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Spanischer Blackout: Wie kam es dazu?

Symbolbild: Blackout iberische Halbinsel – digital verdunkelt, Originalbild von NASA

Was war die Ursache für den Stromausfall?

Am 28.4.2025 fiel in Spanien und Portugal der Strom komplett aus. Wie konnte es dazu kommen?

Der Zusammenbruch des Stromnetzes auf der iberischen Halbinsel am Montag um die Mittagszeit dauerte nur wenige Sekunden. Die vollständige Wiederherstellung der Stromversorgung dauerte rund einen Tag.

Noch wissen wir nicht, was den Stromausfall verursacht hat. Anfängliche Vermutungen über einen Cyber-Angriff oder atmosphärische/meteorologische Störungen wurden vom Netzbetreiber Spaniens ausgeschlossen.

Spekulationen über die Ursache der Frequenzschwankung sind zu diesem Zeitpunkt Unsinn. Die viel wichtigere Frage ist sowieso: Wie führte eine wie auch immer geartete Netzeinwirkung zu einem Blackout in einem robusten europäischen Netz?

Die Hauptaufgabe jedes Wechselstromnetzes ist es, die Netzfrequenz zu halten. Das spanische Netz ist, wie das deutsche, redundant nach dem n-1-Prinzip ausgelegt. Eigentlich darf es ohne massive äußere Einwirkung nicht zum Blackout kommen, und in Spanien passiert das normalerweise auch nicht.

Leistung Spanien am 28.4.2025 um 12:30 Uhr laut Energy Charts

Warum kam es in Spanien zum Blackout?

Am Montagmittag war das spanische Netz aber in einem besonders volatilen Zustand. Kurz vor dem Blackout um 12:33 Uhr stellten Wind und Solar 22 GW der 32 GW Erzeugungsleistung Spaniens. Weniger als ein Drittel der Leistung stammte aus Erzeugern mit netzsynchronen Schwungmassen. Dies sind Turbinen in Wasser-, Kohle-, Gas- oder Kernkraftwerken, welche die Generatoren dieser Kraftwerke antreiben.

Die Schwungmassen drehen sich synchron zur Frequenz des Stromnetzes. Wenn die Netzfrequenz steigt oder sinkt, wirkt die Massenträgheit der Turbinen der Frequenzänderung sofort und ohne Eingreifen entgegen. Die Rotationsenergie ist zwar gering im Vergleich zum gesamten Stromverbrauch im Netz. Sie reicht aber aus, um Frequenzänderungen stark zu verlangsamen. Diese sogenannte Momentanreserve verschafft die nötige Zeit für Netzeingriffe.

Bei Photovoltaikanlagen und Windrädern fehlt diese netzsynchrone Schwungmasse. Der von ihnen erzeugte Gleichstrom wird über Wechselrichter angeschlossen. Je mehr Wind und Solar wir zubauen, desto weniger Schwungmasse ist im Netz. Je weniger Schwungmasse im Netz ist, desto schneller sind Änderungen der Netzfrequenz. Laut dem Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber sind Frequenzänderungen größer als 1 Hz/s nicht mehr beherrschbar.

Netzfrequenz in Freiburg am 28.4.2025 laut Energy-Charts

Warum kam es in Frankreich nicht zum Blackout?

Der Blackout Spaniens führte auch in Frankreich zu einer massiven Netzeinwirkung. Im Moment der Netztrennung soll Frankreich eine Leistung von rund 3 GW aus Spanien importiert haben. Die fielen plötzlich weg, als die Verbindung durch die Pyrenäen automatisch gekappt wurde.

In Frankreich und Andorra kam es vorübergehend zu lokalen Störungen, aber zu keinem großflächigen Blackout, wie in Spanien und Portugal. Frankreich hatte kurz vor dem spanischen Blackout rund 34 GW Kernkraftwerke am Netz und dazu noch 4 GW Wasserkraft.

Die Schwungmassen haben die Frequenzänderung sofort und ohne jedes Zutun abgebremst und die Netzeinwirkung beherrschbar gemacht. Ein Abfall der Netzfrequenz konnte zwar selbst in Deutschland gemessen werden, aber die Schwungmassen in französischen Kraftwerken haben Schlimmeres verhindert.

Leistung Deutschland am 28.4.2025 um 12:30 Uhr laut Energy-Charts

Kann der spanische Blackout in Deutschland passieren?

Frankreich war zum Zeitpunkt des Blackouts ein Schwergewicht und Spanien ein Fliegengewicht, was die Schwungmassen im Stromnetz angeht. Aber auch Deutschland ist immer häufiger ein Fliegengewicht. 75 % der deutschen Erzeugungsleistung stammten am 28. April 2025 um 12:30 Uhr aus hauptsächlich Solar und etwas Wind.

Infolge des deutschen Atomausstiegs fiel seit 2011 ein Großteil der Schwungmasse aus dem deutschen Netz heraus. Eine Berechnung der deutschen Übertragungsnetzbetreiber zeigt, dass eine Frequenzänderung, die 2006 noch 0,5 Hz/s betrug, sich heute wegen fehlender Massenträgheit verdreifachen würde – auf unbeherrschbare 1,4 Hz/s.1

Bei der Überführung eines Kreuzfahrtschiffs der Papenburger Werft kam es im November 2006 zu einer massiven Unterbrechung. Die besagte Frequenzänderung mit 0,5 Hz/s führte damals zu einer Netzauftrennung in Europa in drei Teilnetze und Netzproblemen für mehrere Stunden. Heute könnte das gleiche Ereignis zu einem Blackout in Deutschland und darüber hinaus führen.

Die deutsche Bundesnetzagentur hat sehr schnell in der Tagesschau behauptet, dass ein Blackout wie in Spanien in Deutschland unwahrscheinlich sei. Präsident Klaus Müller begründete dies mit der redundanten Auslegung des deutschen Netzes. Aber genau die gibt es ja auch in Spanien – und sie hat nichts genützt. Und die von Müller angeführte Schwarzstartfähigkeit hat überhaupt nichts mit der Verhinderung eines Blackouts zu tun.

Fazit: Fehlende Schwungmassen sind eine Gefahr

Die Ursache des spanischen Blackouts ist noch unbekannt. Wir wissen aber, dass das Stromnetz in Spanien wegen fehlender Schwungmassen in einem sehr volatilen Zustand war.

Auch Deutschland hat vor allem während der »Hellbrisen« im Sommer sehr wenig Schwungmassen im Netz und ist ebenso schlecht wie Spanien auf Netzstörungen vorbereitet.

An der Darstellung der Bundesnetzagentur, dass Deutschland eine Netzstörung wie in Spanien ohne Blackout beherrschen könnte, bestehen berechtigte Zweifel.

Schwungmassen sind neben Klimaschutz und günstigen Strompreisen ein weiterer guter Grund, warum wir bis zu neun deutsche Kernkraftwerke reaktivieren sollten.

Mehr dazu bei der Anschalt-Konferenz am 22. Mai in Berlin. Komm vorbei! Außerdem gehen wir mit der Anschalt-Kampagne für die Reaktivierung der Kernkraftwerke auf die Straße, nächster Termin ist am 10. Mai in Augsburg.

Vortrag: Warum Erneuerbare und AKW Partner sind

Wenn dir diese kurze Einführung in das Problem der fehlenden Schwungmassen gefallen hat, dann schau dir unbedingt den sehenswerten Vortrag von Diplom-Ingenieur Uwe Stoll an.

Zufällig hat Uwe Stoll, Chief Advisor for Nuclear Facilities bei Framatome und ehemaliger Geschäftsführer der bundeseigenen Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS), viele der hier angesprochenen Fakten nur wenige Tage vor dem spanischen Blackout vorgetragen.

Laut Stoll sollten AKW und Erneuerbare Partner sein, so wie in Frankreich, und nicht Gegner, so wie in Spanien und Deutschland.

1 J. Lehner, J. Weidner, T. Hennig, G. Deiml, Approach to design and review the system defence plan for over-frequency to ensure frequency stability in the ENTSO-E Continental Europe Synchronous Area. 17th Wind Integration Workshop, 2018.

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