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»Warum pro Kernenergie?« – Eine etwas andere Fragestellung
»Warum pro Kernenergie?« – Eine etwas andere Fragestellung
Veröffentlicht am 2017-05-21
Von Rainer Klute
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Gastbeitrag von Rainer A. Stawarz

Kernkraftwerk Belojarsk (Белоярская АЭС).
Der Reaktorblock 4 ist ausgestattet mit einem schnellen Brutreaktor vom Typ BN-800, der nicht-spaltbare Nuklide aus Kernwaffen bzw. aus Abfall herkömmlicher Reaktoren verbrennt.
Quelle © Nucleopedia

Genauso wie wohl jeder Befürworter friedlicher Nutzung von Kernenergie werde ich häufig gefragt, wie ich denn »für die Atomkraft« sein kann und das angesichts von Fukushima, Tschernobyl etc. Meine Geduld reicht im Normalfall durchaus dafür aus, auf diese »Argumente« – so platt sie im Einzelnen sein mögen – peu à peu und sehr differenziert einzugehen.

Gelegentlich verweise ich auf das www, wo z.B. unter https://rainerklute.wordpress.com/2014/01/02/warum-Kernenergie die Argumente für Kernenergie fast schon tabellarisch zusammengefasst sind, aber normalerweise wie gesagt scheue ich all die Mühen der Argumentation gegenüber noch so bornierten »Antiatomikern« eben nicht.

Doch neulich ist mir diese Standardfrage in einer anderen, eher unerwarteten Form gestellt worden und zwar von Bekannten, die um meine Meinung hierzu wussten. Ich fand die anschließende Diskussion so spannend, dass ich es für angebracht hielt, sowohl die Fragestellung selbst als auch meine Entgegnung hier zu thematisieren. Und die Fragestellung selbst lautete in etwa folgendermaßen:

Was haben wir eigentlich von der Kernenergie?

»Mir kommt es manchmal vor, als seist du für die Atomkraft um der Atomkraft willen. Sag uns doch einfach, welch eine Welt dir vorschwebt? Angenommen, wir schlucken deine Dual-Fluid-Reaktoren und wie sie alle heißen. Was haben wir davon?«

Diese Vorlage nahm ich gerne auf: »Was ihr davon habt?« fragte ich in mich hinein und fuhr dann (sinngemäß) fort:

Dual-Fluid-Reaktor (DFR). Es handelt sich um eine technisch anspruchsvolle Konstruktion, deren Coup darin besteht, den Kreislauf mit »verflüssigtem« spaltbaren Material durch einen Bleikreislauf zu umhüllen. Das Blei spielt dabei den »Neutronen-Reflektor«, der umso durchlässiger wird, je höher die Temperatur ist. Zusammen mit dem thermonuklearen Doppler-Effekt verleiht es dem DFR einen stark negativen Temperatur-/Reaktivitäts-Koeffizienten, was die sogenannte »inhärente Sicherheit« des DFR gegenüber anderen Reaktorkonzepten weiter steigert. Quelle © Institut für Festkörperkernphysik, Berlin

Gut. Dann stellen wir uns vor, der Bau und Betrieb von Kernreaktoren wird genehmigt – von mir aus unter der Auflage, dass die »Atommüll-Bilanz« negativ (!) zu sein hat und die Leistung der Reaktoren beschränkt bleibt, auf einige Hundert Megawatt in Gottes Namen. Eine solche gesetzliche Vorlage würde dann wohl zwangsläufig Flüssigsalzreaktoren hervorbringen, sehr wahrscheinlich DFRs. Nehmen wir des weiteren an, ganz Oberrhein legt sich 2 bis 4 solche Reaktoren zu und andere Regionen in Deutschland tun’s ebenso. All diese Reaktoren sind so klein, dass sie quasi in den HWR eines Einfamilienhauses passen, also wären die Folgen eines ohnehin unwahrscheinlichen Störfalls sehr überschaubar.

Was dann passiert, ist sozusagen Geschichte – jedenfalls in die Zukunft hinein projiziert. Da unsere Reaktoren mit Schadstoffemissionen gar nichts am Hut haben (was steuerrechtlich entsprechend zu würdigen ist 😳) und anderseits mit einem EROI von sagenhaften 2000 (!) aufwarten, sind sie vollkommen konkurrenzlos. Fossile Kraftwerke oder EEs werden so total unrentabel, mit der Folge, dass immer weniger Schornsteine rauchen, sich immer weniger WKAs drehen und PVs glitzern. Ja, und die Verbrennungsmotoren wie auch die konventionellen Heizungen, die werden immer seltener. Alles fährt und heizt elektrisch!

»Sounds of Nature« – dank Kernkraft

Müllheim (Baden). Eine Idylle, die auch in einer Großstadt Realität werden könnte. »Sounds of Nature« dazu- und die Schornsteine wegdenken. Alles funktioniert nur mit flächendeckendem Einsatz von Kernenergie.

Auf einmal entdecken wir verloren geglaubte »Sounds of Nature« wieder. Man höre und staune, auch in den Großstädten zwitschern die Vögel, rauschen Bäume und Flüsse. Frühere Klagen und Erkrankungen wegen Lärmbelastung ebben ab: Der Infraschall der WKAs zieht sich genauso zurück wie der Schatten- oder Eiswurf derselben, und die Elektroautos fahren ja ohnehin extrem geräuscharm. Mehr noch: Wir gewinnen allmählich unseren »freien Blick« zurück. Denn es werden nicht nur bockhässliche Windräder zurückgebaut, sondern auch die Hochspannungslinien oder sonstige Stromtrassen, da die relativ kleinen DFRs extrem dezentralisierend wirken.

Von Schadstoffen spricht indes kein Mensch mehr – jedenfalls nicht im Zusammenhang mit Stromproduktion. Erfreut stellen wir fest, dass das Fensterputzen viel seltener angesagt ist als früher und dass auch sonst alles sichtlich sauberer ist. Manche staunen darüber, dass neben anderen Schadstoffen wie NOx, SOx, Feinstaub, Schwermetallen bis hin zu Transactiniden 😳, eben auch und gerade die letzteren, also die radioaktiven unter ihnen, nahezu dramatisch zurückgegangen sind ➡. Doch das Erfreulichste dabei: Auch die Erkrankungen, mit allen – nicht selten gar tödlichen – Konsequenzen gehen sowohl fühlbar als auch messbar zurück!

Bedrohung durch Radioaktivität: Ammenmärchen des internationalen Ökologismus

»Durch die Tagebautätigkeiten wird das natürliche Gleichgewicht gestört. Tochternuklide der natürlich in der Kohle und dem Abraum vorkommenden radioaktiven Stoffe werden über den Feinstaub und das Sümpfungswasser in die Umwelt freigesetzt.« Grafik: BG Niederzier. Quelle © BUND. https://www.bund-nrw.de/themen/braunkohle/hintergruende-und-publikationen/braunkohle-und-gesundheit/radioaktivitaet-aus-tagebauen

➡ Zu den wohl bekanntesten Ammenmärchen des internationalen Ökologismus zählt wohl dasjenige über die angebliche Reduktion der radioaktiven Exposition (im Zuge der Ökologisierung, »Energiewende« oder was auch immer) – frei nach dem Motto »… wenn wir schon in Sachen CO2 etc. eher überschaubare Erfolge erzielt haben, so ist doch die Umwelt wenigstens nicht mehr so »verstrahlt« wie früher.«

Ich persönlich zähle es gar zu den wichtigsten Lebenslügen der internationalen Anti-Atom-Bewegung – neben den »unbewohnbar verstrahlten Landschaften nach einem GAU«, dem »ewig strahlenden Müll« o.ä. Und wie es häufig mit Lebenslügen so ist, trifft auch hier das genaue Gegenteil zu: Die deutsche sogenannte »Energiewende« hat nämlich die Verstromung von fossilen Brennstoffen nicht nur nicht reduziert, sondern – wen überrascht es – deutlich erhöht, mit der Folge, dass die damit einhergehende radioaktive Exposition gleichermaßen angestiegen ist. Diesem Umstand war es übrigens seinerzeit geschuldet, dass eine Greenpeace-Studie sage und schreibe 3000 Tote jährlich in Deutschland aufgrund des radioaktiven Feinstaubs errechnet hatte – eine Studie, die mittlerweile nur noch schwer im Netz zu finden ist … 😉

Und so schloss ich meine Ausführungen mit einer an die Runde gerichteten Frage, die da sinngemäß lautete: Ist euch denn eine solche Welt nicht hier und da mal einen kleinen, idiotensicheren und den Müll fressenden Kernreaktor wert? Intakte Landschaften, Flora und Fauna, kaum Schadstoffe, wenig Lärm etc. – das alles bei intakter Wirtschaft (dank »echtem« Jobmotor Kerntechnik) und, nebenbei gesagt, keine Kriege mehr ums Öl, keine Erpressbarkeit mit Rohstoffen und/oder Energie durch irgendwelche Schurkenstaaten – wollt Ihr das wirklich opfern wegen eurer bescheuerten Radiophobie? Ihr seid mir schöne Umweltschützer, ihr Ökologisten! Pfui Teufel 👿!

➡ Intakte Umwelt in Sound und View. Einfach genießen!

Dieser Beitrag erschien zuerst in der AG Energetik.


Rainer A. Stawarz

Rainer A. Stawarz ist Jahrgang 1960, Diplom-Informatiker und Gründer und CEO der [K|S] Informatik GmbH und der [K|S] Informatik (Schweiz) GmbH. Neben Theoretischer Informatik studierte er auch Industrielle energetische Anlagen sowie Reaktor- und Kernphysik.

Kategorien
Allgemein
Dual-Fluid-Reaktor
Aloys Hübbers sagt:

Warum Dual-Fluid-Reaktoren?
Ich bin total begeistert von den phantastischen Möglichkeiten der DFR-Reaktoren nach dem Konzept des IFK in Berlin. Warum?
1. Sehr hoher Erntefaktor von 2000
2. Strompreis weniger als 1Euro-Cent pro kWh, elektrisches Heizen und Elektromobilität würden befeuert
3. Kraftstoffsynthese zu rentablen Kosten und die Verbrennungsmotoren könnten weiter betrieben werden
4. Meerwasserentsalzung und
Trinkwassergewinnung für Trockenregionen der Erde
5. Nutzung der hochradioaktiven Abfälle der Altreaktoren als Kernbrennstoff, dadurch keine kostspieligen Endlager für diese Abfälle erforderlich
6. Die Rückstellungen für die Endlagerung und den Rückbau der Alt-AKWs stünden für die Entwicklung, Produktion und Standorte der DFR zur Verfügung (ca. 36 Milliarden €)
7. Deutschlands besäße Energieunabhängigkeit für Jahrhunderte
8. Kohle-, Öl- und Gasverbrennung würden verschwinden, der Dreck bliebe im Boden
9. Die erneuerbaren Energien würden unrentabel und in Deutschland wieder verschwinden,
10. Die Vermüllung der Umwelt mit Windrädern und Photovoltaik wäre beendet, Raps- und Maismonokulturen sowie Palmöl aus den Tropen wären ebenso Geschichte.
11. Die DFR-Reaktoren beanspruchen erheblich weniger Platz und könnten in kleinen Einheiten dezentral errichtet werden aber auch an den alten AKW-Standorten
12. Hohe Sicherheit vor Reaktorunfällen
13. Die schier unlösbare Heilung der Bevölkerung von der CO2-Klimakatastrophenangst wäre vollzogen

Nachteile
1. Es existiert bisher kein Prototyp
2. Entwicklungszeit von 10 bis 15 Jahren
3. Zu erwartende Widerstände von den AKW-Gegnern in Politik, Medien, Gesellschaft und
4. Widerstände von der Öl-, Kohle und Gaslobby und von den Profiteuren der erneuerbaren Energien
5. Auch zu erwartender Widerstand von den Altparteien, allen voran den Grünen und Roten, weil deren geniales CO2-Klimakatastrohen-Abzocker- und -Umverteilungsmodell sich nicht mehr begründen ließe
6. Widerstände sind auch von IPCC, PIK und anderen politischen Klimakatastrophenprofiteuren zu erwarten, da deren Geldhahn zugedreht würde

Ausblick
Es ist keine unlösbare Aufgabe einen DFR-Prototypen zu entwickeln, auch nicht in Deutschland. Die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Prototypen ist groß und der dann mögliche Gewinn für Deutschland, seine Bevölkerung, für Gewerbe und Industrie gewaltig. Das Argument, seine Entwicklung wäre ein finanzielles Wagnis ist nicht stichhaltig. Deutschland hat sich auf das Wagnis der erneuerbaren Energien eingelassen und bisher bereits 400 Milliarden € Volksvermögen verschleudert für nichts und geht diesen Weg stur weiter mit absehbar desaströsen Folgen. Folgen werden Deindustrialisierung, Arbeitslosigkeit, Verarmung und schließlich Unruhen.
Vielleicht muß erst eine andere Partei die Regierung übernehmen, damit wieder eine Politik fürs Volk gemacht wird und nicht nur für eine abgehobene elitäre, ideologisierte Gruppe.
Die Kraftwerke sollten allerdings nicht von Energiemultis betrieben werden sondern von einer unabhängigen staatlichen Energiebehörde, ähnlich wie die Bundesbank zu DM-Zeiten, damit nicht die Energiekosten statt der Steuern erhöht werden.

Johannes Güntert sagt:

Ich bin mit den allermeisten Punkten einverstanden. Als jemand, der 50 Jahre lang Atomkraftgegner war und seit 4 Monaten nicht mehr, habe ich aber doch einige Anmerkungen:

zu den Vorteilen:
zu 9. Für die Windkraft mag das stimmen – Windräder als quasi ähnlich zentrale Einrichtungen zur Energieerzeugung würden vollständig überflüssig. PV-Anlagen jedoch nicht, aus folgendem Grund: Man kann sie komplett punktuell lokal betreiben für viele sinnvolle Anwendungen, beispielsweise lokale Ladung von Elektroautos, direkter Betrieb von Klimaanlagen usw. Die Vollkostenrechnung für PV-Module, die industriell mit beispielsweise einem DFR als Energiequelle hergestellt würden, sähe radikal anders aus, sprich: PV zum Spottpreis.

zu 13.: Fakt ist, dass wir die Atmosphäre durch über Jahrmillionen von Jahren durch Fossile Brennstoffe gebundenes CO2 anreichern, das wir in etwas über einem Jahrhundert zusätzlich in den natürlichen CO2-Kreislauf geben. Die Auswirkungen dieser Tatsache sollten wir aber bitte den Klimaforschern überlassen, deren unzähligen Einzelypothesen auch ordentlich gepeert und zum Teil schon bestätigt wurden. Gepeerte und belegte Gegenhypothesen eines nicht anthropogen verursachten Klimawandel muss man mir erst einmal zeigen. Befürworter der Kernenergie berufen sich auf Fakten, Physik und wissenschaftliche Arbeit – ergo sollten wir das der Klimaforschung bitte genau so zugestehen.

zu den Nachteilen:
zu 4. Auch Befürworter der EE können umdenken und mitdenken – Beweis: meine Person. Ich sehe eine Ergänzung, siehe PV. Wenn es bessere Lösungen gibt, wäre es dogmatisch, diese nicht anzunehmen.

zu 5.: Verschwörungstheorien helfen uns hier nicht weiter.

zu 6.: Nein. Das IPCC hat auf Kernkraft als Lösung hingewiesen, siehe auch Punkt Vorteile zu 13.

Erfreulich und anregend finde ich diese Diskussion, die wichtige Aspekte der Energieversorgung für uns und ander Länder der Erde aufnimmt. Klar ist, dass Umweltenergien nur in sonnenreichen Ländern einen dauerhaft sinnvollen Anteil übernehmen können. Wir im sonnenarmen Teil der Erdkugel müssen unsere andern Fähigkeiten nutzen.
Ob das nun mit neuen Konzepten wie Flüssigsalz, Flüssigmetall (DFR u.a.) oder Laufwellen (Bill Gates) oder weiter mit konventionellen X-Wasser Rektoren geschieht, das scheint eher eien Frage der kostspieligen Forschung und Entwicklung und teurer Sicherheitssysteme.
Daher halte ich viel von einem bereits erprobten Typ ( kein Konzept), nämlich der Kugelbett (oder-haufen)-Technik. In Jülich entwickelt, in Hamm erprobt, wird nun nach dieser Technik ein Demo-Reaktor errichtet (www.no-meltdown.eu und div. chinesische Websites). Auch hierzu gibt es Bedenkenträger in Deutschland, vielleicht sogar haben sie Recht. Erst in 2-3 Jahren werden wir wissen, ob es einigermassen zum Erfolg führt.
Aber da dieser Typ bereits dreimal in Jülich und der Tsinghua Uni den provozierten GAU heil überstanden hat, fällt das für mich jedenfalls ganz schwer ins Gewicht.
Dass mit seiner Hochtemperatur dann neben Strom auch Sprit nach erprobten Verfahren (Fischer-Tropsch) erzeugt werden kann, ist auf http://www.biokernsprit.org dargestellt. Es würde auch die Motoren und Tanknetze weiter nutzen lassen, sowie die Luftbelastung deutlich verbessern.
Viele Fliegen mit einer Klappe. Hoffen wir, die Chinesen machen es vor und setzen unsere “Konzepte” um!

Frieder Ermel sagt:

Für die stationäre Nutzung mag das funktionieren. Aber um alle Autos auf Elektro umzustellen, bräuchte man entsprechende Speichermöglichkeiten, die es aber noch nicht gibt, zumindest nicht in ausreichendem Ausmaß und zu einem bezahlbaren Preis.

Rainer Klute sagt:

Autos durch Kernenergie anzutreiben, bedeutet nicht automatisch Elektroantrieb. Mit der Prozeßwärme aus Hochtemperaturreaktoren ließe sich Wasserstoff erzeugen und daraus wiederum allerlei Wasserstoffverbindungen, u.a. synthetische, flüssige Kraftstoffe. Wir könnten also beim bewährten Antriebsprinzip bleiben und uns die teure Umstellung auf Elektro ersparen.

Voraussetzung: Die Gesellschaft müßte über ihren antinuklearen Schatten springen.

Frieder Ermel sagt:

Das ist schon klar. Mein Kommentar bezog sich mehr auf die von Herrn Stawarz angesprochenen wieder besser wahrnehmbaren Geräusche der Natur. Oder ist ein mit synthetischem Kraftstoff betriebener Verbrennungsmotor leiser? Die Kosten für diese Kraftstoffe sind ja auch nicht gerade gering im Vergleich zu den Stromkosten (ich habe hierfür die für den DFR angegebenen Kosten gemeint).

Sorry Herr Ermel – ich hatte Ihre Posts gar nicht mitbekommen. Frage an Rainer: lässt sich da ein Notify zuschalten?

Wie es der Zufall will, hatte ich vor ein paar Wochen gerade das Thema synthetische Treibstoffe im Rahmen von “AG Energetik” diskutiert und hierüber gestern hier: https://ssl.loggpro.net/rainer/?p=4703 gebloggt. Es stand für uns außer Frage, dass nur das Elektromobil die Geräusch- und Schadstoffemissionen so reduzieren kann, dass wir dann die Natur in ihrem Urzustand peau à peau wiedergewinnen könnten. Synthetische Treibstoffe wären zwar sauber – insofern hätten wir die Zeta-Faktoren aus der Studie “Footprint von CO₂-Footprint” https://ssl.loggpro.net/rainer/?p=2640 so nicht, aber ich erinnere daran, dass Stickstoff in keinem Treibstoff vorkommt.

Was Ihren Einwand in Punkto Speicher, Autobatterien (?) anbelangt, so beurteile ich es anders. Mit moderner Kernenergie hätte sich nicht nur die energetische und somit ökonomische Seite erledigt. Seltene Erden, die häufig gegen die eAutos ins Feld geführt werden, sind nicht alternativlos (um das Unwort des Jahrzehnts zu gebrauchen) sondern lassen sich ebenfalls quasi synthetisch herstellen – s. https://www.facebook.com/rainer.stawarz/posts/1821870624695484 . Die Voraussetzung ist auch hier die allergleiche: reichlich vorhandene und saubere Energie!

Frieder Ermel sagt:

Wie beurteilen Sie die Alternative Brennstoffzelle? Und womit sollte sie betrieben werden (Wasserstoff, Ammoniak, Hydrazin)? Lässt sich das für die Wasserstoff-Brennstoffzelle benötigte Platin auch quasi synthetisch herstellen? Fragen über Fragen. Und alles steht und fällt mit günstiger und sauberer Energie.

Werner Müler sagt:

Was haben wir eigentlich von der Kernenergie?

Hohe Kosten

Das kWh aus dem neuen AKW in England kostet 11 Cent + Inflationsausgleich + 35 Jahre Einspeisevergütung + Bürgschaften von England.

Das kWh aus neuen Windkraftanlagen gibt es bei den ersten Anlagen für genau 0,00 Cent EEG Einspeisevergütung.
Bei PV gibt es bei neuen größeren Anlagen ab 5,38 Cent/kWh für 20 Jahre und ohne Inflationsausgleich.

Gruß

Marco Graf sagt:

Natürlich kann man das geplante KKW in England als Beispiel für die Wirtschaftlichkeit der gesamten Kernenergie nennen, muss man aber nicht.

Welche Windkraft- oder PV-Anlage konnte sich bisher unter marktwirtschaftlichen Bedingen behaupten?

In Zukunft werden immense Speicherkapazitäten und ein beträchtlicher Ausbau der Netze nötig sein, wenn Sonnenenergie das Zugpferd der Energieversorgung werden soll.
Laut UBA Studie “Treibhausgasneutrales Deutschland 2050” wird der Strombedarf auf 3.000 TWh ansteigen. Überlegen Sie mal was das für die Infrastruktur der Energieversorgung bedeutet. Vor allem die Kosten.
Zahlen für WEA 2016:
27.992 WEA, 50 GW Leistung, 77,84 TWh

Günter Unseld sagt:

sehr geehrter Herr Stawarz
als Nuklearia Mitglied habe ich Ihr Argument für den Dual Fluid Reactor gelesen. Ich bin auch ein Überzeugter von der Sinnhaftigkeit der Generation 4 Kernkraft.
Was aber in Ihrem Argument zu kurz kommt, ist die Kostenproblematik der Nukleartechnik.
Bis jetzt steht beim DFR noch (fast) alles auf Papier.
Bei einer Präsentation des DFR hatte ich auch gefragt, ob man da nicht eine kleine Demoanlage aufbauen könnte, in der das Prinzip praktisch vorgeführt werden könnte.
Die Zahl, die dabei genannt wurde, war ein hoher Millionenbetrag.
Dass das über eine staatliche Subvention erfolgen könnte, muss man sich heute abschminken (zumindest jetzt vor der Wahl) .
Leider hat offensichtlich auch die Industrie (aus voreilendem Gehorsam gegenüber der Regierung) kein Interesse daran.
Das ist natürlich ein Witz , wenn man die jährlichen Subventionen in zweistelligen Milliarden Zahlen in den erneuerbaren Energien Kram betrachtet.
(diese Subventionen werden allerdings zwangsweise von den Verbrauchern über den Strompreis erbracht ).
Eine Möglichkeit wäre ein Spendenaufruf an alle, die das Ganze noch rational betrachten.
Ich wäre sofort bereit, da mein Teil dazu zu geben.
Wenn sich dann herausstellt, dass mit diesem Projekt die Energieerzeugung kompetitiv mit den anderen Erzeugern ist, dann wird sich der DFR von selbst am Markt behaupten .
Grüsse Günter Unseld

Ulrich Wolff sagt:

Das Arbeitspferd der Kernenergie ist der LWR. Der Nachweis der Eignung gegenwärtiger Technik wurde erbracht. Die nächste logische Ergänzung wäre (global) die Nutzung des U238 mit dem “Brüter”, egal ob mit Natrium oder Bleikühlung, – Deutschland ist ausgestiegen. Erst ein Bedarf für neue Kraftwerke kann einen Wiedereinstieg motivieren:
Die Abschaltung der verbliebenen Kernkraftwerke wird hoffentlich durch die Mindestanforderungen an die Stromversorgung verhindert. Engpässe bei Braunkohle, Importsteinkohle und Erdgas sind ebenso wenig wahrscheinlich wie ein signifikanter Anstieg des Strombedarfes.

Rainer Klute sagt:

Durch die Pläne der Bundesregierung, die Sektoren Verkehr und Wärme zu elektrifizieren, ist sogar ein überaus erheblicher Anstieg des Strombedarfs zu erwarten. Nun gut, gleichzeitig will dieselbe Bundesregierung den Stromverbrauch senken. Das verstehe, wer will! Ich nenne das kognitive Dissonanz.

Ulrich Wolff sagt:

Richtig! Das Problem ist diese Bundesregierung!! – Erst das (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erfolgende) Platzen des Energiewende Betruges wird den Boden für eine “Renaissance” der Vernunft in deutscher Energiepolitik ebnen!!!! (Und endlich die Grünen aus dem Bundestag vertreiben!)

Günter Unseld sagt:

Herr Klute
die Bundesregierung ist in der Zwischenzeit vom Ziel der Stromreduzierung bis 2030 ‘stillschweigend’ abgekommen.
Dieses Ziel wäre ja auch ein Witz, wenn man sich die Diskussionen um die so genannte Sektorkopplung anhört.

Martin Mabuse (Künstlername) sagt:

Zu den hier von den meisten so geliebten Leichtwasserreaktoren: Das hört sich für mich so ein bisschen an wie: “Der Trabant hat sich bewährt und ist völlig ausreichend. Eine mittelfristige Umstellung auf die 4-Takt-Motorentechnik sollte dennoch in Erwägung gezogen werden.”
Vielleicht ist der Vergleich gar nicht so schlecht. Im Kraftstoffverbrauch und für den Zweck von A nach B zu gelangen war und ist der Trabant ein brauchbares Fahrzeug. Die Emmisionen im Vergleich zu einem Benziner mit 3-Wege-Kat aber verheerend.
Soweit zum Thema End/Abfallprodukte. Zu Kernschmelze und Containmentversagen fallen mir allerdings keine passenden Vergleiche ein. Dabei kann ich wirklich nur hoffen, dass die Annahme, dass Radioaktivität in geringen Dosen wirklich nicht so schädlich wie angenommen ist und/oder die aktive (Nach)Kühlung auch in Ausnahmesituationen wie einem Carrington-­Ereignis (von dem aus mir unerfindlichen Gründen fast niemand mehr spricht) tatsächlich gewährleistet ist. Ich habe da erhebliche Zweifel und bisher konnte diese bei aller Aufgeschlossenheit auch niemand entkräften.
Darüber den Prototyp eines Dual-Fluid-Reaktors zu fördern (in Form einer Zuwendung an das Institut für Festkörper-Kernphysik) denke ich dagegen inzwischen nach. Man sollte diese Technik mindestens erproben um zu ermitteln ob sie hält, was sie verspricht.

Rainer A. Stawarz sagt:

Hallo Herr Unseld,

zunächst haben Sie vielen Dank für Ihren Beitrag!

Natürlich weiß ich um die technische Komplexität des DFR (“Es handelt sich um eine technisch anspruchsvolle Konstruktion…”) und bin der letzte, der die Kostenfrage bagatellisieren würde. Dies ist übrigens einer der Gründe, weshalb ich in der Vision, die ich in diesem Blogbeitrag skizziere, von kleinen Reaktoren spreche. Ich bin gleichwohl der festen Überzeugung, dass wir beim jetzigen Stand der Technologie durchaus in der Lage sind, anspruchsvolle Projekte wie DFR oder 7-X anzugehen. Ich nenne dazu nur ein Beispiel, nämlich Molekulardesign mit Quantencomputing. Um Ihnen sowie anderen Lesern ein gefühlte Dutzend von Browser-Reiterchen zu ersparen, paste ich dazu den vollen Text des FB-Posts https://www.facebook.com/rainer.stawarz/posts/1821870624695484:

“Von einer modernen e-Auto-Batterie bis hin zum Neutronen-Backplane in einem Fusionsreaktor – moderne Techniken erfordern Werkstoffe, die ganz extremen Arbeitsumgebungen trotzen. Dabei ist es kaum mit einer simplen Lösung getan, etwa indem wir für das Rohrelabyrinth im Dual Fluid Reaktor einfach ein Refraktärmetall einsetzen und gut ist es… nein, hier bedarf es geeigneter Legierungen, die sich aus mehreren Stoffen zusammensetzen und eine recht diffizile Molekularstruktur bilden. Solche Stoffe auf konventionellem Wege (durch Ausprobieren) zu kreieren ist ein schlicht aussichtsloses Unterfangen, was übrigens eine der Ursachen dafür ist, dass sich energetische Zukunftsprojekte à la Gen.4 oder Kernfusion so schwer tun.

Abhilfe kann nur eine ausgeklügelte Technik zum Designen auf Molekularebene schaffen. Das Problem dabei: ein Molekül mit 36 und mehr Atomen ist mit herkömmlichen Computern praktisch nicht mehr zu erfassen (Rainer Blatt gibt diese Zahl mit 40 an). Ein Quantencomputer mit 36- oder 40 Qubit-Registern könnte es aber: bei geeigneter Programmierung kann nämlich jedes Qubit die Wechselwirkung eines Atoms innerhalb des Moleküls abbilden und von dieser Größenordnung ist Rainer Blatts Team seinem Bekunden nach nicht mehr weit entfernt. 20 Qubits aus elektromagnetisch eingeschlossenen Ionen sind mittlerweile bestätigt und sollen eine recht beständige Superposition, ohne ungeplante Dekohärenz, aufweisen!

Ich kann Rainer Blatt und seinem Team nur viel Erfolg auf dem Wege zu einem 64-Qubit-Register (!) wünschen. Und für mich ist es ein Grund mehr, Quantencomputing innerhalb der AG-Energetik zu behandeln https://ssl.loggpro.net/rainer/?p=2025

Indes halte ich es nicht für sinnvoll, sündhaft teure Demoanlagen zu bauen, wenn es auch mit verhältnismäßig günstigen Computer-Simulationen geht (Sie müssen es mir schon nachsehen – hier schreibt ein schrecklich bornierter IT’ler ). Ebenso wenig halte ich von Spendenaufrufen. Vielmehr sollte das IFK schlicht Anteilsscheine verkaufen, wie es sich nun einmal in unserer Wirtschaftsordnung gehört. Für den DFR braucht’s jemanden, der es schlicht und ergreifend wagt, einen Elon Musk wenn Sie so wollen. Oder ist er das sogar https://ssl.loggpro.net/rainer/?p=3322 …?

Gruß, Rainer A. Stawarz

Günter Unseld sagt:

danke für Ihre Infos – da habe ich jetzt einige ‘hausaufgaben’.
Nochmal zur Demoanlage – es ist einfach so, dass potentielle Investoren mal etwas sehen wollen (nicht eine reine Computersimulation) wo das zu investierende Geld hingeht
Das ist zur Zeit auch so in den USA, wo kleinere Unternehmen versuchen, eine Fusionsanlage zu konstruieren, die nicht zu einem ITER Monster wird.
Da wird für die Geldgeber ( Gates, Bezos u.a) immer wieder vorgeführt, was mit ihrem Geld gemacht wird.
Und übrigens – wenn das eine Erfolgsstory wird, dann ist das schon fast eine Konkurrenz zum DFR.
Grüsse G.U

Lutz Niemann sagt:

Unsere Zivilisation ist ohne den Einsatz von Energie nicht möglich, dabei ist die Nutzung von elektrischer Energie unverzichtbar. Die Nachfrage nach elektrischer Energie richtet sich nicht danach, ob der Wind weht oder die Sonne scheint, also können weder Wind- noch Solarkraftwerke eine zuverlässige Stromversorgung für Deutschland sicherstellen. Im Stromnetz müssen immer Leistungsnachfrage und Leistungsangebot ausgeglichen sein, das sagt die Physik. Und elektrische Energie ist nicht in den für eine Industriegesellschaft notwendigen Größenordnungen zu speichern. Die fossilen Brennstoffe sind begrenzt (100 Jahre, oder 1000 Jahre, niemand weiß das), also kann die Versorgung der Menschen mit Energie und insbesondere mit elektrischer Energie nur mit Kernenergie gewährleistet werden. Dabei reicht die Versorgung mit der Kernspaltung beim geschlossenen Brennstoffkreislauf (mit WAA und Brüter) ganz sicher für eine Million Jahre.
Der heutige GLAUBE an die Gefahren der Radioaktivität ist ähnlich wie es der GLAUBE an die Bosheit der Hexen im Mittelalter war. Aber GLAUBE ist in der Kirche gefordert, nicht in der Technik. So wie heute Hexen zu den Gutmenschen gehören, weil sie mit ihren Luftfahrzeugen kein CO2 ausstoßen, so wird sich auch eines Tages der GLAUBE an die Gefahren der Radioaktivität ins Gegenteil umkehren. Ich (77) werde das kaum erleben können, aber kämpfen wir weiter für unsere Kinder und Enkel.

Ulrich Wolff sagt:

Solarenergie ernährt Flora und Fauna und Wind betreibt den Wasserkreislauf. Der Mensch ist abhängig von mechanischer Arbeit, Mobilität, Wärme/Kühlung und mit 7,5 Milliarden inzwischen vor allem unverzichtbar auf Elektrizität angewiesen . Fossile Brennstoffe und Wasserkraft sind für einen absehbar langen Zeitraum die Existenzgrundlage.
Inzwischen reiht sich die Nutzung der Kernenergie mit einem wachsenden Beitrag erfolgreich ein. So wurde vor mehr als 50 Jahren in Deutschland erkannt (und seither realisiert), dass es für die Stromversorgung von Süddeutschland aus technischem, wirtschaftlichem und ökologischen Grund zur Kernenergie keine (!!!!) Alternative gibt.
Wenn heute die Schweiz entschieden hat, keine (gegenwärtig ohnehin nicht benötigten) neuen Kernkraftwerke zu planen, dann wurde zumindest ein zeitlich unbefristeter Betrieb der laufenden Anlagen festgeschrieben!
Für uns gilt (leider nur): “Die Hoffnung (auf eine Renaissance) stirbt zuletzt!”