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Nukleare Meilensteine erreicht
Nukleare Meilensteine erreicht
Veröffentlicht am 2015-12-14
Von Rainer Klute
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Kernfusionsanlage Wendelstein 7-X geht in Betrieb, »Atommüllfresser« BN-800 liefert erstmals Strom

Der 10. Dezember 2015 markierte gleich zwei wichtige Meilensteine für die Kernenergie.

Das erste Plasma in Wendelstein 7-X. Es bestand aus Helium, dauerte eine Zehntel Sekunde und erreichte eine Temperatur von rund einer Million Grad Celsius. (Eingefärbtes Schwarz-Weiß-Foto)
Foto: IPP

Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald nahm am 10. Dezember das Kernfusionsexperiment Wendelstein 7-X in Betrieb und erzeugte ein erstes Plasma aus dem Edelgas Helium. »Erst im nächsten Jahr wechseln wir zu dem eigentlichen Untersuchungsobjekt, einem Wasserstoff-Plasma«, erläuterte Projektleiter Professor Dr. Thomas Klinger. Die Forscher wollen mit der 370 Millionen Euro teuren Anlage die Kraftwerkstauglichkeit von Fusionsreaktoren des Typs Stellarator untersuchen.

Bei der Kernfusion werden wie in der Sonne Wasserstoff-Atomkerne zu Helium-Kernen verschmolzen. Dabei werden gewaltige Energiemengen frei. Die Fusion von 800 Gramm Wasserstoff liefert so viel Energie wie das Verbrennen von 1000 Tonnen Kohle. Gelingt es, die Kernfusion in einem Kraftwerk durchzuführen, wäre eine praktisch unbegrenzte Energieversorgung möglich. Weltweit arbeiten verschiedene öffentliche und private Forscherteams an Fusionsreaktoren. Forschung und Entwicklung bis hin zum kommerziellen Einsatz werden aber noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Wendelstein 7-X wird keine Fusion einleiten und erst recht keinen Strom erzeugen, sondern sich auf die Untersuchung des Plasma-Einschlusses beschränken.

Jetzt am Netz: Der Schnellreaktor BN-800, Block 4 im russischen Kernkraftwerk Beloyarsk. Foto: Rosenergoatom

Mit der Stromerzeugung hat hingegen der russische Schnellreaktor BN-800 am 10. Dezember begonnen. Nach eineinhalb Jahren Testbetrieb wurde der Reaktorblock 4 des Kernkraftwerks Beloyarsk mit dem Stromnetz der Region Swerdlowsk verbunden. Während herkömmliche Kernreaktoren weniger als ein Prozent des in der Natur vorkommenden Urans nutzen, können Schnellreaktoren wie der BN-800 den Kernbrennstoff fast vollständig verwerten. Gebrauchte Brennelemente herkömmlicher Reaktoren oder abgereichertes Uran sind für Schnellreaktoren kein Atommüll, sondern Brennstoff.

Der BN-800 nutzt eher unüblichen »Atommüll« als Brennstoff, nämlich mit Uran »verdünntes« Plutonium abgerüsteter sowjetischer Atomsprengköpfe. Der Reaktor ist mit 789 Megawatt (MW) der leistungsstärkste weltweit in Betrieb befindliche Schnellreaktor. Er ergänzt den BN-600, der seit 35 Jahren ebenfalls im Kernkraftwerk Beloyarsk läuft und 560 MW leistet.

»Wir begrüßen beide Entwicklungen sehr«, erklärt Rainer Klute, Vorsitzender des Nuklearia e. V. »Der globale Energiehunger ist gewaltig und steigt ungebremst. In den meisten Ländern ist nur Kernenergie in der Lage, die heutigen Hauptenergielieferanten Kohle, Öl und Gas abzulösen.«

Fortschritte in der Nukleartechnik seien daher sehr wichtig, sowohl bei der Kernspaltung wie bei der Kernfusion, meint Klute. Die Akteure der Atommülldiskussion in Deutschland fordert Klute auf, sich besonders den BN-800 näher anzuschauen: »Viele halten Atommüll-Recycling für unmöglich. Die Russen haben ein Gerät dafür gebaut.«

Quellen


Über die Nuklearia

Die Nuklearia ist ein gemeinnütziger, industrie- und parteiunabhängiger eingetragener Verein, der die Kernenergie als Chance begreift und darüber aufklären will. Wir sehen die Kernkraft als besten Weg, unseren Wohlstand zu erhalten und gleichzeitig die Natur und das Klima zu schützen. Denn Kernenergie ist emissionsarm, braucht sehr wenig Fläche und steht jederzeit zur Verfügung. Unser Ansatz ist wissenschafts- und faktenbasiert, unsere Vision humanistisch: erschwingliche und saubere Energie für alle.

Kategorien
BN-800
Physik
Schneller Reaktor
Thomas sagt:

370 Mio. € hat die Anlage gekostet.
Insgesamt jedoch 1,06 Milliarden Euro (Personalkosten + Sachmittel).
Für nichts und wieder nichts.
Erst sollten Kernkraftwerke superbilligen Strom liefern, und jetzt Fusionskraftwerke?
KKW werden immer teuerer im Bau und die Inbetriebnahme wird immer weiter rausgeschoben (Flamanville). Hinkley Point C wurde sogar immer teurer, obwohl noch nicht mal mit dem Bau angefangen. Und das Bauende wurde still und heimlich um ein paar Jahre nach hinten verschoben…
Uran wird schon heute mehr verbraucht als abgebaut, da müssen jetzt schon Kernwaffen als Brennstofflieferant herhalten.
Ich sehe keine faktischen, realen Fortschritte bei Kernkraftwerken. Nur leere Versprechungen. Selbst Putin war vor einiger Zeit persönlich bei der Inbetriebnahme einer großen PV-Anlage dabei (!).
In den nächsten Jahrzehnten werden viel mehr Reaktoren abgeschaltet als neu gebaut.
Schon jetzt spielt Kernkraft bei der weltweiten Energieversorgung fast keine Rolle, in Zukunft also noch weniger.
Dagegen legen die “Erneuerbaren” jetzt erst richtig los, Chinas Ausbauziele steigen immer weiter.
Die Nachfrage nach PV-Anlagen steigt weltweit an.
Außerdem sinken die Kosten für Strom aus PV- und Windkraftanlagen kontinuierlich.

Aber: Möge die ökonomischere und zukunftssicherere Technologie gewinnen. Welche das auch immer sein wird.
Wenn jedoch Ratingagenturen denjenigen mit Abstufungen drohen, welche Geld in Kernkraftwerke investieren wollen – dann ist das wohl ein KO für diese Technologie.
Es wurden ja schon genug KKW-Baustellen angefangen und nie fertiggstellt bzw. in Betrieb genommen.

Atomhoernchen sagt:

Kostenpunkt der Energiewende jährlich: 23 Milliarden Euro.
Da sind die Kosten für Fusionsanlagen im Vergleich eher zahm.

Rainer Klute sagt:

Ich weiß nicht, woher du deine Informationen hast, Thomas!

Atomausstieg und Energiewende sind jedenfalls eine einsame deutsche Angelegenheit, die andere Länder interessiert wie distanziert beobachten.

Viele neue Kernreaktoren werden in Asien neu gebaut, allen voran China und Indien. Warum wohl?

Interessanterweise investieren aber auch arabische Staaten trotz Ölreichtums und viel Sonne in Kernenergie. Warum wohl?

Über 30 Entwicklungsländer wollen in die Kernenergie einsteigen. Warum wohl?

Ach ja, die pöhse Atomlobby hat vermutlich allen Sand in die Augen gestreut …

Bei den Kosten nennst du Flamanville 3 und Hinkley Point C, nicht aber das Kostenmodell der russischen Rosatom für Bau, Betrieb, Entsorgung und Rückbau von Kernreaktoren. Warum eigentlich nicht?

Thomas sagt:

Naja, China baut AKWs schlicht weil sie viel Energie brauchen.
Chinas Ziel bei den Erneuerbaren liegt bis 2020
bei PV: 150-200GWp
bei Wind: 250GWp.
Dagegen sind die paar GW KKW sehr wenig.

Bei den Kosten für KKW kann Russland sicher nicht mit uns/Europa vergleichen, ich hoffe doch, dass unsere Sicherheitsanforderungen höher sind.

Viele KKW wurden ja gebaut und nie Inbetriebgenommen, sehr viele nie fertiggestellt.
Letztes Jahr gingen sehr viele KKW außerbetrieb. In der Schweiz machen zwei Reaktoren Millionen Verluste, da der Strompreis an der Börse unter den Produktionskosten liegt (ca. 8 Cent/kWh).

Beziehen Sie (ausschließlich?) Atomstrom? Und was bezahlen Sie dafür €/kWh + Grundgebühr/Monat? Wie alt sind Sie? Was sagen Sie Ihren Nachfahren bzg. Abfallentsorgung der KKW? Ich glaube erst an “Transmutation” wenn ich mal ein KKW gesehen habe, dass das 1. macht und 2. günstiger (!) als PV+Wind.
Ich beziehe Grundgrünenstrom für 23,0 Cent/kWh + 9,50€/Monat Grundgebühr.
Dazu noch PV Eigenverbrauch (Kosten: 8 Cent/kWh). Keine Einspeisung! Also auch keinerlei Förderung nötig.
Und ja, ich darf jederzeit Strom aus dem öffentlichen Stromnetz beziehen. Ich zahle ja Brav die Grundgebühr.

Markus sagt:

Die “Energiewende” wurde 2011 nach dem Tsunami in Japan dem Volk in Deutschland und der Schweiz aufgezwungen. Damit werden unnötige Kosten generiert und neue Kernkraftwerke sabotiert.
In der Schweiz erfolgt diese Politik ausdrücklich gegen den Volkswillen, denn 1979, 1984, 1990 und 2003 hat sich das Volk klar gegen Atomausstiege ausgesprochen!
Gegenwärtig drosselt die Eurokrise den Stromverbrauch, bei einer wirtschaftlichen Erholung würde sich die Stromlücke aber wieder öffnen, auch ohne Trockenheit!
Wollen wir auf Braunkohle- und Ostblockstrom angewiesen sein?
Schon heute ist der Import von Braunkohlestrom aus Ostdeutschland schwierig, weil das Übertragungsnetz gar nicht auf Importe aus dieser Richtung ausgelegt ist und Neubauten politisch nur schwer durchsetzbar sind.

Markus Münch sagt:

➦ Unparteiische Antwort ➜

„Erst sollten Kernkraftwerke superbilligen Strom liefern, und jetzt Fusionskraftwerke?“

Mit was möchten sie denn die Grundlast in einem Stromnetz abdecken? Biogas, damit weltweit die Lebensmittelpreise steigen? Und was soll passieren, wenn der Wind mal für einen Monat kaum weht? Pusten wir dann die Wolken beiseite, damit mehr Sonne durchscheint? Davon abgesehen nimmt bei der Photovoltaik die Effizienz permanent ab – sprich: nach einer gewissen Zeit muss die bestehende Menge erhöht werden, um dieselbe Leistung zu erbringen.

„Uran wird schon heute mehr verbraucht als abgebaut, da müssen jetzt schon Kernwaffen als Brennstofflieferant herhalten.“

Bei ihnen ist wohl Uran gleich Uran? Zukünftig wird Uran-238 und Thorium verwendet. Davon abgesehen wird Plutonium-239 nur deswegen aufgebraucht, weil es nicht mehr benötigt wird.

Die verwendbaren Elemente auf dem Planeten reichen für ungefähr eine Millionen Jahre aus … Kohle dagegen für lediglich 6.000 Jahre – nach neusten Erkenntnissen. Beides emittiert selbstverständlich radioaktive Strahlung … Steinkohle bestimmt mehr. Bei Uran und Thorium haben wir wiederum die Möglichkeit die Reichweite nochmals zu erhöhen. Denn auch der Mond und Mars besitzt diese Elemente.

„Selbst Putin war vor einiger Zeit persönlich bei der Inbetriebnahme einer großen PV-Anlage dabei (!).“

China baut die Photovoltaik und Windkraftanlagen genauso aus, baut im Gegenzug jedoch auch über 80 Kernkraftwerke zuzüglich etlicher Kohlekraftwerke, da sie über 6.000 TWh an Bedarf abdecken müssen; in den nächsten Jahren sogar bis zu 12.000 TWh. Hierbei handelt es sich um die 10 bis 20-fache Energiemenge Deutschlands.

Der Hauptgrund für die Erneuerbaren Energien ist in erster Linie die schlechte Luftqualität.

„Chinas Ziel bei den Erneuerbaren liegt bis 2020: bei PV: 150-200GWp; bei Wind: 250GWp. Dagegen sind die paar GW KKW sehr wenig.“

Bei über 80 Kernkraftwerken?

„In den nächsten Jahrzehnten werden viel mehr Reaktoren abgeschaltet als neu gebaut.“

Sind sie sich hierbei ganz sicher? Ironischerweise ist dies sogar den Kernkraftgegner aufgefallen – auch wenn nur im Kleinen: „Großbritannien: „AKW-Dinosaurier“ Wylfa 1 stillgelegt, riskante Neubaupläne – kaum ein Grund zum Feiern“.

„Aber: Möge die ökonomischere und zukunftssicherere Technologie gewinnen.“

Im geringen Maße Biogas und Windkraft; dann noch die Photovoltaik der neusten Generation 2020/2025; Kernfusion und Kernfission wie auch ein paar Kohlekraftwerke der „neusten“ Generation. Wasserkraftwerke sind hingegen ein sehr heikles Thema an manchen Orten der Welt, wodurch man sogar gigantische Flächen, in chemischer Form, zerstören kann – dort wächst dann nichts mehr.

„Letztes Jahr gingen sehr viele KKW außerbetrieb. In der Schweiz machen zwei Reaktoren Millionen Verluste, da der Strompreis an der Börse unter den Produktionskosten liegt (ca. 8 Cent/kWh).“

Ohne Subventionen (was es im Grunde auch ist), würden sich Windkraftanlagen nicht im geringsten rechnen – sprich: unwirtschaftlich! In verständlicher Form: die Anlagen werden von den Bürgern mitfinanziert – die wirtschaftlichen wie auch unwirtschaftlichen. Hinzu kommt dann auch noch, dass sogar für den elektrischen Strom gezahlt werden muss, der nicht mal verwendet wird.

Martin Landvoigt sagt:

Ich zweifele an der technischen Verwertbarkeit der Kernfusion. Ist es dann nicht verschwendete Hoffnung und Geld, wenn man sein Augenmerk hierauf und wenige auf die Brütertechnologie wendet? Immerhin bieten die Russen und die Aussicht auf Gen-4 Layouts konkrete Hoffnungen, die auch realistisch massive Voreile versprechen.

Alexander Seilkopf sagt:

Hallo Herr Niemann.
Die Rezepte stehen ausführlich erklärt und kommentiert in der aktuellen Fusion (http://www.solidaritaet.com/fusion/2015/2/). Lesen Sie sie und Sie werden verstehen, wie lange dieses Verbrechen schon geplant wird und jetzt mal wieder einen Meilenstein in Paris geschafft hat.

Lutz Niemann sagt:

So ist es, Herr Seilkopf. Die Sache hat noch einen Haken, die KKW’s mit “Made in Russia” können wir hier in Deutschland nur dann kaufen, wenn wir dazu auch das nötige Geld haben.
Es läuft eine Kampagne, Deutschland kaputt zu machen. Und die ist inzwischen so weit getrieben worden, daß die Deutschen sich selber kaputt machen. Eine geniale Leistung der Ideengeber im Hintergrund, ganz ohne Gewalt verabschiedet sich unser Land freiwillig von seinem erarbeiteten Wohlstand. Wo mögen die Rezepte dazu erdacht worden sein?

Alexander Seilkopf sagt:

Der deutsche Erfindergeist wird, was Hochtechnologie angeht, zwangsweise auf Sparflamme gehalten. Oder ganz verteufelt.
Da ist es gut zu wissen, dass wenigstens einige Menschen sich den kühlen Kopf bewahrt haben. Auch wenn wir wohl später Kernreaktoren “Made in Russia” kaufen werden.
Im Vergleich zu den deutschen Windmühlen wäre das wohl billiger. Viel billiger!