs zum Verleih an! Man mag sich hier mit recht an die diversen Tisch- und Wandfernsprecher der Bundespost erinnert fühlen, die ebenfalls für eine gewisse Zeitdauer von ihr geliehen werden konnten. Da ein Reaktor jedoch deutlich komplexer als ein Telefon ist, liefert die BKB gleich ein Trüppchen exzellent ausgebildeter Ingenieure mit, die die Maschine vor Ort bedienen.

Was wird aus den drei Energieriesen? Sie können sich auf das Geschäft mit Erneuerbaren und/oder Energiespeicherwerken konzentrieren – oder aber sie gehen den Weg der Kutschenhersteller, als das Auto erfunden wurde, der Zeppelinwerke, als das Flugzeug aufkam, des Magazins „Playboy“, als die technologische Entwicklung die Google-Bildersuchfunktion hervorbrachte. (Notiz an die Playboy-Redaktion: Um wieder mehr Exemplare zu verkaufen bringt doch mal wirklich interessante Artikel, zum Beispiel über Kerntechnik!)

„It’s only fair that these corporations be treated as the business entities they are and not like somebody’s poor old auntie who’s worried about being thrown into the street“ – so Tom Blees. Die BKB könnte sehr wohl eine Vorstufe zu einer internationalen Lösung im Stil des GREAT-Projekts sein.

Ja, mein Szenario ist unwahrscheinlich. Großflächiger Umstieg auf Kernenergie mit schnellen Reaktoren wird mit hoher Sicherheit zuerst in Russland, Indien, China oder Südkorea erfolgen. Deutschland wird noch einige Zeit bei seinem Windmühlenfimmel bleiben… es sei denn, die Strompreise wachsen den Leuten ein wenig zu sehr über den Kopf… und sie spüren zugleich das Bedürfnis, ihre German Angst in den Schrank zu stellen: Dann könnte die BKB zu einer plausiblen Option werden!

Über die Nuklearia

Die Nuklearia ist ein gemeinnütziger, industrie- und parteiunabhängiger eingetragener Verein, der die Kernenergie als Chance begreift und darüber aufklären will. Wir sehen die Kernkraft als besten Weg, die Natur und das Klima zu schützen und gleichzeitig unseren Wohlstand zu erhalten. Denn Kernenergie ist emissionsarm, braucht sehr wenig Fläche und steht jederzeit zur Verfügung. Unser Ansatz ist wissenschafts- und faktenbasiert, unsere Vision humanistisch: erschwingliche und saubere Energie für alle.

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