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Kernenergie ist sexy!
Kernenergie ist sexy!
Veröffentlicht am 2017-05-28
Von Rainer Klute
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Gastbeitrag von Dieter König

Behälterlager des ZWILAG. Der gesamte hochradioaktive Atommüll der Schweiz passt in eine einzige Lagerhalle. Quelle: ZWILAG AG

Drei Tage nach der Annahme der Energiestrategie 2050 durch das Schweizer Wahlvolk nahmen meine Frau und ich an einer Besichtigung des Zwischenlagers ZWILAG bei Würenlingen teil – zur Überwindung der Abstimmungsdepression und um den Blick meiner Frau über ihre diffus-grüne Grundüberzeugung hinaus etwas zu erweitern. Die von Urs Bolt hervorragend organisierte und von Dr. Uwe Kasemeyer fachlich bestens geführte Tour mit einer Gruppe von Gleichgesinnten führte uns in eine lediglich mittelgroße, bestens gesicherte Industriehalle.

Auf dem vergleichsweise kleinen Areal dieser Halle und in einer zweiten Halle am Standort des KKW Beznau lagert der gesamte hochradioaktive Abfall der Schweiz in großen, speziell hierfür ausgelegten, zylinderförmigen Containern. Eigenen Auges konnte unsere Gruppe quasi den gesamten hochradioaktiven Abfall der Schweiz aus mehr als 45 Jahren nuklearer Energieerzeugung überblicken. That’s it!

Reicht für den gesamten hochradioaktiven Atommüll der Schweiz: zwei Lagerhallen

Laut Dosimetern erhielten wir während der mehrstündigen Tour etwa die gleiche Strahlendosis wie während einer Stunde auf einem Flug von Zürich nach New York. Dazu zählte auch ein Aufenthalt direkt zwischen den Transport- und Lagerbehältern mit den hochradioaktiven Abfällen. Die Kühlrippen fühlen sich wie recht warme Radiatoren einer Zentralheizung im Winter an. Verbrennen kann man sich daran zwar nicht, aber man spürt die gewaltige Restenergie des »Abfalls« auch noch nach Jahren.

Diese sogenannte Nachzerfallswärme entsteht durch radioaktive Zerfälle vor allem der Spaltprodukte im Inneren der Behälter. Die Nachzerfallsleistung eines Behälters beträgt anfänglich etwa 20 bis 50 Kilowatt und nimmt im Lauf der Zeit ab. Nach 40 Jahren Zwischenlagerung sind die hochaktiven Abfälle soweit abgeklungen, dass sie einer Tiefenlagerung zugeführt werden können. Alternativ könnte man das enthaltene Uran und die Transurane als Brennstoff in Schnellen Reaktoren der Generation IV als Brennstoff nutzen, doch ist das in der Schweiz nicht vorgesehen.

Beim abschließenden Kontaminations-Check wurde bei keinem von uns auch nur ein Becquerel an Kontamination entdeckt – und wir alle wurden wieder problemlos aus der kontrollierten Zone entlassen. Auch hier: That’s it!

Überschlägig geschätzt entspricht die im ZWILAG gelagerte Menge an Abfall – beziehungsweise an Wertstoff für Kernreaktoren der Generation IV – der Energieerzeugung von mehr als 100 Gigawattjahren Elektrizität seit 1969. Dies wiederum entspricht etwa einer Gigatonne vermiedener CO2-Emissionen im Vergleich mit Kohlekraft beziehungsweise 300 bis 400 Millionen Tonnen CO2 im Vergleich mit modernsten, aber teuren GuD-Gaskraftwerken – ganz zu schweigen von den vermiedenen Emissionen verschiedenster Luftschadstoffe und Feinstaub.

Grüner Tunnelblick verhindert Sicht auf Lösungen

Trotz Klimawandels behaupten »Grüne« weiterhin allen Ernstes, dass »die enormen Risiken der Atomkraft« deren Vorteile bei weitem überwögen. Den Kernkraftkritikern ist es in über 40 Jahren unermüdlichen Einsatzes gelungen, die Diskurshegemonie zu erobern, also zu bestimmen, was öffentlich sagbar ist und was nicht, was verwerflich und was moralisch ist, was rückständig und was fortschrittlich. Sie brachten die etwa 100 Millionen Menschen umfassende deutschsprachige Bevölkerung dazu, die Kernenergie mehrheitlich abzulehnen. Kein Wunder: Die grünen Strategien funktionieren ja, die Spendengelder fließen, sogar bürgerliche Parteien erliegen grünen Kommunikationsstrategien.

In der Retrospektive mag zwar der ungezügelte Fortschrittsglaube der sechziger Jahre heute etwas gar naiv anmuten, andererseits darf man ohne weiteres annehmen, dass der heute vorherrschende, im Wesentlichen dem Zeitgeist geschuldete und zuweilen völlig übertriebene Technikpessimismus in künftigen Zeiten ebenfalls einer recht kritischen Betrachtung und Bewertung unterzogen wird.

Denn er ist heute mindestens ebenso übertrieben und verhindert durch den dadurch induzierten »Röhrenblick«, dass vorhandene kraftvolle Lösungspotentiale politisch entweder völlig übersehen oder zumindest massiv unterschätzt werden.

Unverzichtbar für ein angemessenes Lebensniveau: stabile, saubere Stromversorgung

Doch den Menschen einer Welt, welche bis 2050 wohl bis zu 10 Milliarden Menschen tragen wird, können Humanisten ein anständiges Lebensniveau nicht verweigern. Dieses ist aber ohne eine für alle ausreichende Energieversorgung auf einem minimalen, stabilen Niveau schlichtweg undenkbar.

Für eine solche, hoffentlich deutlich bessere, Welt braucht es in der Summe jedoch gewaltige Mengen klimaneutraler, zuverlässiger und im Vergleich mit anderen Energieerzeugungsformen sehr sauberer Energie.

Auch der alles andere als für eine euphorische pronukleare Einstellung bekannte IPCC hat sich in den letzten Jahren dieser Einschätzung angeschlossen. Er geht sogar davon aus, dass die Pariser Klimaziele 2015 nur mit einer Verdoppelung, ja Verdreifachung nuklearer Energieerzeugungskapazitäten erreicht werden kann. Die Internationale Energieagentur (IEA) kommt zu ähnlichen Schlussfolgerungen.

Allerdings verschließen sich die grünen Ideologen solchen Einsichten weiterhin ganz bewusst, um ihre Basis bei der Stange zu halten – obwohl auch renommierte Klimaforscher wie Dr. James Hansen und Dr. James Lovelock händeringend die sinnvolle Nutzung aller faktisch klimaneutraler Energieformen fordern. Dazu gehören Wasserkraft und Erneuerbare, aber eben auch Kernenergie – insbesondere deren weiterentwickelte Formen.

Deshalb ist es allerhöchste Zeit, hier sehr deutlich gegenzusteuern! Kernenergie und die damit verbundenen politischen und gesellschaftlichen Positionsbezüge sollen wieder »sexy« werden! Offensichtlicher Stuss, Ignoranz, Verzagtheit durch bei weitem überzogenem Betroffenheitsdenken und damit verbundenes traditionelles Gloom-and-Doom-Denken der grünen Ideologen ist aber das genaue Gegenteil davon.

Sachargumente statt grüner Diskurshoheit

Nicht wir – als Kernenergiebefürworter heute eine Minderheit – haben uns für unsere scheinbaren Außenseiterpositionen zu rechtfertigen, sondern die Kernenergiegegner. Denn angesichts des Klimawandels argumentieren sie bewusst selektiv antiwissenschaftlich und handeln durch Ablehnung der Kernenergie faktisch pro Klimawandel.

Kernenergiegegner waren früher auch einmal eine recht kleine, aber dafür umso lautstärkere Minderheit. Es ist allerhöchste Zeit, sie und vor allem ihre Anführer mit den besseren Argumenten, die wir auf unserer Seite wissen, für ihre verantwortungslose Haltung zum Klimawandel lautstark und selbstbewusst in die Verantwortung zu nehmen.

Im etwas idealisierten Setting des »herrschaftsfreien Diskurses« (Jürgen Habermas) bei welchem ausschließlich die fair vorgetragenen Argumente zählen und nicht die politischen, gesellschaftlichen Positionen der Diskutanten in der »menschlichen Hackordnung« zählen, sollten wir leicht die Oberhand gewinnen.

Denn schließlich haben wir heute die besseren Argumente!

Update 2017-05-29

Die ZWILAG machte uns freundlicherweise auf einige sachliche Fehler aufmerksam. Der Text ist jetzt entsprechend korrigiert beziehungsweise erweitert. Die wichtigsten Änderungen:

  • Am Standort des Kernkraftwerks Beznau existiert ein weiteres Zwischenlager mit Transport- und Lagerbehältern. An der Tatsache, dass die Menge hochradioaktiver Abfälle insgesamt klein ist, ändert das aber nichts.
  • Kurze Erläuterung der Nachzerfallswärme ergänzt.

Update 2017-08-19

Im Text korrigiert: Bei der Ausgangskontrolle wird eine etwaige Kontamination in Becquerel gemessen (Aktivität), nicht in Mikrosievert (Dosis).


Dieter König

Dieter König ist Geschäftsführer einer Management- und ICT-Beratungsfirma. Bis zum Fukushima-Unglück war er »lauwarmer Atomgegner« (König über König) und begann danach, sich ernsthaft mit Umwelt-, Energie- und Nuklearthemen auseinanderzusetzen. Seitdem ist König »semi-professioneller Hinterfrager medial vermittelter Realitäten« und Überzeugungstäter in Sachen Kernkraft.

Kategorien
Atommüll
Politik
Tipa Riordan sagt:

Nur eine kleine Richtigstellung: Im Artikel steht “Beim abschließenden Kontaminations-Check wurde bei keinem von uns auch nur ein Mikrosievert an Kontamination entdeckt (…)”.

Kein Wunder … nach Mirosievert (Dosis) wird da auch nicht gesucht – Bequerel/cm² wäre für Kontamination richtig gewesen.

Bei solchen Dingen fällt jeder Strahlenschützer beim Lesen in ein mentales Schlagloch …

Michael Frotscher sagt:

Als Strahlenschützer kann ich nur zustimmen, ein Ausgangsmonitor bestimmt Aktivität, nicht Dosis.

Dieter König sagt:

Mentale Schlaglöcher wollen wir natürlich vermeiden! Deshalb werde ich als Autor eine kleine Textänderung vornehmen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Beste Grüsse
Dieter König

Werner Müler sagt:

Kernenergie ist sexy!

OK

aber zu teuer.

Das kWh aus dem neuen AKW in England kostet ca. 11 Cent + Inflationsausgleich + 35 Jahre Einspeisevergütung + Bürgschaften von England.

Das kWh aus neuen Windkraftanlagen gibt es bei den ersten Anlagen für genau 0,00 Cent EEG Einspeisevergütung.
Bei PV gibt es bei neuen größeren Anlagen ab 5,38 Cent/kWh für 20 Jahre und ohne Inflationsausgleich.

Gruß

Sebastian sagt:

Falsch gerechnet! Denn zu den Zahlen für die genannten Wind- und Solaranlgen kommen dann noch die Kosten für die Backupkraftwerke hinzu, die grundlastfähig sein müssen, also bestenfalls wieder KKW.

Peter Weigl sagt:

Hier ist anschaulich dargestellt wie die “Erneuerbaren” lediglich die wegfallende Kernkraft wettmachen können:
https://ourworldindata.org/grapher/global-electricity-production-by-source

Aus diesem Artikel: “Global renewables are growing, but are only managing to offset the decline in nuclear production”
https://ourworldindata.org/global-renewables-are-growing-but-are-only-managing-to-offset-a-decline-in-nuclear-production/

Anna Veronika Wendland sagt:

Wir sollten, liebe Kommentatoren, doch beim Thema bleiben. Und da ich in diesem Kreise unter technischen Profis meist die einzige Historikerin bin, hier ein Wort vom Profi: Es erklären sich nicht alle Übel dieser Welt, auch nicht die Abschaffung der Kernenergiewirtschaft in Deutschland, durch die “US-Hochfinanz”. Und leider Gottes waren auch nicht 90% aller Deutschen “keine Nazis”, die nur mit einem Tränchen im verschlafenen Auge ihren jüdischen Nachbarn beim Umzug zugesehen haben. Es gibt inzwischen genug historische Evidenz auf breiter Quellengrundlage, die belegt, dass der NS in weiten Teilen Deutschlands Mehrheits- und Leitkultur war, und dass die lieben Nachbarn, vom Großunternehmer bis zum Dienstmädchen, von der Enteignung und Ermordung der deutschen und europäischen Juden direkt profitierten (siehe Götz Alys Forschungen auf der Grundlage der Akten der Finanzämter).
Wenn wir zum Kern der Sache zurückkehren, nämlich der Kernenergiepolitik, und wenn wir mit unserer Position Menschen überzeugen möchen, dann rate ich dringend davon ab, in dieser Diskussion auf ein Terrain abzugleiten, wo man gegen echte Profiis, nämlich die gut aufgestellte deutsche und internationale Geschichtswissenschaft, nur verliert, und zwar zu Recht.

Felix in the Sky sagt:

Das mag alles sein und auch heute profitiert der Deutsche von Ermordungen in Afrika. Aber all das macht es nicht besser und nur weil die Mehrheit nicht den Mut hat aufzustehen, heißt das nicht, dass die Mehrheit dafür ist. Sie ist einfach mental zu schwach dagegen zu sein – so sieht’s nämlich aus. Und meinen Sie wirklich im Ernst, der Deutsche zur Nazizeit hat sein Maul gehalten, weil die Besteuerung seines Vermögens bzw. dessen Aufbau sich besser/einfacher gestaltete, weil man seine Nachbarn ermordet hat?! Dass die Deutschen davon profitierten war ja logisch, Hitler hätte wohl kaum etwas getan, was ihm selbst schadete. Aber das auf Grundlage von Finanzakten beweisen zu wollen ist in etwa das gleiche, wie heute auf der Basis beweisen zu wollen, dass der Großteil der Deutschen brav ihre Steuern zahlen. Das überzeugt nur leichtgläubige… Zudem wird damit behauptet, dass 90% der Deutschen unmenschliche Arschlöcher waren…
Und wenn ich mir die wissenschaftlichen Debatten in der letzten Zeit zu verschiedenen Themen anschaue, dann kann ich über den Begriff “Profi” nur noch müde lächeln. Schon allein die Schlammschlacht der angeblichen Experten und Wissenschaftler bzgl. des “menschengemachten Klimawandels”. Mir kommen echt langsam die Tränen…
Im Übrigen mal was zu “breiter Quellengrundlage”. Das kann man immer behaupten, dass es viele “echte” Quellen für irgendwelche Themen gibt. Ich will jetzt hier nicht den Verschwörungstheoretiker raushängen lassen, aber wer von der breiten Bevölkerung ist denn überhaupt imstande diese Quellen im Original zu prüfen und deren Echtheit zu bestätigen? Selbst bei den Politikern hat man Jahre gebraucht, um heraus zu bekommen, dass da einige Ihre Diplomarbeiten abgeschrieben bzw. sogar ganz gefälscht haben. Ich möchte auch nicht wissen, wie viele schwarze Schafe es dort noch gibt. Das Wissen der breiten Masse basiert auf Glauben! Ein Beispiel waren auch die Hitler-Tagebücher. Da dachte man ja auch es wären “echte Quellen” – Pustekuchen. Solange man keine Zeitreisen unternehmen kann, glaube ich der Historie nur sehr bedingt…

Rainer Klute sagt:

Sorry, aber hier geht es um Kernenergie. Bitte beim Thema bleiben!

Elmar Oberdörffer sagt:

Kernenergie ist sexy, auch ohne den Schwindel vom menschengemachten Klimawandel. Wir müssen uns doch nicht einem der größten Betrugsmanöver anschließen, mit denen bestimmte Kreise der US-Hochfinanz uns ausbeuten und unterwerfen wollen. Die Kernenergie hat auch so große Vorteile gegenüber den fossilen Energien. Laßt uns die hervorheben und auf den Klimaschwindel verzichten.

Sebastian sagt:

Sehe ich auch so. Kernenergie hat vollkommen unabhängig von der eigenen Meinung über das Für und Wider des menschengemachten Klimawandels (oder halt des Gegenteils) Vorteile.

Sichere, gleichmäßige (Grundlast) Stromversorgung zu unschlagbar günstigen Preisen, geringer Fläschenverbrauch (hohe Leistungsdichte pro qm Fläche), Emmissionsfreiheit, geringster Rohstoffverbrauch durch höchste Energiedichte des Ausgangsmaterials, Versorgung mehrheitlich aus politisch stabilen Ländern, langfristig gesicherte Rohstoffquellen (zzgl. des Einsatzes von heutigem “Atommüll”) u.v.w.m.

Sebastian sagt:

Toller Bericht! Danke dafür.

Ich klammere bei der Betrachtung der über 100 Millionen Deutschen (Ethnie, nicht Nationalität) mal die Schweizer Abstimmung (die ja durchaus knapp ausfiel) aus. Erstens werden in der Schweiz die KKW unbegrenzt weiterbetrieben und zweitens bezieht die Schweiz ihren Strom zu 60 % aus Wasserkraft und hat deshalb eine gänzlich andere Ausgangslage als Deutschland oder auch Österreich. Dazu kommt, dass die Schweiz historisch wie auch in der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung nur bedingt als “deutsch” eingeordnet werden kann.

Warum dann die hohe Ablehnung der Kernkraft bei den restlichen Deutschen? Und was dagegen tun?

Hat denn die Regierung ein Interesse an nahezu unbegrenzter billiger Energie? Ich meine nein. Energie ist eine Grundvoraussetzung für das Leben, insbesondere das moderne Leben, und deshalb auf derselben Stufe einzuordnen wie Lebensmittel und gesundheitliche Versorgung.

Wer Macht – oder weniger bedeutungsschwer ausgedrückt – Einfluss auf grundlegende lebenswichtige Dinge hat, hat Macht/Einfluss über die Menschen. Schon Stalin wusste das (Stichwort Holodomor). Sämtliche Diktatoren haben bei Machtergreifung auch immer die Schlüsselindustrien ihres jeweiligen Herrschaftsbereichs unter ihre Kontrolle gestellt. Nein, heutige Demokratien sind keine Diktaturen. Aber Politiker vereint immer der Wunsch nach Macht. Und so bedienen sie sich mehr oder weniger auffällig der jahrtausendalten hergebrachten Methoden. Ja, Politik ist ein schmutziges Geschäft!

Der deutsche Strompreis (in Österreich sieht es nicht sehr viel besser aus) besteht zu über 50 % aus staatlichen Abgaben. Über Steuern (oder wie auch man eine staatliche Abgabe euphemistisch bezeichnen mag, was nichts am eigentlichen Inhalt ändert) lassen sich ganz hervorragend alle möglichen Dinge steuern und damit eben Macht und Einfluss ausüben.

Man bedenke nur, dass aufgrund des Entzugs der Geschäftsgrundlage durch die deutsche Regierung die meisten Stromerzeuger vor ihrer baldigen Verstaatlichung stehen, denn aufgrund ihrer Systemwichtigkeit wird man sie nicht in die Insolvenz entlassen. Die ENBW ist bereits ein reines Staatsunternehmen (98 % der Aktien gehören dem Staat).

Damit hat man mit demokratischen Mitteln das erreicht, was auch jeder Diktator mit zugegebenermaßen etwas rabiateren Mitteln macht. Die Regierung hat dann Kontrolle über lebenswichtige Schlüsselindustrien.

Und da der Deutsche (wieder ethnisch gemeint, nicht national) nun mal eine ausgeprägte Obrigkeitshörigkeit hat (keine Ahnung, ob das genetisch oder einfach nur historisch verankert ist), passiert das alles nicht nur ohne nennenswerte Gegenwehr, sondern auch noch unter lautem Klatschen.

Man bedenke die dunkelste Zeit der deutschen Geschichte. Die meisten Deutschen waren keine Nazis. Die meisten waren unpolitisch und wollten einfach in Ruhe gelassen ihr Leben leben. Wirkliche Nazis waren nur eine kleine Minderheit. Aber das reichte. 90 % (oder wie hoch auch immer der tatsächliche Anteil der normalen Menschen war) machte einfach, was die Obrigkeit befahl. Dann bedauerte man zwar, dass die netten jüdischen Nachbarn, die man schon lange kannte, abgeholt wurden. Aber kann man halt nichts machen. Es gibt halt Gesetze. Und keiner von uns behaupte vorschnell, wir hätten anders reagiert!

Deshalb – ich weiß, lange Vorrede, sorry – bin ich sehr skeptisch, dass sachliche und wissenschaftliche Argumente wirklich ein Umdenken bewirken können. Mag sein, dass ich zu skeptisch in dieser Hinsicht bin, aber ich empfinde es so.

Ein nicht repräsentatives Beispiel: Ein Arbeitskollege von mir. Studierter Elektroniker, also mit einer wissenschaftlichen Ausbildung. Vielseitig interesiert, arbeitet im IT-Bereich. Versiert in der Analyse komplexer technischer Probleme. Er hat eine Radioaktivitäts-Phobie. Ob es eine medizinische Phobie ist, weiß ich natürlich nicht, auch wenn es sich für mich in der Tat so darstellt. Er ist der festen Überzeugung, dass jedes freie Elektron oder Neutron ihn ins Grab bringt.

Wenn wir über kerntechnische Themen diskutieren, ist das Gespräch exakt in dem Moment beendet, wenn ich ihm unbestreitbare wissenschaftliche Fakten über diesen Themenbereich präsentiere. Damit meine ich nicht Dinge, über die man unterschiedlicher Auffassung sein kann. Ich meine simple wissenschaftliche Fakten (nachgewiesene Strahlenopfer, Funktionsweise von Kernkraftwerken etc.). Er beendet dann sofort das Gespräch und verbittet sich jede weitere Diskussion darüber.

Und ja, leider glaube ich, dass er da nicht zwingend eine absolute Ausnahme ist, sondern dass viele Menschen mehr oder weniger offensichtlich so reagieren.

Wissenschaftlich fundierte Aufklärung, wie es Nuklearia macht, ist niemals falsch, wird aber meiner Ansicht nach eine nachhaltige Wirkung verfehlen. Leider. Das durfte der Vorläufer von Nuklearia als AG in einer sich als durchaus aufgeklärten und modern sehenden Partei ja bereits ausreichend erfahren,

Meiner Ansicht nach muss der Finger immer wieder in die finanzielle Wunde gelegt werden. Extrem hohe Strompreise, wirtschaftliche Auswirkung, Abwanderung enegieintensiver Industrien, fehlender Beitrag der erneuerbaren Energien zur deutschen Wirtschaft, €25+ Milliarden an Subventionen pro Jahr etc.

Und, ja leider, es wird eines größeren Blackouts mit all seinen katastrophalen Folgen bedürfen, bevor der gemeine Deutsche aufwacht. Das bedeutet nicht, dass irgendwer von uns sich so etwas wünschen sollte. Aber ein solcher wird, wenn das Ruder nicht rumgerissen wird, unvermeidbar sein und kommen. Australien war da nur ein kleiner Vorgeschmack. Und die Bevölkerungsdichte dort ist verglichen mit Europa geradezu mikroskopisch gering.

Rainer Klute sagt:

Ja, rationale Informationen erreichen leider nur eine Minderheit, da sollten wir uns in der Tat nichts vormachen. Aber immerhin, diese Minderheit gibt es, sie ist es wert, und ich habe den Eindruck, sie zieht Kreise – wenn auch (noch) kleine.

Dann gibt es die große Mehrheit, die sich noch nie wirklich über Energiethemen Gedanken gemacht hat und auch nicht anlaßlos machen wird. Man ist halt gegen Kernenergie, weil … weil das irgendwie schlecht ist. Anlässe, sich Gedanken zu machen, könnten Stromabschaltungen und/oder weitere Strompreissteigerungen sein. Dann dürften Stimmung und Meinung dieser Gruppe schnell kippen. Dann ist es gut, wenn es Leute aus der oben genannten Minderheit gibt, die die Sache erklären oder zumindest auf Informationen hinweisen können.

Und schließlich gibt es die Minderheit der Energiewende-Pusher und -Profiteure. Da sind Hopfen und Malz verloren.

Sören Hader sagt:

“Anlässe, sich Gedanken zu machen, könnten Stromabschaltungen und/oder weitere Strompreissteigerungen sein. Dann dürften Stimmung und Meinung dieser Gruppe schnell kippen.”

Das klingt fast so, als wenn Sie sich das regelrecht herbeiwünschen. Ich muss auch generell fragen, ob Sie so wenig Zutrauen in ihre eigenen rationalen Argumente haben, dass sie das quasi als nutzlos hinstellen. Ich teile ja weitgehend ihre Fürsprache der Kernenergie NICHT, aber trotzdem möchte ich lieber von rationalen als von emotionalen Argumenten überzeugt werden. Und ich möchte mich ernst genommen fühlen. Wenn meine skeptische Haltung zur Kernenergie beispielsweise pauschal als Phobie und Unwissenheit abgetan wird, dann habe ich nicht den Eindruck, dass man mich auf gleicher Augenhöhe sieht. Und selbst wenn der Großteil der Menschen sich nicht mit der Energieversorgung befasst, würde ich erstmal diejenigen von meiner Ansicht überzeugen, die sich damit auskennen. Wenn aber das schon scheitert, würde ich die gesamte Strategie überdenken.

Das sind so die Gedanken, die ich habe, wenn ich immer wieder mal hier reinschaue. Danke das ich sie hier mal loswerden kann.

Rainer Klute sagt:

Ob ich mir Stromabschaltungen herbeiwünsche? Nein, natürlich nicht! Ich sehe aber, daß es bei der gegenwärtigen Energiepolitik und der Stillegung immer mehr konventioneller Kraftwerke (also nicht nur Kernkraftwerke) in den nächsten Jahren zwangsläufig darauf hinausläuft, gerade in Süddeutschland.

Was soll man denn machen, wenn schlichtweg nicht genug Strom für alle da ist? Dann schaltet man Teilnetze ab (Lastabwurf), damit der verbleibende Strom für den Rest reicht.

Wir sehen das aktuell in Südaustralien, das einen sehr hohen Windkraftanteil hat, wo Kohle- und Gaskraftwerke stillgelegt wurden und wo bei Flaute Lastabwürfe die Folge sind. Jetzt versucht der Bundesstaat mit allen Mitteln, die Versorgungssicherheit wieder herzustellen, insbesondere mit großen Dieselgeneratoren, die sich kurzfristig installieren lassen. Und Tesla baut den nach eigenen Angaben weltgrößte Lithium-Ionen-Akku mit einer Kapazität von 129 MWh. Bei voller Leistungsabgabe (100 MW) ist er allerdings bereits nach 77 Minuten leer – insgesamt nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Energieexperten hatten zuvor vor einem zu hohen EE-Anteil gewarnt, doch die Politik ignorierte das. In Deutschland ist es genauso. Und wie in Südaustralien wird auch hierzulande erst die Macht des Faktischen die Energiepolitik verändern können.

Felix in the Sky sagt:

Vielen Dank für diesen ausführlichen Kommentar. Ich stimme Ihnen voll und ganz zu und kann dem nichts mehr hinzufügen. So nehme ich die Wirklichkeit auch wahr…