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Zukunft der Vergangenheit vs. Zukunft der Gegenwart?

Jede Zeit hat ihre eigene Zukunft: Man lernt aus der Science Fiction vor allem viel über die jeweilige Gegenwart, in der sie erdacht wurde. Aus der vergleichsweise aggressiven „Die-oberste-Direktive-nehmen-wir-nicht-so-genau“-Politik des Captain Kirk, in der deutlich die Mentalität des Kalten Krieges mitschwingt, wurde die friedfertigere, verträumtere Nachknappheits-Phantasie von „Star Trek: The Next Generation“.

Was sagt uns das über reale technische und energiepolitische Entwicklungen? Heutzutage sehen manche die Kernenergie als einen zerstobenen Traum der Vergangenheit an, ein Versprechen der Fünfzigerjahre, das nicht eingelöst wurde: Das Versprechen unbegrenzter, sauberer Energie. Eher die Solarenergie wird heute als wichtigste Zukunftstechnik wahrgenommen. Sicher hängt das auch damit zusammen, dass übertriebene Befürchtungen und Fehlinformationen bezüglich der Kernenergie weit verbreitet sind, was jedoch entscheidender sein mag – wir haben heute ein anderes Bild davon, wie die Zukunft aussehen könnte bzw. sollte. Mitte des 20. Jahrhunderts hatte man – und das schließt sowohl „Linke“ wie „Rechte“ ein – ein sehr urbanes Zukunftsbild: Großtechnische Anlagen, Fabriken, breite Transportwege und gewaltige Wolkenkratzer würden die Megacities der Zukunft dominieren. Große, leistungsstarke Kernkraftwerke fügten sich auf natürliche Weise in diese Vision ein. Heutige Zukunftvorstellungen dagegen betonen eher ein Leben im Einklang mit der Natur – ländliches Dasein, allerdings kombiniert mit „weichen“, mit der Umgebung harmonierenden  Hochtechnologien: Computer, Internet, Solarzellen. Viele Umweltschützer bringen in diesem Zusammenhang die Forderung vor, man möge die Energieversorgung „dezentralisieren“, mit einem Miniaturkraftwerk in jedem Haus (wie Fabriken, Verkehrsnetze usw. versorgt werden sollen, verschweigen sie dabei). Optimalerweise solle dies durch Erneuerbare Energiequellen geschehen, in der Praxis geschieht es nicht gerade verblüffenderweise durch Erdgasbrenner.

Das Problem daran ist natürlich: Eine postfossile Energiequelle, die stark und kompakt genug ist, um sie in Form kleiner Einheiten in Häusern und anderen Gebäuden aufzustellen und dadurch eine Komplettversorgung zu gewährleisten, gibt es zur Zeit einfach noch nicht. Solarzellen sind bezogen auf ihre Leistung viel zu ausladend, um eine nennenswerte Abdeckung des Gesamtverbrauchs an Energie durch private Module auf Hausdächern  zu gewährleisten. Desgleichen Windturbinen, die man aus gutem Grund ohnehin nicht in der Nähe bewohnter Gegenden aufstellen sollte – zum einen fühlen sich manche dadurch gestört, zum anderen bremsen Häuser den Wind stark ab.

In der Zukunft mag sich dies ändern. Wenn es gelingt, sogenannte „Tabletop-Fusoren“ zu konstruieren, auf dem Polywell-Konzept oder einem ähnlichen Prinzip beruhende Mikrofusionskraftwerke, die direkt von den Deuteriumflasche weg – oder, noch besser: von der Bor-Flasche weg – kilo- oder megawattstarke Energieflüsse erzeugen – dann kann der Traum von der vollständig dezentralen Versorgung wahr werden: Mit einem Fusor in jedem Keller, einem etwas stärkeren in jeder Fabrikhalle und einem noch etwas stärkeren in jeder Lok, jedem Schiff und jedem Flugzeug werden Hochspannungsleitungen, ja überhaupt fast jeglicher Energietransport über größere Strecken, überflüssig, da jede gewünschte Energiemenge lokalisiert bereitgestellt werden kann.

Will man mithilfe der Erneuerbaren substantielle Energiemengen erzeugen, kommt man alleine aus Platzgründen nicht umhin, die Maschinen in menschenleere Regionen zu verlagern: Offshore-Windparks in die Nordsee, Solarkraftwerke in die Sahara. Hier ist es noch nicht einmal nötig, die komplexe Photovoltaik-Technologie zu nutzen – in Wüsten mit viel direkter Sonneneinstrahlung bietet es sich eher an, die einfachen, robusten Sonnenwärmekraftwerke einzusetzen: Spiegelrinnen, Stirlingschüsseln oder ähnliche Konstruktionen. Dagegen ist nichts einzuwenden – das sind durchaus nützliche, und bei umfassendem Ausbau auch reichhaltige Energiequellen. „Dezentral“ im Sinne der „Energieversorgung in jedem Haus“ sind sie natürlich nicht.

Fällen wir jedoch kein vorschnelles Urteil über den Wunsch nach Dezentralität. Dass viele lieber eine lokalisierte Energiequelle, die sie auch selbst kontrollieren können, in ihrer Nähe hätten anstelle einer großen, weit entfernten, ist sehr verständlich.  Sofern es sich um postfossile Energiequellen handeln soll und nicht um Erdgas (Biogas wirft eigene Probleme auf), ist hierzu jedoch Kernkraft erforderlich  – denn „dezentral“ bedeutet notwendigerweise „flächenmäßig klein“ und zur umfassenden Abdeckung des Energiebedarfs sind wiederum hohe Leistungen erforderlich. Und die einzige bekannte Energiequelle, die sowohl klein wie auch leistungsstark ist, ist die Kernenergie. Bis soetwas Revolutionäres wie der Polywell-Fusor erfunden wird, benötigen wir für die erträumte dezentrale Versorgung daher irgendeine Art von modularem, inhärent sicherem Generation-IV-Kernkraftwerk. Hier berühren sich die Zukunftsvisionen der Vergangenheit  – Energiereichtum durch Kernkraft – mit denen der Gegenwart – Dezentralität und möglichst viel direkte Kontrolle.

Natürlich wird man IFRs bzw. PRISMs wohl eher nicht in Wohnhäuser einbauen. Aber sie ließen sich prinzipiell auf Gemeinde- oder Betriebsebene installieren. Eine Kleinstadt mit zwanzigtausend Einwohnern könnte ein unterirdisches Reaktormodul mit 40 MW elektrischer Leistung anschaffen, wodurch jedem Einwohner 2 kW zur Verfügung stehen (der Rest an benötigter Energie muß dann von entfernten Solar- oder Windparks oder weiteren Kernkraftwerken kommen). Bei der Auslieferung enthält die direkt an den Reaktor angeschlossene Pyroprocessing-Anlage bereits einen Vorrat von 4 Tonnen abgereichertem Uran – genug für 100 Jahre Betrieb. Wenn das kleine Kernkraftwerk in öffentlicher Hand ist, untersteht es auch demokratischer Kontrolle.

Es lohnt sich, die Welt nicht immer nur binär zu betrachten. Visionen der Vergangenheit können mit Visionen der Gegenwart verschmelzen, genauso wie Erneuerbare und Kernkraft sich nicht gegenseitig ausschließen.

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