Die GreenTec Awards, ein von dem TV-Sender Pro7 und der Wirtschaftswoche veranstalteter Wettbewerb, soll, dem Selbstverständnis und Motto nach „ökologisches und ökonomisches Engagement und den Einsatz von modernen Umwelttechnologien fördern“. Es sollen technologische und wissenschaftliche Projekte gekürt werden, die besonders dazu geeignet sind, zum Umweltschutz beizutragen. Hierbei werden aus acht Kategorien – darunter der „Galileo Wissenspreis“ – jeweils drei Projekte in die engere Wahl aufgenommen, zwei davon von der Jury bestimmt und ein weiteres durch öffentliche Wahl via Internet.
Der Dual-Fluid-Reaktor ist ein bemerkenswertes Flüssigsalzreaktor-Konzept: Anstatt, wie bei dem amerikanischen Molten Salt Reactor Experiment, ein und dieselbe Substanz – Salzschmelze in der Brut- und Spaltstoffe gelöst sind – als Reaktionsmedium und Kühlmittel zu nutzen, wird die Kühlfunktion hier von flüssigem Blei übernommen, das durch Röhren zirkuliert, die durch das Reaktionsgefäß laufen.
Dieser Ansatz hat viele Vorteile. Sind Kühlung und Aktiniden-Transport in einem Medium vereint, so müssen ungünstige Kompromisse eingegangen werden: Die Flüssigkeit darf nicht zu schnell zirkulieren, sonst ist die chemische Trennanlage, die Spaltprodukte herausfiltert und neuen Spalt- und/oder Brutstoff zusetzt, überfordert. Sie darf aber auch nicht zu langsam umlaufen, sonst wäre die Kühlung zu schwach, wodurch der Reaktorleistung Grenzen gesetzt werden. Mit von der Salzschmelze unabhängigem Kühlkreislauf sind diese Kompromisse nicht nötig. Der Reaktor kann mit hoher Leistung laufen, und es sind Betriebstemperaturen bis 1000 Grad Celsius möglich, was die Maschine als Prozesswärmeerzeuger für chemische Prozesse, z. B. Treibstofffabrikation, interessant macht. Auch die Neotronenökonomie ist exzellent, es werden hohe Reaktionsraten erreicht, wodurch die Maschine sowohl effizient brüten wie auch Aktinide (Plutonium!) zerstören kann.
Ja, es gibt noch zukunftsweisende Kerntechnik-Projekte made in Germany – auch nach dem Ende von THTR und der politischen Sabotage von Kalkar – wenn auch bislang nur als theoretische Studie des Instituts für Festkörper-Kernphysik Berlin.
Die Wissenschaftler meldeten ihr Konzept nicht nur zum internationalen Patent sondern auch für die GreenTecAwards in der Kategorie „Galileo Wissenspreis“ an.
Der Dual-Fluid-Reaktor fand die Gunst des Publikums. Beim öffentlichen Voting, das bis zum 10.5. lief, kletterte er mit deutlichem Vorsprung auf Platz 1 in seiner Kategorie.
Das gefiel offensichtlich einigen Leuten bei den GreenTec Awards nicht: Die Abstimmungsergebnisse wurden von der Homepage entfernt. Dafür wurde die Bemerkung hinzugefügt, die Nominierungen erfolgten letztendlich unabhängig durch Mitglieder der Jury, was wohl bedeuten sollte: Wenn die Öffentlichkeit ein Projekt favorisiert, das uns nicht in das Konzept von GreenTecAwards zu passen scheint, dann fliegt es raus.
Unter den drei Spitzenreitern in jeder Kategorie soll am 30.8. in einer großen Veranstaltung in Berlin ein Sieger gekürt werden. Offensichtlich dachte man sich: Ein medienwirksames Event in der Hauptstadt des Energiewendelandes – und da taucht in der engeren Wahl plötzlich ein Kerntechnik-Projekt auf?! Während internationale TV-Kameras zusehen! Das geht doch nicht, dann denkt plötzlich die Welt, dass es in Deutschland noch Kernenergieforschung gibt, das würde unsere ökologische Credibility empfindlich stören. GreenTec, das bedeutet Solarzellen, Grünschnittverbrennung, Designerrollkragenpullis aus recyceltem Verpackungsmaterial, Windkraftanlagen – egal wieviele Vögel und Fledermäuse gequirlt werden – aber doch ganz sicher keine Kernreaktoren!
Dies ist natürlich karikierend überzeichnet, aber ich fürchte: nicht sehr. Deutschland ist nahezu komplett ökologistisch gleichgeschaltet. Im Kindergarten lernen die Kleinsten, dass der böse Mensch die arme Natur kaputtmacht, in der Mittelstufe wird „Die Wolke“ von Pausewang gelesen, die Erwachsenen sind einem medialen Sperrfeuer über die Schrecknisse von Kernkraft und Gentechnik ausgesetzt. Solaranlagenbau kann man an jeder Provinzfachhochschule studieren, Lehrstühle für Kerntechnik werden marginalisiert.
Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke, in Zukunft wird Deutschland alle benötigte Energie mit Photovoltaik, Mini-WKA auf Dächern, Grünschnittöfen und dem einen oder anderen Miniwasserkraftwerk bereitstellen.
Man könnte, wenn man wollte, GreenTec Awards nun energisch die Aufforderung zukommen lassen, die Wahl des Publikums nicht zu ignorieren und den DFR wieder unter den Favoriten zu listen. Ich jedoch glaube, dass das Team gar nicht bewußt die Absicht verfolgte, Abstimmungsergebnisse unter den Teppich zu kehren und zu manipulieren. Es handelte sich um business as usual im Medienbetrieb. Ein medienwirksam inszeniertes Event wie die GreenTec Awards hat sich stromlinienförmig zu machen, der vorhandenen oder angenommenen gesellschaftlichen Grundstimmung anzupassen, denn es soll letztlich als Unterhaltung vermarktet werden (vergessen wir nicht, dass der Wettbewerb von Pro7 veranstaltet wird, und nicht von einer Forschungsgesellschaft o. ä.). Unterhaltung – zumindest im Sinne der Massenmedien – besteht darin, dass Erwartungen erfüllt und Überraschungen, Provokationen oder Herausforderungen vermieden werden. Dem Zuschauer wird genau das geboten, was er oder sie erwartet, mit leichten Variationen, um es interessant erscheinen zu lassen, aber ohne grundsätzlich neues zu bieten. Dies ist der zentrale Unterschied zwischen kommerzieller Unterhaltungskultur und Kunst – letztere fordert den Betrachter heraus, animiert ihn, neue und ungewöhnliche Gedanken zu verfolgen.
Der DFR wurde einfach deshalb unterschlagen, weil ein Kerntechnikprojekt zu unerwartet, zu überraschend, zu provokativ wäre. Würde der DFR auf dem Event in Berlin im August auftauchen und eventuell sogar in seiner Kategorie gewinnen, sähen sich unzählige TV-Zuschauer mit dem neuartigen Gedanken konfrontiert, dass Kernkraft doch nicht so schrecklich sein könnte und vielleicht sogar einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten vermag. Aber TV-Unterhaltung, selbst wenn es sich um eine vom Konzept her wissenschaftlich ausgerichtete Veranstaltung wie die GreenTec Awards handelt, will und darf nichts neuartiges bieten. Gestern Pizza, heute Pizza, immer Pizza – man fühlt sich an die Essenswünsche mancher Zehnjähriger erinnert.
Bei einem von Pro7 präsentierten Wettbewerb ist es nicht verblüffend, dass unbequem oder provokativ erscheinende Beiträge ausgeklammert werden. Dennoch möchte ich GreenTec Awards nun energisch die Aufforderung zukommen lassen, die Wahl des Publikums nicht zu ignorieren und den DFR wieder unter den Favoriten zu listen – vielleicht besinnt sich die Jury ja auf ihren wissenschaftlichen Hintergrund und Anspruch und stuft ein innovatives technisches Konzept als wichtiger ein als die Produktion leicht verdaulicher Unterhaltung.
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