Suche

Kernkraft und SPD gehören zusammen

Energie ist die Grundlage alles Lebens und Wirtschaftens. Klassische sozialdemokratische Werte wie soziale Gerechtigkeit, Solidarität und wirtschaftlicher Wohlstand für alle brauchen daher eine sozialdemokratische Energiepolitik – und die Kernkraft kann hier eine Schlüsselrolle einnehmen.

In diesem Essay werden wir darlegen, warum aus unserer Sicht Kernkraft ein natürlicher Teil sozialdemokratischer Energiepolitik ist. Die kernkraftfreundliche Politik sozialdemokratischer Parteien in Staaten wie Großbritannien und Finnland wäre dann keine exzentrische Ausnahme, sondern ein nachahmenswertes Beispiel. Ein Blick in die Geschichte der Volkspartei aber zeigt, dass das einmal ganz anders aussah. Die Regierungen Willy Brandts und Helmut Schmidts setzten auf die Kernkraft und machten sich um ihren Ausbau verdient. Tatsächlich fiel der Baubeginn fast aller westdeutschen Kernkraftwerke in die Zeit der sozialliberalen Regierungen von 1969 bis 1982. Warum aber entschieden und entscheiden sich sozialdemokratische Regierungen für die Kernkraft? Dafür gibt es eine Reihe an wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gründen.

Kerkraft schafft und erhält Arbeitsplätze

Kernkraft ist die Grundlage für eine Industrie mit guten Arbeitsplätzen. Sozialdemokratie ist traditionellerweise verwurzelt in der gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft. In den letzten Jahren ist die deutsche Industrieproduktion und mit ihr diese gesellschaftliche Gruppe aber geschrumpft. Ein Hauptgrund dafür sind die zu hohen Energiepreise, zu denen der hohe Strompreis seinen Teil beiträgt. Dabei handelt es sich keinesfalls bloß um ein Übergangsphänomen durch externe Schocks. Die Nutzung fossiler Energieträger wird durch die CO₂-Bepreisung immer teurer. Aber auch die angestrebte Stromversorgung aus überwiegend wetterabhängigen erneuerbaren Energien stellt unter deutschen Bedingungen keine wirtschaftlich funktionierende Alternative dar. Denn deren zeitlich und räumlich stark schwankende Stromerzeugung muss durch ein komplexes System von Speichern, leistungsfähigen Netzen und Backup-Kraftwerken in das umgewandelt werden, was die Industrie braucht: eine konstante, zuverlässige Stromversorgung für planbare Produktion und Arbeitszeiten. Die häufig vorgeschlagene Anpassung der Nachfrage an das vom Wetter vorgegebene Angebot ist damit ebenfalls nicht kompatibel.

In der Energiewende-Forschung ist erkannt worden, dass die im internationalen Vergleich ungünstigen Standortfaktoren für erneuerbare Energien in Deutschland zu nicht wettbewerbsfähigen Strompreisen führen werden. Die daraus abgeleitete Empfehlung ist dann, diese Industrien einfach abwandern zu lassen und ihre Erzeugnisse zu importieren. Ein solcher Schritt gefährdet Arbeitsplätze und die strategische Autonomie Deutschlands. Das sollten gerade Sozialdemokraten nicht einfach schulterzuckend hinnehmen, sondern als Aufforderung zur Suche nach einer Alternative verstehen. Diese Alternative besteht darin, verstärkt auf andere klimaneutrale und wetterunabhängige Stromquellen wie Kernkraft und Geothermie zu setzen.

Erwähnenswert ist auch, dass Kernkraft als spezialisierte Technologie mit hohen Anforderungen an Qualität und Zuverlässigkeit hervorragend zu den Stärken der deutschen Industrie passt. Damit steht sie insbesondere im Gegensatz zu anderer Clean Tech, die als standardisiertes Massenprodukt nie eine dauerhafte Chance hatte, zu einer erfolgreichen deutschen Exportindustrie zu werden. Die deutsche kerntechnische Industrie dagegen ist immer noch im Export erfolgreich, und könnte mit voller Unterstützung auch in der Heimat ihre einst unter SPD-Regierungen entwickelte starke Position im Weltmarkt zurückerlangen.

Kernkraft senkt die Strompreise

Wie die Industrie wünscht sich auch die Bevölkerung bezahlbare Energie. Das gilt insbesondere für wirtschaftlich schlechter gestellten Menschen. Denn je geringer das Einkommen, desto höher der Anteil der Energiekosten an den Monatsausgaben, und desto empfindlicher werden Preissteigerungen wahrgenommen. Es wurde bereits ausgeführt, wie wegen CO₂-Bepreisung fossiler Brennstoffe und hoher Systemkosten wetterabhängiger Erneuerbarer der bisherige energiepolitische Kurs die Kosten der Stromproduktion strukturell erhöht. Das wird sich entweder in höheren Preisen für die Endverbraucher ausdrücken oder aber durch die notwendigen Subventionen Löcher in den Staatshaushalt reißen und zur Konkurrenz mit dem Sozialstaat um knappe Mittel führen.

Bereits jetzt stellen die Zuschüsse des Bundes an das EEG-Konto in Höhe von 15 bis 20 Milliarden Euro pro Jahr einen der großen Posten im Haushalt dar – Tendenz steigend. Das wiegt doppelt schwer, da die Profiteure der Subventionen aus dem EEG-Gesetz vor allem Eigenheimbesitzer und Grundbesitzer aus der oberen Mittelschicht und Oberschicht sind, für die eine eingeschränkt zugängliche Anlageklasse mit staatlich garantierten Einnahmen geschaffen wurde. Wie so oft wurden Kosten sozialisiert und Gewinne privatisiert. Demgegenüber waren und sind die Kernkraftwerke im Besitz großer Energieunternehmen, die auch Länder und Gemeinden zu ihren Eignern zählen und damit einen Teil ihrer Gewinne automatisch der Gemeinschaft ausschütten. Außerdem sind die Betreiber in der Regel Aktiengesellschaften, an denen sich auch Kleinanleger einfach beteiligen können. Der aktuelle Kurs in der Energiewende ist also auch aus verteilungspolitischer Sicht reformbedürftig.

Die heutige Wirtschaft und der Arbeitsmarkt sind schnelllebig und unvorhersehbar. Kernkraftwerke stellen darin eine Insel der Stabilität dar. Hinsichtlich der technischen Lebensdauer handelt es sich um eine mehrgenerationale Infrastruktur; für Anlagen in Finnland und den USA wurden bereits Laufzeiten von 70 bis 80 Jahren genehmigt. Wirtschaftlich gesehen handelt es sich um kapitalintensive Infrastruktur mit niedrigen Betriebskosten. Das bedeutet: Ist das Kraftwerk einmal gebaut, lohnt sich der Weiterbetrieb so gut wie immer.
Damit bieten Kernkraftwerke sichere Arbeitsplätze, um die herum man Lebensentwürfe und Familien planen kann.
Sichere, qualifizierte Arbeitsplätze in Großbetrieben sind besonders günstig für Mitbestimmung und gewerkschaftliche Organisation durch die Arbeitnehmer. Weil ein Kernkraftwerk weder einfach seinen Standort verlagern noch seine Beschäftigten in austauschbare Unterauftragnehmer auslagern kann, ist es strukturell arbeitnehmerfreundlich.

Kernkraft stärkt ländliche Regionen

Diese Insel der Stabilität bilden Kernkraftwerke nicht nur für individuelle Arbeitnehmer, sondern auch für ihre Standorte als Ganzes. Sie unterstützen die Raumordnungspolitik bei deren wohl größter Herausforderung, der Stärkung ländlicher Regionen. Diese sind vielerorts abgehängt und haben Schwierigkeiten, gute Arbeitsplätze und damit eine Perspektive anzubieten. Besonders gilt das für die Regionen, die bisher ein wichtiger Standort für fossile Energieproduktion waren. Die politische Folge ist der Wechsel frustrierter und perspektivloser Wähler zu Protestparteien und die Erosion des Vertrauens in demokratische Institutionen.

Kernkraftwerke sind und werden sinnvollerweise in ländlichere Regionen gebaut und können diese mit sicheren, gut bezahlten Arbeitsplätzen wiederbeleben. Hervorzuheben ist auch, dass in einem solchen Kraftwerk Menschen mit unterschiedlichen Ausbildungs- und Lebenswegen verantwortungsvoll zusammenarbeiten. Damit leisten die Anlagen ihren Beitrag gegen den zunehmenden Zerfall der Gesellschaft in einzelne Blasen, die sich nur noch über gegenseitige Vorurteile kennen. Aus gutem Grund sind deswegen die Gemeinden in der unmittelbaren Umgebung eines Kernkraftwerks diesem gegenüber in der Regel positiv eingestellt.

Fazit

Aus diesen Überlegungen heraus ist verständlich, dass Gewerkschaften, sozialdemokratische Parteien und Regierungen Kernkraft als wichtigen Teil ihrer Energiepolitik ansehen. Beispielhaft dafür steht Großbritannien, dessen Labour-Regierung unter Keir Starmer zugleich auf den Weiterbetrieb bestehender Anlagen und den Neubau großer Reaktoren und kleinen modularen Kernkraftwerken setzt. Unterstützt wird dieser Kurs von den Gewerkschaften, die sich dazu dazu sogar in der Gewerkschaftsallianz TUSNE zusammengeschlossen haben.

In Deutschland wurde die Kernkraft nie nur als eine Technologie gesehen. Stattdessen trat sie als großer Hoffnungsträger an, um den sich später gesellschaftliche Kämpfe drehten, die die rein energiepolitische Frage überlagerten und emotional aufluden. Die heutige Sicht auf die Kernkraft durch das sozialdemokratische und linke politische Spektrum ist immer noch ein Echo dieser Zeit. Wir glauben, dass es Zeit ist für eine Neubewertung, die das Thema unvoreingenommen und von alten Klischees befreit rein energiepolitisch betrachtet. Nicht umsonst gibt es unter den Befürwortern der Kernkraft in Deutschland auch einige dezidiert linke Stimmen wie Anna Vero Wendland und das SPD-Mitglied Armadeo Sarma, die gerne auch energiepolitisch wieder eine Heimat in der Sozialdemokratie finden würden.

Um die Ziele Wohlstand für alle, saubere Energieerzeugung und Energiesicherheit gleichzeitig zu erreichen, braucht Deutschland eine Versöhnung zwischen der Kernkraft und den sozialdemokratischen und linken Parteien.

Newsletter

Ja, ich will … Infos über Aktionen und Neues rund um die beste Energiequelle direkt in mein Postfach.