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Kernkraft für Afrika

Nutzbare Energie ist auf der Erde bisher sehr ungleichmäßig verteilt: Von den ca. 15.000 GW, die die Menschheit zur Zeit aufnimmt, entfällt der größte Anteil auf die industrialisierte Welt. Die pro Kopf nutzbare Energie ist ein gutes Maß für Wohlstand und Lebensqualität. Die „Trennlinie“ zwischen arm und reich liegt dabei bei 2000 W/Person – was in etwa der Situation in Mexiko entspricht.

In der industrialisierten Welt haben die Menschen inzwischen die Möglichkeit, ihren Verbrauch zu drosseln, ohne viel Lebensqualität einzubüßen – durch effizientere Technik und gewisse Änderungen des eigenen Verhaltens: Beispielsweise spart man viel Energie, wenn man mit dem Zug nach London fährt anstatt zu fliegen, oder öfters das Auto stehen lässt und den ÖPNV nimmt. In den ärmeren Region auf der Erde – links unten in der oben verlinkten Grafik – kostet der Energiemangel Tag für Tag unzählige Menschenleben: Denn alles, was Menschen dringend brauchen – Nahrungsmittel, sauberes Wasser, Häuser, Kleidung, Medikamente – erfordert in der Produktion viel Energie. Insbesondere die Bereitstellung von Trinkwasser in den tropischen Regionen ist ein energieaufwändiger Prozess, und wird es in der Zukunft noch mehr werden, da die Gletscher sich klimawandelbedingt zurückziehen, was das Volumen an verfügbarem Süßwasser verringert und die Entsalzung des Meerwassers erforderlich macht.

Die Konsequenz hieraus ist klar: Wenn in der Zukunft sieben, zehn oder sogar zwölf Milliarden Menschen menschenwürdig auf der Erde leben können sollen, dann muss deutlich mehr Energie bereitgestellt werden als heutzutage – und zwar nach Möglichkeit aus postfossilen Quellen. Wenn man bedenkt, dass die heute verfügbare Energie zu rund 80% aus fossilen Quellen stammt, begreift man, wie groß diese Herausforderung ist!

Zehn Milliarden Menschen, die auf europäischem Niveau leben wollen, benötigen zwischen 50.000 und 100.000 Gigawatt nutzbare Energie – bis zu sieben mal mehr als heute zur Verfügung steht!

Angenommen, man wollte über die nächsten 50 Jahre hinweg 30.000 GW an postfossiler Energie weltweit installieren: Dies würde es erforderlich machen, tagtäglich 1.6 GW in Betrieb zu nehmen – die Leistung eines großen Kernkraftwerks. Alternativ müssten jeden Tag 80 Quadratkilometer Photovoltaik (bei einem durchschnittlichen Ertrag von 20 Watt pro Quadratmeter in den Tropen) produziert und irgendwo aufgestellt werden, plus die bei Solarenergie unverzichtbaren Zwischenspeicher.

Man sieht daran, dass der Versuch, den Energiemangel auf der Erde nur mithilfe von klassischen Erneuerbaren anzugehen, sich so ausnimmt, als wolle man ein Containerschiff auf dem kleinen Finger hochstemmen: Eine kolossale Aufgabe – Dekarbonisierung der schon vorhandenen Energieerzeugungskapazität und Konstruktion einer noch größeren zusätzlichen Kraftwerksflotte zur Industrialisierung der 3. Welt – soll mit viel zu schwächlichen Methoden in Angriff genommen werden.

Historisch erreichte die weltweite Kernkraftwerks-Baurate 1984 ein Maximum von 30 GW pro Jahr, was ca. einem Kraftwerk alle zehn Tage entspricht. Dies waren Reaktoren der II. Generation, mehr oder weniger Unikate. Wenn Reaktoren der IV. Generation serienmäßig in Fabriken produziert werden, wie Autos oder Flugzeuge, dann sollte ein Reaktor pro Tag keine Schwierigkeit darstellen. Ein modernes Flugzeugwerk vermag täglich ein großes Düsenflugzeug herzustellen – wenn weltweit mehrere Industriewerke zur Serienfertigung von Kernreaktoren entstehen, dürfte es sogar leicht möglich sein, deutlich mehr als 1 GW Kapazität pro Tag zu installieren.

Afrika, Südasien, Südamerika – auch die Bewohner dieser Regionen sollten endlich am Fortschritt der Menschheit teilhaben können, genauso wie die Westeuropäer. Dies geht aber nicht, indem man dort dann und wann einen Brunnen bohrt, hier und da eine Solarzelle auf dem Dach einer Wellblechhütte installiert oder Schulkindern als Zeichen guten Willens Laptops schenkt. Nein, die armen Regionen müssen im Stil des Marshallplans Hilfe zur Industrialisierung bekommen – Hilfe, die sie dabei unterstützt, Straßen, Eisenbahnlinien, Fabriken, Kanäle und moderne landwirtschaftliche Betriebe zu errichten. All dies benötigt jedoch viel Energie, und Kernkraftwerke sind eine Quelle, die schnell produzierbar, kompakt und leistungsstark genug ist, um eine industrielle Revolution zu unterstützen.

Es wäre falsch und kurzsichtig zu sagen, dass die Menschen nicht auch Erneuerbare Energiequellen ausbauen sollten. Im Gegenteil, die tropischen Länder haben große unerschlossene Kapazitäten an Solar-, Wind- und Wasserkraft, die auch unbedingt genutzt werden müssen! Industrieller Aufbau nur auf Basis diffuser, häufig unzuverlässiger Energiequellen ist jedoch nicht gut möglich. Nebenbei bemerkt haben Kernkraftwerke neben der Stromerzeugung noch weitere Vorteile, die sie für eine moderne, technologische Gesellschaft wertvoll machen: Prozesswärme für hitzeintensive Verfahren – z. Bsp. Erzeugung von Wasserstoff – und ein breites Spektrum von Nukliden für Industrie, Forschung und Medizin aus den keinesfalls ausschließlich als Abfall anzusehenden Spaltprodukten.

Betrachtet man die heutige Zivilisation, kann man sich eines gewissen Unbehagens nicht erwehren: Zum einen existieren technologisch hochentwickelte Länder – vor allem in Westeuropa und Nordamerika – deren wissenschaftliches und industrielles Niveau jedoch zu sehr großem Anteil auf dem Verbrauch von umwelt- und klimaschädlichen Fossilbrennstoffen beruht, die überdies mengenmäßig recht begrenzt sind. Zum anderen lebt die Mehrheit der Weltbevölkerung unter sehr ärmlichen oder sogar elenden Bedingungen, vor allem in den tropischen Regionen. Dass der Klimawandel, der zu großem Teil durch den Brennstoffverbrauch der Industrienationen verursacht ist, vor allem in den Drittweltländern unangenehme Folgen – Dürren, Taifune – haben dürfte, macht die Situation noch brisanter.

Einige ziehen daraus die Konsequenz, dass die Menschheit als ganzes ihren Energieverbrauch senken und im Extremfall auf ein vorindustrielles Niveau zurückkehren sollte. Mir scheint, dass diese Leute die Konsequenzen ihrer Vorschläge nicht durchdacht haben, denn:

Würde die Menschheit ihren Energieverbrauch senken, müssten unzählige Menschen ihr Leben lassen! Schon heute töten die Folgen des Energiemangels in der Dritten Welt mehr Menschen als alle Kriege zusammen. Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn die zur Verfügung stehende Energiemenge noch weiter gedrosselt werden würde! Wenn die westeuropäischen Länder die Leistungsfähigkeit ihrer Industrie sehr stark einschränken, haben sie auch keine Möglichkeit mehr, den Menschen in Afrika oder Indien zu helfen. Und um mit den Folgen des Klimawandels fertig zu werden, benötigen wir mehr Energie, nicht weniger – und zwar postfossile.

Eine Zukunft, in der Energiemangel zu humanitären Katastrophen führt, kann sich keiner wünschen. Jeder humanistisch denkende Mensch hofft doch, dass es gelingt, Armut, Hunger, Krieg und Knappheit zu überwinden, im Nebel der Vergangenheit hinter sich zu lassen. Damit das gelingen kann, ist es nötig, die Dritte Welt endlich zu industrialisieren, und dies erfordert wiederum gewaltige Energiemengen. Moderne Kernkraftwerke wie der IFR dürften die beste und praktischste Möglichkeit sein, diese Energiemengen bereitzustellen.

Mir scheint, die Menschheit hat erst dann ein wirklich humanistisches, aufgeklärtes Zeitalter erreicht, wenn alle Menschen ihr volles charakterliches, kognitives und kreatives Potential entfalten können. Ein Mensch, der Mühe hat, sich und seine Familie zu ernähren, kann sein Potential nicht entfalten, da seine gesamte Kraft der nackten Lebenserhaltung dienen muss. Erst, wenn die Menschen genug zu essen und zu trinken, Kleidung, medizinische Versorgung, brauchbaren Wohnraum, sowie natürlich Möglichkeiten sich zu informieren und zu bilden – Schulen, Universitäten, Bibliotheken, Zugang zum Internet – haben, können sie das freisetzen, was in ihnen steckt: Kunst, Wissenschaft, Erfindungen! Man kann davon ausgehen, dass im Kongo, im Sudan potentielle afrikanische Einsteins und Max Plancks schlummern, die aufgrund der dortigen Lebensbedingungen ihre Fähigkeiten nicht nutzen können.

Die Menschheit ist in gewisser Hinsicht wie das Känguru: Sie kann sich nur vorwärts bewegen, nie rückwärts. Der Weg nach vorne führt zur Entfaltung des menschlichen Potentials, nicht zu seiner Fesselung!


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Die Piratenpartei und die Kardaschowskala – ein Artikel von mir, der in eine ähnliche Richtung geht.

Tom Blees: Life in the Fast Lane – Nuclear Power and Climate Change – what now?

Über die Nuklearia

Die Nuklearia ist ein gemeinnütziger, industrie- und parteiunabhängiger eingetragener Verein, der die Kernenergie als Chance begreift und darüber aufklären will. Wir sehen die Kernkraft als besten Weg, die Natur und das Klima zu schützen und gleichzeitig unseren Wohlstand zu erhalten. Denn Kernenergie ist emissionsarm, braucht sehr wenig Fläche und steht jederzeit zur Verfügung. Unser Ansatz ist wissenschafts- und faktenbasiert, unsere Vision humanistisch: erschwingliche und saubere Energie für alle.

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