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Schmutziger Strom für saubere Autos?

Deutschlands Batteriehersteller bekommen bald die Folgen der verfehlten deutschen Energiepolitik zu spüren. Denn eine neue EU-Verordnung wird für Verbraucher schonungslos sichtbar machen, dass der für die Herstellung verwendete deutsche Strommix deutlich schmutziger ist als der von Nachbarländern wie Frankreich oder Schweden. Im schlimmsten Fall könnte zukünftig die Einhaltung von erlaubten Höchstwerten ein Problem werden.

Mit dem Atomausstieg verzichtet die deutsche Regierung auf eine fast CO₂-freie Möglichkeit zur Stromerzeugung, die bisher eine wichtige Alternative zu Kohle und Gas war. Die Folgen dieses Verzichts wurden für Unternehmen und Verbraucher besonders deutlich, als durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine die Gaspreise stark anstiegen und es dadurch auch zu einer Stromkrise kam. Ohne Kernkraft bleibt die Stromversorgung stark von fossilen Brennstoffen abhängig, vor allem, wenn Wind und Sonne nicht genug Energie liefern, um die Grundlast zu decken. Das Bereithalten fossiler Reservekraftwerke ist teuer. Doch selbst ein weiterer Ausbau erneuerbarer Energien kann die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen nicht lösen, selbst wenn es zeitweise zu niedrigen oder sogar negativen Strompreisen kommt.

Die Emissionsbilanz zeigt: Deutscher Strom ist schmutzig

Ein Drittel des Stroms wird in Deutschland durch Verbrennen von Kohle und Gas gewonnen. Daher ist auch der CO₂-Ausstoß mit 380 Gramm CO₂ pro Kilowattstunde (2023) entsprechend hoch. Das ist fast fünfmal mehr als der entsprechende Wert für Frankreich, das gut zwei Drittel seines Stroms CO₂-arm aus Kernkraft gewinnt, und es ist fast zehnmal mehr als der Wert für Schweden, das mit 42 % Wasserkraft, 30 % Kernenergie und 22 % Windkraft über einen sehr sauberen Strommix verfügt.

Welchen Einfluss hat dies alles nun auf die Herstellung von Autobatterien? Die Europäische Union hat erkannt, dass E-Autos zwar einerseits während des Fahrens keine Schadstoffe ausstoßen, aber dafür die Umwelt an anderer Stelle belasten, nämlich bei der Herstellung – vor allem bei der Herstellung der Batterie. Aus diesem Grund hat die EU eine neue Batterieverordnung beschlossen. Diese Verordnung gilt unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten und stellt zahlreiche neue Anforderungen an die Hersteller von Batterien. Dazu gehören etwa Haltbarkeit, Sicherheit, Austauschbarkeit und Recycling.

Neu ist, dass zukünftig auch der CO₂-Fußabdruck des Herstellungsprozesses erfasst und ausgewiesen werden muss. Und hier rächt sich Deutschlands Atomausstieg: Die Hersteller müssen nämlich für den Strom, den sie verbrauchen, die durchschnittlichen Emissionswerte des jeweiligen Landes ansetzen. Für Deutschland ist das wegen der hohen spezifischen CO₂-Emissionen seines fossil geprägten Strommixes ein großer Standortnachteil.

Ab Februar 2025 müssen Hersteller von Autobatterien das CO₂-Äquivalent ihrer Produkte ausweisen und zwar in Kilogramm CO₂ pro Kilowattstunde der Energie, die die Batterie während ihrer gesamten Lebensdauer abgibt. In den Folgejahren wird diese Pflicht auf Batterien für den Einsatz in Industrie und E-Bikes ausgedehnt. Kategorien vergleichbar mit den Energieeffizienzklassen A-F auf Waschmaschinen und Grenzwerte sollen folgen.

Laut der Tageszeitung WELT haben sich nun fünf Industrieverbände an Bundeswirtschaftsminister Habeck gewandt, um gegen die Berechnungsmethode der EU vorzugehen. Immerhin hatte Habeck in jüngster Zeit noch versucht, mit Fördergeldern von 900 Millionen Euro Hersteller wie Northvolt nach Deutschland zu locken. Der Erfolg dieser Pläne könnte gefährdert sein.

Öffentlich geäußert hat sich der Verband der Automobilindustrie (VDA): Seine Pressemitteilung verurteilt, dass Staaten mit einem traditionell hohen Anteil an Kohleverstromung Nachteile erleiden sollen. Zugleich wirft VDA-Präsidentin Hildegard Müller aber die Kernkraft zusammen mit den fossilen Energieträgern in einen Topf und begrüßt ihren Rückgang. Anstelle des jeweiligen nationalen Strommixes solle der EU-weite Strommix angesetzt werden, fordert sie.

Was würde eine Umsetzung dieser Forderung bedeuten? Hersteller hierzulande könnten von optisch niedrigeren Emissionswerten profitieren, als es der Realität entspricht, während Hersteller in anderen Ländern dafür bestraft würden, in tatsächlich sauberen Strom investiert zu haben – sie müssten schlechtere Werte ausweisen.

Ökostrom-Verträge: anfällig für Betrug – und nutzlos

Die Autohersteller kritisieren weiter, dass die neue EU-Verordnung keinen Ausweg durch den Abschluss individueller Stromlieferungsvereinbarungen mit Anbietern erneuerbarer Energien erlaubt. Tatsächlich sind solche Power-Purchase-Agreements (PPA) für viele Betriebe angesichts der Volatilität von erneuerbaren Energien ein wichtiges Instrument für die Vorhersagbarkeit von Preisen geworden, und für die Betreiber von EE-Anlagen sind sie ein wichtiges Instrument zur Finanzierung. Daher haben Vertreter der Erneuerbaren-Branche schon gegen den Wegfall von Investitionsanreizen protestiert.

Zur Berechnung des CO₂-Fußabdrucks einer Batterie verweist die EU-Verordnung auf einen Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes der EU-Kommission, des Joint Research Centres (JRC). Dieser Bericht stellt auf Basis der Richlinien des weltweit anerkannten Greenhouse Gas Protocols zur Treibhausgasneutralität in den Fall, dass beispielsweise ein Hersteller den Strom eines Windparks einkauft, aber auch strenge Anforderungen. So muss der Hersteller eines Produkts nachweisen, dass der verbrauchte Strom eindeutig aus den zugesagten Quellen stammt, und dass die Stromkontingente nicht auch anderweitig verkauft und damit doppelt gezählt werden. Lässt sich dieser Nachweis nicht führen, ist der landesspezifische Mix zu wählen. Wenn dieser nicht eindeutig festzulegen ist, soll der EU-weite Mix als Basis zählen.

Tatsächlich ist das Freikaufen von CO₂-Emissionen kritisch zu betrachten. Industrielle Produktion ist meist nur eingeschränkt flexibel und braucht eine kontinuierliche Stromzufuhr. Deshalb müssen neben einem »grünen« Stromanteil stets noch andere Stromlieferanten eingebunden werden, damit die Produktion weiterlaufen kann, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht. Der am Ende konsumierte »Graustrom« führt schon bei sogenanntem »Ökostrom« für Privathaushalte zu irreführenden Aussagen der Anbieter, weshalb man diese Angebote zurecht kritisieren kann.

Eine vermeintliche Lösung zur Förderung von sauberem Strom sind Herkunftsnachweise. Diese können jedoch missbräuchlich doppelt verkauft werden, was bereits eine Schwachstelle darstellt. Ein weiteres Problem zeigt sich in Ländern wie Norwegen oder Island: Diese Länder exportieren Zertifikate für »sauberen Strom« ins Ausland, während gleichzeitig Unternehmen, die dort angesiedelt sind, die Umweltfreundlichkeit des lokalen Strommixes für sich beanspruchen. Das führt dazu, dass derselbe »saubere Strom« praktisch zweimal gezählt wird – einmal durch die exportierten Zertifikate und einmal durch die Nutzung vor Ort. Obwohl diese Problematik dem Umweltbundesamt bekannt ist, wurde sie aufgrund von Druck seitens der Industrie nicht weiter verfolgt.

Dass individuelle industrielle Abnahmeverträge und der Handel mit Herkunftsnachweisen im Gesamtbild nicht zu eindeutig bezifferbaren Emissionseinsparungen führen, ist mittlerweile wissenschaftlich nachgewiesen.

Deutschlands Nachbarn zeigen den Weg

Ist ein Produkthersteller nicht in der Position, sich direkt und vor Ort von einem Anbieter oder durch eine eigene Anlage mit Strom zu versorgen, lässt sich die Zusammensetzung des tatsächlich konsumierten Strommixes nur schwer auf gesicherte und transparente Weise verbessern.

Wer jedoch den Strommix eines Landes maßgeblich beeinflussen kann, ist die Regierung eines Staates. Sie kann, wie die gegenwärtige deutsche Bundesregierung, der Industrie haarklein vorschreiben, mit welchen technischen Verfahren sie Strom zu erzeugen oder nicht zu erzeugen hat, sie kann sie gängeln und ihr letztlich die Luft abdrehen. Oder sie demonstriert Technologieoffenheit, setzt Randbedingungen, wie zum Beispiel Emissionsgrenzwerte, und überlässt es den Marktteilnehmern, auf welche Weise sie diese Grenzwerte einhalten und wie sie sauberen Strom produzieren.

Technologieoffenheit bedeutet natürlich auch, dass keine Technik von vornherein ausgeschlossen ist, auch nicht die Kerntechnik. Nur eine solche Offenheit kann Verbrauchern und Industrie Zugang zu einer kostengünstigen und umweltfreundlichen Energieversorgung ermöglichen.

Die Nuklearia unterstützt die Berechnungsmethode der EU für CO₂-Fußabdrücke, weil sie ehrlich ist und die tatsächlichen Emissionen widerspiegelt. Wir fordern die Bundesregierung auf, statt auf Rechentricks zu setzen, die CO₂-Emissionen von Deutschlands Strommix wirksam und nachhaltig zu senken. Das geht nur durch ein umfangreiches Kernkraftneubauprogramm, einschließlich der Wiederinbetriebnahme derjenigen Kernkraftwerke, bei denen das noch technisch möglich ist. Die meisten unserer Nachbarländer machen es uns vor.

Quellen

Foto: Paul Brennan/Pixabay

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