Startseite Presse Pressemitteilung Belgische Rissreaktoren: Wie sicher sind Tihange 2 und Doel 3?
Belgische Rissreaktoren: Wie sicher sind Tihange 2 und Doel 3?
Veröffentlicht am 2016-02-10
Von Rainer Klute
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Nuklearia fordert Sachdiskussion statt Panikmache und liefert technische Hintergrundinformationen

Die Diskussion um die belgischen Reaktoren Tihange 2 und Doel 3 habe in Deutschland unsachliche und maßlose Züge angenommen, konstatiert der Pro-Kernkraft-Verein Nuklearia e. V. Er plädiert dafür, zu einer sachbezogenen Einschätzung zurückzukehren.

»Die Formel »Risse gleich Schrott« ist griffig, aber falsch«, kritisiert der Vereinsvorsitzende Rainer Klute. »Eine realitätsbezogene Bewertung der Reaktordruckbehälter ist technisch sehr komplex. Dazu braucht man Expertenwissen, das Politiker und Kernkraftgegner nicht haben, oft nicht wollen und meist auch nicht allgemeinverständlich verfügbar ist.«

Umfangreiche Analysen durch nationale und internationale Expertenkommissionen sind der Genehmigung zum Wiederanfahren der Reaktoren durch die belgische Atomaufsichtsbehörde FANC vorausgegangen, erläutert Dr. Anna Veronika Wendland. Sie forscht zur Geschichte und Gegenwart nuklearer Sicherheitskulturen in Ost- und Westeuropa. Aus ihrer Feder stammt ein Bericht mit technischen Hintergrundinformationen, den die Nuklearia jetzt veröffentlicht hat.

»Die Mitarbeiter in den belgischen Kernkraftwerken sind ja keine Selbstmörder«, ergänzt Nuklearia-Vorstandsmitglied Rainer Reelfs. Für eine NGO führt er Peer Reviews in Kernkraftwerken durch und ist mit den Abläufen in den Anlagen vertraut. Aus eigener Anschauung weiß er, dass Sicherheit dort an erster Stelle steht. »Die Kollegen wissen sehr genau, was sie tun.«

Fehlstellen etwa durch Wasserstoffeinschlüsse seien in einem gewissen Maße durchaus normal, führt der Nuklearia-Bericht aus. Entscheidend seien Lage, Länge und Ausrichtung dieser »Risse«, die Frage, ob sie während des Reaktorbetriebs gewachsen sind oder nicht, und wie sie mit anderen Materialveränderungen im Reaktordruckbehälter zusammenwirken, die durch Strahlungseinwirkung entstehen.

Die Experten kommen zu dem Ergebnis, dass die Risse während des Reaktorbetriebs nicht gewachsen sind und daher wohl auch künftig nicht wachsen werden. Den Fall ihres Irrtums kalkulieren die Experten gleich mit ein und gehen auf Nummer Sicher: Wenn sich die Risse wider Erwarten doch veränderten, dann dürfen diese Änderungen nicht spröde erfolgen, sondern zäh und elastisch. Das lässt sich erreichen, indem man den Reaktor oberhalb der sogenannten Sprödbruch-Übergangstemperatur betreibt. Ein genügender Sicherheitsabstand zur kritischen Temperatur wird  in den Betriebsvorschriften für jeden Reaktor individuell je nach dessen Versprödungsgrad festgelegt. Eine schonende Fahrweise der Anlage schützt das Strukturmaterial zusätzlich. Vor diesem Hintergrund ist auch die Vorwärmung des Notkühlwassers zu sehen, die übrigens zwecks Materialschonung in vielen Kernkraftwerken praktiziert wird.

Unsicherheiten in den Analysen waren für die Experten stets Anlaß, vom jeweils ungünstigsten Fall auszugehen. Selbst unter diesen Annahmen hält die Aufsichtsbehörde FANC den Betrieb von Tihange 2 und Doel 3 für sicher. Das gilt erst recht, weil ein Kernreaktor nicht »auf Kante« betrieben wird, sondern immer eine großzügige Sicherheitsmarge gilt. Außerdem muss der Betreiber Electrabel das Phänomen in besonderer Weise beobachten. Ein »Super-GAU« ist also keinesfalls zu befürchten.

Der vollständige Artikel von Dr. Anna Veronika Wendland ist auf der Nuklearia-Website unter http://nuklearia.de/2016/02/04/belgische-rissreaktoren-wie-sicher-sind-tihange-2-und-doel-3/ zu finden. Dort sind weitere Quellen verlinkt.


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Der Nuklearia e.V. ist ein gemeinnütziger und parteiunabhängiger Verein zur Förderung der Kernenergie. Wir sehen in der Kernenergie eine wesentliche Säule der Energieversorgung. Fortschrittliche Reaktoren arbeiten sicher, sauber und nachhaltig. Atommüll lässt sich in Schnellen Reaktoren als Brennstoff nutzen.

Anders als erneuerbare Energien steht Kernenergie jederzeit in ausreichender Menge zur Verfügung und verbraucht keine großen Landflächen. Im Unterschied zu Kohle oder Gas ist Kernenergie CO2-arm und vermeidet Luftverschmutzung.

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Helmar Kraus says:

Vielen, vielen Dank für die sachliche Aufklärung. Ich beschäftige mich seit einiger Zeit mit dem Thema Kernenergie (ähnlich wie Rainer Klute seit Fukushima) und bin entsetzt, wie mit diesem Thema in der deutschen Presse und Öffentlichkeit umgegangen wird. Dieser Unsachlichkeit wird derzeit im Raum Aachen – wo ich wohne – die Krone aufgesetzt im Bezug auf Tihange. Die lokalen Medien und Politiker überbieten sich mit unsachlicher Panikmache, die sich schon in einer Art Massenhysterie ausbreitet. Da ist so ein Beitrag wie Balsam auf meine Seele!
Macht weiter so!!!