Wirtschaftsminister Robert Habeck findet, dass Deutschland ein Jahr nach dem Abschied von der Kernkraft »auf gutem Kurs« sei. Wir schauen uns an, ob das stimmt, und betrachten kurz Strompreise und CO₂-Bilanz.
Am 15. April ist es ein Jahr her, dass Deutschland seine letzten drei Kernkraftwerke abschaltete und damit auf die günstigste und zuverlässigste Stromquelle in seinem Energiemix verzichtete. Die Grünen sind der Meinung, alles richtig gemacht zu haben. Scheinbare Bestätigung erhalten sie von einer Greenpeace-Studie, die kürzlich feststellte, dass die Strompreise »trotz Atomkraftausstiegs« zuletzt leicht gefallen und die Emissionen leicht gesunken seien. Bemerkenswerterweise stammt die Formulierung »trotz Atomkraftausstiegs« von Greenpeace selbst – Kernkraftgegner geben nun also implizit zu, dass Kernkraft günstig und emissionsarm ist.
Strompreise: wirklich gesunken und warum?
Was die Greenpeace-Studie nicht thematisiert: Die fallenden Preise sind auch die Folge einer sterbenden Industrie. Insbesondere energieintensive Betriebe haben im vergangenen Jahr erheblich weniger Strom nachgefragt als in den Jahren zuvor, weil sie ihre Produktion drosseln mussten, abgewandert sind oder gleich ganz aufgegeben haben. Im internationalen Vergleich sind die Stromkosten für deutsche Industriekunden sehr hoch.
Was ebenfalls nicht erwähnt wird, sind die Bemühungen der Politik, den Strompreis für alle möglichst gering zu halten. So wurde 2022 die EEG-Umlage zur Finanzierung der erneuerbaren Energien von der Stromrechnung gestrichen. Der zweistellige Milliardenbetrag, der weiterhin für die Zahlung fester, nicht marktgerechter Einspeisevergütungen nötig ist, wird seitdem einfach aus einem anderen Topf genommen – dem allgemeinen Steueraufkommen. Die hohen Strompreise werden so gezielt verschleiert.
Ein weiterer Grund für die gesunkenen Stromkosten in Deutschland ist auch die höhere Verfügbarkeit von Atomkraft in Frankreich. Das Überraschende an dieser Aussage: Sie stammt ebenfalls aus der Greenpeace-Studie (Seite 4)! Wird Greenpeace nun seine Behauptung zurückziehen, Kernenergie sei teuer?
Senken die Erneuerbaren die Stromkosten?
Wirtschaftsminister Habeck behauptet immer noch gern, dass die Energiepreise mit weiterem Ausbau der Erneuerbaren sinken werden. Sein Rezept lautet »mehr vom Gleichen«, obwohl das Ziel »100 Prozent Erneuerbare« den Deutschen schon mit die höchsten Energiepreise der Welt beschert hat. Dass mehr Erneuerbare den Strom eher verteuern als verbilligen, rechnete bereits vor vielen Jahren der Ökonom Hans-Werner Sinn vor. Jetzt meldete sich in der Diskussion auch noch eine der – zuletzt auffallend regierungstreuen – Wirtschaftsweisen zu Wort. Veronika Grimm benennt in ihrer Studie klar einen großen Kostentreiber der Energiewende: die nötige Speicherung durch Batterien sowie Reservekraftwerke. Um diese Kosten kommt niemand herum, der »erneuerbaren« Strom auch in windstillen Nächten haben will. Hinzu kommen weitere Investitionen wie der Netzausbau. All das führt dazu, dass Erneuerbare eben doch nicht billiger sind als die Energiequellen Kernkraft und Kohle, die sie ersetzen sollen.
Bei den Emissionen weiterhin unter den Spitzenreitern
Dank des Ausstiegs aus der Kernenergie ist der Verbrauch fossiler Brennstoffe zur Stromerzeugung in Deutschland nahezu ungebrochen – auch wenn die Greenpeace-Studie einen leichten Rückgang feststellt. Auch dieser ist leider der strauchelnden deutschen Industrie zuzuschreiben. Unterm Strich gehört der deutsche Strommix nach wie vor zu den schmutzigsten Europas. Im letzten Jahr schafften es nur Polen und Tschechien, ihren Strom noch schmutziger zu produzieren.
Fazit: Ein Jahr ohne Kernkraft war ein trauriges Jahr. Die hohen Energiepreise schnüren der Wirtschaft die Luft ab. Hohe zweistellige Milliardenbeträge fließen weiterhin in eine Energiewende, die ohne Kernkraft keinen Sinn ergibt. Und ohne den Strom unserer Nachbarn, den wir fleißig zu hohen Kosten importieren, sähen wir inzwischen – noch viel älter aus.