Die Wirtschaftswoche hat in einem Artikel erläutert, weshalb der Dual-Fluid-Reaktor aus dem Wettbewerb GreenTec Awards ausgeschlossen wurde. Die Tatsache, dass hierzu die Wettbewerbsregeln im Stil von „Calvinball“ mittendrin plötzlich geändert wurden, wird dabei ausgeblendet, aber darum soll es hier auch nicht gehen, sondern um die in dem Artikel vorgebrachten Argumente gegen den DFR.
„Einige Jurymitglieder hielten den geplanten Reaktor für physikalisch und technisch durchaus umsetzbar. Da bisher aber eine Technikfolgeabschätzung des Projektes durch anerkannte Wissenschaftler fehle, könnten über die tatsächliche Sicherheit der Technologie, deren Umweltfreundlichkeit und behaupteten Vorteile keine Aussagen getroffen werden. Im Bereich der Kernkraft, mit ihren potenziellen Gefahren, sei dies für eine verantwortungsvolle Entscheidung der Jury aber notwendig.“
Erst wenn das letzte Klo mit fünf Überwachungskameras bestückt, die letzte Internetseite zensiert, das letzte Videospiel und die letzte psychoaktive Substanz verboten und Deutschland aus der letzten Hochtechnologie ausgestiegen ist, werdet ihr verstehen, dass die Sehnsucht nach hundertprozentiger Sicherheit ein neurotischer Wahn ist.
Es gibt über Flüssigsalzreaktoren tonnenweise Untersuchungen von anerkannten Wissenschaftlern, z. B. von (in der GreenTec-Awards-Jury fehlenden) promovierten Kerntechnikern wie Geoff Parks: A safer route to a nucear future.
„Andere führten an, dass die Macher des Projektes sich selbst wiedersprechen. In der Bewerbung behaupteten sie, Atommüll energetisch verwerten zu können. In der Projektbeschreibung auf der Webseite des Unternehmens, ist aber auch davon die Rede, frisches Material wie Uran oder Thorium einzusetzen.“
Tja, wie schon gesagt, blöd, wenn man ein Kerntechnik-Projekt beurteilen will, aber kein Kerntechniker in der Jury sitzt!
Nochmal für alle zum Mitschreiben:
- Schnelle Reaktoren nutzen als Energiequelle fertiles Material: Th232 oder U238.
- Diese sind selbst nicht spaltbar. Deshalb werden fissile Nuklide als Katalysatoren benötigt: U233 als Katalysator für Th232 bzw. Pu239 als Katalysator für U238. Die Katalyse erfolgt, indem die fertilen Kerne durch Neutroneneinfang in fissile transmutiert werden. Die fissilen werden gespalten, wodurch die eigentliche Energiefreisetzung bewirkt wird.
- Das fertile Material kann im Falle von U238 zunächst aus verbrauchten Brennelementen von Leichtwasserreaktoren gezogen werden (denn diese bestehen zu ca. 95% daraus), später wird abgereichertes Uran verwendet, von dem weltweit über 1.5 Mio t. vorrätig sind. Uranabbau ist mit schnellen Reaktoren jahrhundertelang unnötig. Auch Thorium ist in großer Menge ready to go vorhanden, da es beim Abbau vieler anderer Rohstoffe als „Abfall“ übrig bleibt. So hinterlässt die Herstellung der Magnete für eine 3 MW-Windkraftanlage nebenbei größenordnungsmäßig 1 t Thorium.
- Das fissile Material, das benötigt wird, um den Reaktor zu starten, kann ebenfalls aus verbrauchten Brennelementen gewonnen werden. Es ist der gefürchtete langlebige Atommüll: Plutonium und schwerere Nuklide. Sobald es in den Brennstoffzyklus der schnellen Reaktoren integriert wurde, kann die Menge an Transuranen genau gesteuert werden – durch Brüten vergrößert (um neue Reaktoren zu starten), konstant gehalten oder durch „Abbrand“ reduziert.
- TL;DR: Frisches Uran – und der zur Reaktion nötige Katalysator Plutonium – ist im „Abfall“ von Leichtwasserreaktoren (U und Pu) und Anreicherungsanlagen (U) in großer Menge enthalten. Frisches Thorium findet sich in Abfällen aller möglicher Industriezweige, insbesondere der Windkraft-Industrie.
„Anschließend hieran kam ein weiterer Einwand: Bei Thorium stellte eine Expertenkommission in England ein erhebliches Proliferationsrisiko fest. Wenn dieses bestehe, sei das nicht mit den Zielen eines Awards für nachhaltige Technologieprojekte unvereinbar.“
Was soll das für eine Expertenkommission sein? Quelle?
Das aus Thorium erbrütete Nuklid ist U233. Dieses ist zur Waffenproduktion kaum geeignet, da es stets gemischt mit U232 auftritt. Letzteres emmittiert starke Gammastrahlung, die die Elektronik jeder Bombe zerstören und die Handhabung der Waffe extrem schwierig machen würde.
Ganz abgesehen davon: Wie wär’s, wenn wir, anstatt ständig über Waffenproduktion zu diskutieren, die Wurzelursachen für Kriege reduzieren würden? Eine davon, die heutzutage bereits viel Unheil auslöst, und in der Zukunft noch extremere Folgen haben kann (Wasserkriege!), ist Ressourcen- und Energieknappheit. Diese beiden Übel bekämpft man am wirkungsvollsten durch konzentrierte, zuverlässige, saubere Energiequellen, z. B. den DFR.
Wie Kernbomben herzustellen sind, das weiß die Menschheit nun. Wenn jemand unbedingt eine Kernbombe haben will, dann wird er oder sie, genug politische und wirtschaftliche Macht vorausgesetzt, das auch schaffen (allerdings eher nicht unter Verwendung eines Flüssigsalzreaktors). Pfiffig wäre es demnach, gegen die Ursachen und Auslöser für militärische Konflikte vorzugehen, z. B. Energieknappheit. Es hat seinen Grund, dass der Euphemismus für den Irakkrieg „Operation Iraqi Liberation“ in „Operation Iraqi Freedom“ umbenannt wurde, die Abkürzung O. I. L. war etwas zu entlarvend…
„Auch die Marktchancen des Projektes – ein besonders wichtiges Kriterium für die Auswahl der Projekte für den Award – wurden von einigen Jurymitgliedern in Frage gestellt. Schließlich werde seit Jahrzehnten an verwandten Technologien gearbeitet – ohne sichtlichen Erfolg bei der kommerziellen Umsetzung.“
Ein Unternehmen, das nichts riskiert und nichts neues zu erfinden versucht, kann auch nichts vermarkten. Bei der Einführung von Heimcomputern in den 1980ern reagierten viele mit hochgezogenen Augenbrauen: „Wozu soll denn das gut sein? Da gibt es keinen Markt für. Nie wird der Kunde so etwas haben wollen!“
Falls die Jury mit „verwandten Technologien“ andere Flüssigsalzreaktorkonzepte meint – an theoretischen Studien wird in der Tat eifrig gearbeitet. Jetzt ist es an der Zeit, Prototypen praktisch zu erproben, einen Nachfolger des Molten Salt Reactor Experiments zu erschaffen, damit am Ende ein vermarktbares Produkt herausspringt. Falls dagegen schnelle Reaktoren mit festem Kern gemeint sind – da gibt es ein feines Design, das in Sachen Kommerzialisierung in den Startlöchern steht.
„Ein weiteres Argument: Mit der Entscheidung für den Atomausstieg in Deutschland sei diese Technologie hierzulande nicht mehr relevant. Die beim Award ausgezeichneten Technologien sollen aber eine Vorbildfunktion für deutsche Ingenieure und Unternehmen haben.“
Wenn nur Technologien erwünscht sind, die nach der momentanen Gesetzeslage in Deutschland vermarktet werden dürfen, dann hätte das von Anfang an in den Wettbewerbsregeln stehen müssen, bzw. der Reaktor hätte gar nicht erst zum Wettbewerb zugelassen werden dürfen. Es war bei der Einreichung deutlich erkennbar, dass es sich um einen Entwurf für einen Leistungsreaktor handelt, für dessen kommerziellen Betrieb zur Stromerzeugung eine Änderung des Atomgesetzes notwendig wäre.
Abgesehen davon ist es belustigend, dass der „Atomausstieg“ als „heilige Vereinbarung für immer und ewig“ angesehen wird. Egal, welche Reaktortechnik entwickelt wird, egal was die Zukunft bringt, Deutschland steigt aus der Kernenergie aus, in Ewigkeit, Amen!
In einem hat die Jury natürlich recht: Wenn das Ziel eine „nachhaltige“ Gesellschaft ist, ein hochentroper Dämmerzustand, in dem sich möglichst wenig ändert, dann ist der Dual-Fluid-Reaktor, oder irgendein anderer fortgeschrittener Kernreaktor, in der Tat nicht die richtige Wahl. Hochkonzentrierte Energie ist ein wichtiges Mittel um die Nachhaltigkeit und die „Grenzen des Wachstums“ zu überwinden und der Menschheit zur Weiterentwicklung zu verhelfen!
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