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Endlagerung radioaktiver Abfälle
Endlagerung radioaktiver Abfälle
Veröffentlicht am 2015-06-17
Von Rainer Klute
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Gastbeitrag von Dr. Hermann Hinsch

Das Schlimmste an der Kerntechnik sei die ungelöste Endlagerfrage, hört man oft. Der Atommüll »stellt für die heutige und zukünftige Gesellschaften eine existenzielle Bedrohung dar«, sagte Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der Grünen. (Loccumer Protokoll 25/12)

Da denkt man an Dagobert Duck, der sich trotz seines Milliardenvermögens über ein paar verlorene Kreuzer so aufregt, als sei das sein Ruin. Man muss über ihn lachen, weil er die Dinge nicht im Ganzen sehen kann.

Fässer mit schwachaktiven Abfällen lagern in der Schachtanlage Asse II. (Foto: Helmholtz-Zentrum München/ddp)

So ist auch Frau Kotting-Uhl (Kunsthistorikerin). Wir leben in einer von Natur aus radioaktiven Welt, in welcher die menschengemachte Radioaktivität völlig unbedeutend ist.

Strahlung setzt sich letzten Endes in Wärme um. Die natürliche Radioaktivität der Erde bewirkt, dass es in Bergwerken ab 800 m Tiefe unerträglich warm ist. Das lässt sich technisch etwas abmildern. Nichts tun kann man gegen Vulkane, auch eine Folge der natürlichen Radioaktivität der Erde. Sind nun über Endlagern Vulkane zu erwarten? Obwohl die einzelnen Behälter für einige Jahrzehnte Oberflächentemperaturen bis 200 ℃ haben, behauptet das niemand.

Die Aktivität aller heutigen und zu erwartenden Abfälle erhöht die gesamte Aktivität der Erde um ganz grob 0,02 %.

Zu heiß unter unseren Füßen wird es uns dadurch also nicht. Aber Strahlung hat biologische Wirkungen, die nichts mit der Wärme zu tun haben. Sterilisiert man Gewürze mit Strahlen, dann sind alle Bakterien lange tot, ehe diese Gewürze merklich warm geworden sind.

Nun sind alle Strahlenintensitäten, welche uns Natur und Technik zumuten, weit über 1000mal schwächer als tödliche Intensitäten. Sind die trotzdem noch gefährlich, indem sie Krebs und Mutationen erzeugen? Wäre es so, dann würden wir schon unter der natürlichen Strahlung leiden. Eine geringe Erhöhung durch die Kerntechnik wäre dann allerdings nicht die »existenzielle Bedrohung« der Menschheit nach Frau Kotting-Uhl.

Aber auch wenige zusätzliche Krebs- und Mutationsfälle könnten ein Grund sein, auf eine Technik zu verzichten. Jedoch, solche Fälle gibt es nicht. Die natürliche Umgebungsstrahlung ist sehr unterschiedlich, große Bevölkerungsgruppen leben unter mehrfach höherer Strahlenintensität als andere. Da wurden gründliche Untersuchungen durchgeführt, mit dem Ergebnis: Kein Einfluss auf Gesundheit und Mutationshäufigkeit. Auch macht die Molekularbiologie Fortschritte, und man versteht immer besser, welche negativen Wirkungen geringe Strahlendosen haben könnten, nämlich keine. Es gibt sogar Hinweise, dass sie sich positiv auswirken. Die Ärzte in den Radonheilbädern haben das schon immer behauptet.

Das wird nun von den »Grünen« bestritten. Aber hätten sie Recht, dann müsste man Menschen im großen Umfang umsiedeln. Gelegentlich wird auch noch unterstellt, Strahlung aus technischen Anlagen hätte andere, nämlich schlimmere Auswirkungen als natürliche Strahlung. Dieselben Leute wollen von diesem angeblichen Unterschied nichts mehr wissen, wenn sie gegen Uranabbau protestieren, denn dabei werden ja ausschließlich Naturstoffe gefördert.

In Kernkraftwerken wird aus sehr wenig Uran sehr viel Energie gewonnen. Entsprechend klein sind die Abfallmengen. Was wäre, wenn Strom nur noch in Kernkraftwerken erzeugt würde, und jeder, der einen 400 m² großen Garten hat, müsste die auf ihn entfallende Abfallmenge in seinem Garten vergraben?

Ein Engländer namens Walter Charles Marshall hat das einmal ausgerechnet (“Your radioactive garden”). Jeder, der genug von Radioaktivität versteht, kann das nachrechnen und bestätigen. Zunächst enthält jeder Garten eine große Menge an natürlicher Radioaktivität, im obersten Meter sind es etwa 800 g Kalium 40, 6 kg Thorium, 2 kg Uran und anderes. Bis in 300 m Tiefe ist die Menge an natürlicher Radioaktivität enorm. Die Konzentration radioaktiver Stoffe nimmt mit der Tiefe ab, hätte man die gleiche Konzentration bis zum Erdmittelpunkt, wäre die Erde mehrfach wärmer.

Würde unser Gartenbesitzer die in seiner Lebenszeit auf ihn entfallende Menge an radioaktiven Kernkraftwerksabfällen mit den obersten 300 m seines Gartens vermischen, dann würde der Garten damit nicht entscheidend radioaktiver. Seine Radieschen wären ebenso gesund wie die aus dem Lebensmittelmarkt.

Nun empfiehlt Herr Marshall nicht wirklich, die Abfälle an Gartenbesitzer zu verteilen. Eine geordnete Deponierung sollte schon sein. Nur ist die Unterbringung von schwach radioaktivem Abfall in Bergwerken wie der Asse völlig übertrieben, oberflächennahe Deponien wie in Frankreich würden völlig genügen. Hochaktive Abfälle wie die in den Castor-Behältern erzeugen jedoch für einige Jahre merklich Wärme. Die muss von der Umgebung zuverlässig abgeleitet werden. Das würde im Salz geschehen. Bleiben die Behälter dort, stören sie niemanden. Lösen sie sich auf und die Aktivität verteilt sich in einem weiten Bereich, dann ist sie nur ein Zusatz zur natürlichen.

Es geistert die Vorstellung herum, die radioaktiven Abfälle müssten eine Million Jahre lang sicher verwahrt werden. Das tut man dem Plutonium zuliebe, weil es dann weg ist. Das langlebigste ist es nicht, das gefährlichste auch nicht, aber im Aberglauben das Teuflischste. In Wirklichkeit ist in einigen Jahrhunderten die Aktivität aller Abfälle pro kg so gering, dass keine Gefahr mehr besteht.

Man könnte sich über so viel Unvernunft der Leute aufregen, muss sich aber sagen: Menschen waren immer so. Zu jeder Gesellschaft gehört auch eine virtuelle Welt des Glaubens. Schon die alten Ägypter vor Jahrtausenden glaubten ein Endlagerproblem zu haben, das jeden Aufwand rechtfertigt, nämlich die Entsorgung ihrer toten Pharaonen. Um jeweils eine Leiche unterzubringen bauten sie die gewaltigen Pyramiden und setzten dazu die Arbeitskraft des ganzen Volkes ein. Aber der Glaube, mit welchem diese Anstrengungen begründet wurden, kam aus der Mode, und Bestattungen wurden billiger.

So sehe ich auch das Ende unseres »Endlagerproblems«: Der Strahlenaberglaube wird irgendwann aus der Mode kommen. Dann wird eine sinnvolle Entsorgung möglich.

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Physik
Politik
Siggi Anders sagt:

Wie lagert man Atom – Restmüll ?
Fässer oder größere Behätnisse lassen sich sicherer lagern. Feuer bekämpft man mit Feuer. Abfall mit Abfall !
Wenn man sich in der Natur umschaut , etwas nachdenkt und offen für neue Ideen ist, findet man auch Lösungen.
Verbesserungsvorschläge werden honoriert – warum nicht meiner ?
Bin gerne bereit, darüber zu reden ( E-mail 13671213@gmx.de) wenn die Voraussetzungen stimmen.
Ich suche kein Geld um mich zu bereichern, ich möchte mit dem Geld Instituionen unterstützen die es nötiger brauchen als ich !…..Danke für Ihr Interesse .

T. Franke sagt:

Ist es nicht so, dass die Atomindustrie u.a. auch beim CO2-Schwindel mit gezündelt hatte, weil sie glaubte, die CO2-freie Atomkraft so populärer machen zu können? Ist es nicht so, dass dadurch dieselben Leute groß gezüchtet wurden, die sich dann auch gegen die Atomkraft wandten?

Wäre es nicht überlegenswert, wenn die Nuklear-Freunde einen bemerkenswerten Schritt gehen würden, nämlich sich mit den CO2-Schwindel-Gegnern zu verbünden?

Die Aufdeckung des CO2-Schwindels und die Aufdeckung des Atomschwindels sind zwei Seiten derselben Medaille: Es geht einfach darum, die Welt mit Vernunft wahrzunehmen, Risiken korrekt einzuschätzen, und ökonomisch sinnvolle Entscheidungen zu treffen, die auch ethisch verantwortbar sind.

Auf dieser Basis wären diese beiden Gruppen die besten Verbündeten, obwohl sie immer als Gegner dastehen.

Atomhoernchen sagt:

Siehe meinen Beitrag: Mit Positivargumenten für die Kernenergie.

T. Franke sagt:

Nein, das trifft den Punkt noch nicht. Mir geht es um die zentrale Gemeinsamkeit von Pro-Atom und Contra-Klimawahn:

Der gesunde Menschenverstand gegen eine überwältigende Welle von Unsinn. Der Kampf gegen eine politisierte Wissenschaft und gegen Medien, die nur die Wissenschaftler der einen Meinungsrichtung zu Wort kommen lassen. Das Recht, auch mit einer ungeliebten Meinung gehört zu werden. Nicht zuletzt: Der gemeinsame Gegner, die naiven Grün-Denker.

Eine Beschäftigung mit dem Klimaproblem wäre vielleicht angezeigt, und würde Sympathien wecken?

Daddeldu sagt:

“Man könnte sich über so viel Unvernunft der Leute aufregen, muss sich aber sagen: Menschen waren immer so. Zu jeder Gesellschaft gehört auch eine virtuelle Welt des Glaubens.”

Woher sollen es die Leute denn auch besser wissen? Die einzige hörbare Stimme im öffentlichen Diskurs war und ist die der Atomgegner. Jahrzehntelang haben diese Leute UNWIDERSPROCHEN behauptet, der sog. Atommüll sei saubazig gefährlich. Natürlich glauben die Menschen dass was jeder sagt und jeder weiß.

Ich habe mich jahrelang in das Thema eingelesen, hauptsächlich im Internet, dort hauptsächlich in englischsprachigen Quellen. Erst in den letzten paar Jahren gibt es ja auch deutschsprachige Seiten wie Nuklearia. Erst durch meine eigene, selbstmotivierte Informationssuche konnte ich lernen, wie die Wahrheit aussieht.

Es ist nicht Unvernunft und Aberglaube, wenn Menschen das glauben, was allgemein verbreitet wird. Vielmehr war es die Unvernunft der Atomindustrie, zu schweigen und nur ihre Gegner sprechen zu lassen.

Alex sagt:

Interessanter Beitrag. Wo kann ich denn noch eine Kopie von “Your radioactive garden” auftreiben, gerne auch digital?

Schu sagt:

Man sende Herrn Hinsch seinen radioaktiven Müllanteil für den Garten, Dann wird es keine weiteren Artikel geben. Ich habe keine einzige korrekte Annahme oder Zahl in seinem Beitrag gefunden. Einfach mal “Halbwertszeiten” der entstehenden Isotope googlen und dann vielleicht mal den Rest hinterfragen. “Aus sehr wenig Uran sehr viel Energie gewonnen” ist natürlich Quatsch wenn man den Gesamtprozess vom Uranerz über yellow cake bis Anreicherung sieht. Fakt ist, daß Atomstrom mit ABSTAND der teuerste Strom ist. Das merken selbst die Franzosen (siehe AREVA). Auch Eon versucht gerade mit einem Trick die AKW´s loszuwerden, mal nachdenken warum wohl.

beccon sagt:

Über die Wirkung von Radioaktivität seien die Videos von bionerd23 auf Youtube empfohlen. Ionisierende Strahlung ist ohne Zweifel gefährlich – aber auch nicht gefährlicher als andere Dinge, die uns umgeben und die jedes für sich mehr mehr Opfer fordern als alle Kernkraftwerke zusammen je fordern können.

Markus Münch sagt:

@ Schu:
Aus diesem Grund werden zukünftig die meisten wohl auf Thorium setzen. Dann können immerhin die Deponien unschädlich gemacht und die Ressource genutzt werden. Dass wiederum so viel Thorium – weltweit erheblich über 100.000 Tonnen – anfielen, liegt am technologischen Wohlstand der Zivilbevölkerung.

@ beccon:
Diese Strahlung ist zuerst einmal nicht gefährlich! Es kommt immer auf die Dosis an. Vergessen wir auch nicht, dass wir auf einem der größten Kernreaktoren leben – also das Ding mit einem Durchmesser von 12,756km. Dementsprechend lautet die korrekte Aussage: „Es kann gefährlich werden, wenn die Dosis zu hoch ist und der Körper an eine stärke Erhöhung nicht langsam gewöhnt wurde.“

Günter Braun sagt:

Dr. Hinsch bringt es wie immer auf den Punkt. Aber: der Durchschnitts-Deutsche braucht seine Anst. Und von der Radioaktivität versteht er nichts, soll auch nicht. Denn Angst wird von der Politik für ihren Machtausbau benötigt. Denn die sind ja die “Retter”.
Günter Braun

Ulrich Wolff sagt:

Angst ist ein mächtiges Werkzeug! Angst vor Hölle und Teufel ernährt Kirchen seit 2000 Jahren. Angst vor Strahlung ist (nur in Deutschland) der Stolperstein der Kernenergie. Gegen Angst ist der Ratio machtlos! – Ein persönliches Erlebnis aus den Anfängen:
Den Mitarbeitern eines Energieversorgers wird zum Angebot eines Kernkraftwerkes die Abluft Technik erläutert mit dem Fazit:
“Wenn ein Mensch sich während seiner Arbeitszeit ständig auf dem Abluft Kamin aufhält, so erhält er während seines Lebens insgesamt lediglich die gesetzlich erlaubte Maximaldosis.” – An dieser Stelle explodierte einer der älteren Ingenieure: “Seit Ihr alle wahnsinnig? – Wenn jemand auf den Schornstein eines unserer Kohlekraftwerke klettert, fällt er nach wenigen Minuten runter und ist garantiert tot!” — Die Nutzung der Kernenergie ist langfristig nur sinnvoll mit Wiederaufarbeitung des Brennstoffes, mit einem geschlossenen Kreislauf.
Bereits nach etwa 300 Jahren unterschreitet die Intensität der Strahlung der radioaktiven Spaltprodukte, die “Strahlung des Abfalls”, die des Ausgangsproduktes Uran oder Thorium. Für diesen Zeitraum ist eine “Endlagerung” angesagt. In Glas eingeschmolzene Spaltprodukte sollten es schwer werden lassen für die Myriaden der professionellen Angstmacher.

Markus Münch sagt:

Bei einer Lagerzeit von 300 Jahren müssen wir den „tatsächlichen“ Abfall nicht mit Glas ummanteln. Wir machen es einfach wie beim Reaktor selbst: Wir lagern in für ein paar Jahrzehnte einfach Oberirdisch – schließlich muss der Reaktor auch für eine relativ lange Zeit kontrolliert gelagert werden.

Dass hingegen zukünftig nur noch Kernkraftwerke mit einer integrierten Wiederaufarbeitungsanlage gebaut werden sollten, oder auch Modelle wie der Kugelhaufenreaktor, stimme ich absolut zu. Ob Letzteres als großer Reaktor perfekt funktionieren wird, zeigt uns China wohl in paar Jahren.

Hansi sagt:

Trotz des guten Beitrags, Angst vor Hölle ernährt die Kirche nicht seit 2000 Jahren. Das sind Propagandaerzählungen.

Die Sowjetunion wurde von Angst genährt, die hielt mehr Schlecht als Recht 90 Jahre. Danach waren alle Leute ausgelaugt und deren Kinder unbrauchbar für eine Gesellschaft.

Keine falschen Märchen.

Herr Dr. Hinsch hat es super geschildert.
Da wir kurzfristiger denken und leben wollen, hoffe ich, dass unsere Endlager schon in den nächsten Jahren billiger werden. Am besten sollte man den Begriff abschaffen. Das Endlager fällt weg und der “Atomabfall” wird artgerecht aufbewahrt, bis er wirtschaftlich recycelt werden kann. Schon heute haben einige Konzepte den Anspruch, altes Plutonium zur Energiegewinnung verbrennen zu können. Zum Beispiel. Transmutation ist der Weg, wohin Forschungsgelder fliessen sollten. Nicht in die frustrierende Endlagersuche.
Jochen Michels

Markus Münch sagt:

Ist es Finnland, die das erste Zwischenlager in Bau hat? Dies ist zumindest die einzige verantwortungsvolle Methode. Zusätzlich vergraben wir ansonsten rund 96% des Rohstoffs ungenutzt und unwiderruflich im Boden. So etwas ist absurd.

Grundlegend wäre es wohl sinnvoller, wenn die „gebrauchte / ungenutzte Ressource“ oberirdisch oder nur wenige Meter unter der Erde gelagert wird – also ein gut erreichbares wie auch befahrbares Lager.

Wegen ein paar Jahrzehnten den theoretischen Müll einzulagern und dafür auch noch das Geld rauszuschmeißen, ist sehr fragwürdig. Zusätzlich sind an dem Bau und der Erforschung des Endlagers auch Subunternehmen von Energiekonzernen beteiligt, wodurch sie indirekt wieder Geld verdienen, beziehungsweise: Ein Teil der Unkosten amortisiert (ausgeglichen) wird. Bei solch einer Ziellosigkeit der Politik und der Bevölkerung (Sub-Poltik, Interessengesellschaft) kann man es den Unternehmen jedoch nicht gänzlich verübeln.

Der Kernenergie und der „erneuerbaren Energie“ hätte jedenfalls erheblich mehr Forschung gut getan – besonders Letzterem.