Vor wenigen Tagen stellte EnBW-Kernkraftchef Jörg Michels fest, der Atomausstieg sei »irreversibel«. Zum gegenteiligen Ergebnis kommt eine heute veröffentlichte Studie des US-amerikanischen Thinktanks Radiant Energy Goup: Die Autoren haben es trotz schwer zugänglicher Informationslage geschafft, den technischen Status von 14 deutschen Kernkraftwerken nachzuhalten, um auf dieser Grundlage eine Prognose über eine Wiederinbetriebnahme zu machen.
Kurzfristig verfügbar: Brokdorf, Emsland, Grohnde
Das Ergebnis der Analyse: Abhängig von den regulatorischen Rahmenbedingungen könnten die Kernkraftwerke Brokdorf, Emsland und Grohnde bereits innerhalb von 12 bzw. 36 bis 48 Monaten nach einem politischen Beschluss wieder Strom erzeugen. Dies würde die Energiewende und die Versorgungssicherheit kurzfristig stärken. Anlagen in Gundremmingen B und C, Isar 2, Krümmel, Neckarwestheim 2 und Philippsburg 2 könnten innerhalb von 6 bis 8 Jahren wieder ertüchtigt werden.
Profitabel und günstiger als Neubau
Durch Vergleiche mit ähnlichen Projekten weltweit schätzten die Autoren die Kosten für die Wiederinbetriebnahme von Brokdorf und Emsland auf jeweils bis zu einer Milliarde Euro ein; bei den übrigen Kernkraftwerken könnten Kosten von je drei Milliarden Euro anfallen (Neubau: ab 7 Milliarden). Sachverständige gehen heute davon aus, dass die laufenden Betriebskosten nach den einmaligen Investitionen für den Neustart zwischen 22 und 30 Euro je Megawattstunde (MWh) liegen würden. Schon bei einem konservativ gedachten Abnahmepreis von 60 Euro pro MWh wäre der Neustart der genannten neun Kernkraftwerksblöcke wirtschaftlich sinnvoll. Bei einem Abnahmepreis von 100 Euro pro MWh, wie Microsoft für Strom aus dem US-Kraftwerk Three Mile Island zahlt, könnten die deutschen Reaktoren zusammen rund 10 Mrd. Euro an jährlichen Einnahmen generieren.
Öffentliche Zustimmung ähnlich hoch wie im EU-Ausland
Die Autoren haben auch das Meinungsbild zur Kernkraft in Deutschland und Europa analysiert. Auf die Frage, ob Deutschland die Kernenergie weiter nutzen sollte, sprachen sich 67 % für die Nutzung und 42 % für den Bau neuer Anlagen aus, während nur 23 % für den gänzlichen Ausstieg aus der Kernenergie und deren Verbot waren. Das generelle Maß an Unterstützung ist in Deutschland ähnlich hoch wie in Großbritannien oder Kanada, wo Kernkraftwerke laufzeitverlängert werden und neue Reaktoren im Bau sind.
Die Studie liegt unter dem folgenden Link auf Deutsch und Englisch zum Download bereit: https://www.radiantenergygroup.com/reports/restarting-germanys-reactors-feasibility-and-schedule